»Sie sind hier fremd, mein Herr? Bitte, wir haben beide ausreichend Platz – ich freue mich sehr! Machen Sie keine Umstände – das kennt man bei uns zu Lande nicht. Sie sind ein Engländer! Yes? Nun – wie gefällt es Ihnen denn bei uns in Schwaben?«
Dass die Reihe der Fragen und sonstigen Höflichkeitsbezeugungen dergestalt in eine Schlussfrage auslaufen würde, war vorauszusehen; aber seltsamerweise schien der Kapitän das durchaus nicht vorausgesehen zu haben.
Kurz atmend, alle Teile seines langen Leibes, die er mit den Handflächen erreichen konnte, seufzend reibend, starrte Sir Hugh den höflichen barmherzigen Bruder auf dem hohenstaufenschen Düngerhaufen, einen langen Augenblick hindurch, soweit die Nacht es erlauben wollte, an und erwiderte erst dann langsam, zögernd und sehr gedehnt:
»Oh, Sir, serr guot, Sir! Sir – aus–ge–seichnet, Sir!«
»Sehen Sie, das freut mich wahrhaftig! Nicht wahr, es ist sehr nett bei uns? Wissen Sie, das nennt man doch a Mal, historischen Boden betreten! was?«
»Oh very historical – ser ’istorisch! aber sie haben aouch mir betreten! sie haben getreten auf mir, sie –«
»Das tut nichts! das geht drein, Herr; und jetzt erlauben Sie mir, dass ich mich Ihnen zu näherer Bekanntschaft vorstelle: mein Name ist Pechlin – Doktor der Philosophie, Christoph Pechlin aus Waldenbuch! und nun – mit wem habe ich meinerseits die Ehre?«
»Captain Slid–de–ry! Sir Hugh Sliddery aus – oh by God aus England« keuchte der neue Bekannte unseres Freundes. »Blaugeslagen! Yellow und grüngeslagen – oh damn that beastly mob!« winselte er, die Zähne aufeinandersetzend, das linke, von einem hohenstaufenschen dreibeinigen Schemel getroffene Knie in die Höhe ziehend und das blutrünstige Schienbein mit beiden Händen umfassend.
»Machen Sie sich nichts daraus, ich mache mir auch nichts daraus«, sprach Pechle freundlich tröstend. »Sehen Sie, morgen früh wird es Ihnen darum nur desto lieber sein, dass Sie heut Abend mit dabei waren. Hoffentlich haben Sie nichts umsonst hingenommen! Nicht wahr, Sie haben mit klingender Münze für jedes genossene Vergnügen bezahlt?«
»Uih, duas hab ich!« krächzte der Engländer. »Ich hab getan das Meinige; uaber, Sir, es war keine Uordnung in das affaire: kein Plan, Sir. Es war not a pitched battle, und ich bitt Sie, mein Herr, uo soll sein das Uordnung in das bataille, ouenn niemand oueiß, uofür er kriegt die Släg?!«
»Yes!« sagte Pechle in vollständiger Ermangelung einer anderen Antwort und kratzte sich ein wenig hinter den Ohren. Aber während alledem toste das Gefecht rund um sie her ruhig weiter, und augenblicklich schien die Partei des Lamms, die Lämmerpartei, verstärkt durch frischen Zuzug, den Ochsenleuten die Oberhand abzugewinnen; jedenfalls stand die Schlacht und wog Zeus, der Regierer der Götter und der Menschen, zweifelnd die Lose auf seiner Wage.
»Halten Sie sich nur ganz ruhig an mir, Herr Hauptmann!« rief Pechlin. »Ohne Umstände – halten Sie fest. Hier sind wir verhältnismäßig sicher und brauchen uns nur ein wenig vor den Wurfgeschossen in acht zu nehmen. Was das übrige anbetrifft, so habe ich auch gute Freunde auf beiden Seiten und rufe im Notfall Quos ego!«
Ein aus einer Hecke gerissener Zaunpfahl streifte ihm unter dem letzten Wort die Stirn und schlug ihm weiter schwirrend den Hut vom Kopfe. Der Exstiftler bückte sich gemütlich nach seiner Hauptbedeckung, drückte sie noch fester auf den Schädel und sagte:
»Hab’ ich es nicht gesagt? Sehen Sie, wir stehen auf der Höhe der Situation und können von hier aus ganz gemütlich den weiteren Verlauf der Dinge abwarten. Wissen Sie, bei uns nennt man das auch Politik und bildet sich nichts Geringes darauf ein.«
»Wuas ist sehr belehrend, Sir«, sagte der Kapitän, der seine Besonnenheit nun doch allmählich wieder zusammenfand. »Uaber Sir, wir können lang warten bei das Politik; und ouas fuang ich an nachher? In den Ochs geh ouich nicht wieder, uelches ist sicher. Sie hab mein Gepäck, my luggage, my baggage geworfen aus dem Fenster dem Fueind auf die Kopf. Sie hab mein Regenschirm zerschlag auf die back, die Buckel von ueiner dicken Lady. Sie hab meine Stock zerschlagen auf mir selbst! Yes, Sir, auf mir eigenhändig selber! Oh, und es ist kein ganz windowframe und kein hueil Fensterscheib in das ganz Ox, und ich lueid an die Katarrh und die Rheumatism! Was suoll ouich anfang in diese Nacht mitten in this howling wilderness, in diese heulerische Wildnis?«
»Haben Sie nicht mich? Haben wir uns einander nicht gegenseitig vorgestellt?« fragte Pechlin. »Sie gehen ganz einfach mit mir in das Lamm. Die Leute kennen mich, und auf dem Tanzsaal ist Raum für Sie.«
»Sir, auf das Tanzsaal?« rief der Kapitän. »Sir, Sie uoll mir wieder bring auf die dancing-room? Oh no! ouich uab genoug von diesem, ouich uill, ouich muss uab ein Privatappartement, uenn ouich –«
»Ja, ja, ich sitze schon mitten in allen Ihren Gefühlen, und verstehe Sie vollkommen, Sir Juh. Seien Sie ohne Sorgen, Sie werden einen guten Schlaf tun im Lamm, und außerdem finden Sie daselbst die beste Gesellschaft. Lauter schöne Leute, sehr schöne Damen und einen ganz intimen Freund von mir, Baron Rippgen aus Dresden, und alle werden sich ebenfalls freuen, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Sehr schöne Damen? Üinen Baron?«
»Yes! Oui! ja, ja! Einen lebendigen deutschen Baron – a german baron – uraltes Geschlecht – Reichsfreiherr! Nicht wahr, das schtimmt mit Ihne?… O ja, er führt auch seine Visitenkarte bei sich – letzter Spross des Geschlechts – Jahrhunderte lang haben sich seine Ahnen abgemüht, um diese Blüte zu erzeugen.«
»A–h! ualso uendlich uein uanständiger Mensch!« rief Sir Hugh Sliddery, tief aufseufzend. »Oh Sir, gern – very gladly indeed würd ouich gehen mit Ihnen; aber – aber mein Anziehen – Anzüglichkeit – my dress – mon costume – ma toilette? ’Err, Sie muss das sehe buei Licht, um das zu glauben.«
»Das wollen wir auch – Sie unverschämter Esel!« äußerte sich Pechle, den Satz zur Hälfte donnernd dem englischen Edelmann