Patrick besuchte nach Einbruch der Dunkelheit mehrmals in der Woche die Höfe unserer drei Supermärkte. Dort standen große Müllcontainer, in denen obenauf die weggeworfenen Lebensmittel des Tages lagen. Vertraute ich seinen Berichten, und Patrick gab keinerlei Anlass, an seiner Glaubwürdigkeit zu zweifeln, so kam er meist mit guter Ausbeute zurück in seinen Bauwagen: Obst und Gemüse mit einigen angefaulten Stellen, die er wegschnitt, Käse, Milch und Butter, denen noch einige Tage Haltbarkeit aufgedruckt waren. Häufig hielten sie eine ganze Weile über das Verfallsdatum hinaus.
Nora hatte einen umfangreichen Hintergrundartikel über das Containern in Süderlenau veröffentlicht:
In den Lebensmittelmärkten unserer Stadt werden täglich Massen guter Nahrungsmittel vernichtet, während zahlreiche Menschen, gerade auch Familien mit Kindern, aus finanziellen Gründen gezwungen sind, am Essen zu sparen. Die Alternative, ältere Waren als Sonderangebot anzubieten, lehnen die Geschäftsführungen in trautem Einvernehmen ab: »Das verdirbt uns die Preise.«
So hat das ›Containern‹, das nächtliche Durchsuchen der großen Müllcontainer in den Höfen der Märkte, zur Rettung von Lebensmitteln in Süderlenau Einzug gefunden. Für die Leitungen der Supermarktketten ist die Entwendung weggeworfener Ware aus dem Müll allerdings nichts anderes als Diebstahl. Um die Diebe zu entmutigen, wurden die Angestellten der Märkte in Süderlenau beauftragt, die Verpackungen zu zerstören, mit dem Ziel, die Waren unbrauchbar zu machen. So unterwirft sich auch Süderlenau der absurden Logik der Profitmaximierung.
»Ich wurde dazu erzogen, Lebensmittel mit Achtung zu behandeln«, erklärt der junge Mann, dem ich während meiner nächtlichen Recherchen an einem Container begegne. »Es ist moralisch nicht vertretbar, gutes Essen im Müll verkommen zu lassen. Das Leid der Tiere, das bei der Produktion vieler Lebensmittel verursacht wird, ist nur ein Grund von vielen, warum ich mich entschieden habe, der Respektlosigkeit gegenüber dem Essen entgegenzuwirken.« Eine Aussage, die nachdenklich stimmt …
Mich hatte ein Glücksgefühl ergriffen, als ich den Artikel las, eine Tür öffnete sich mir, eine Möglichkeit der Zugehörigkeit: wir vom Rande der Gesellschaft. Ich begegnete in dem Geschriebenen einem Menschen, der aus dem Alltäglichen geworfen war so wie ich, wenn auch auf andere Weise, und der einen gangbaren Weg für sich suchte.
»Ein Kinderwunsch ändert die Sicht auf die Dinge grundlegend«, stellte Patrick fest.
Nora konterte: »Ein Vater ist etwas anderes als ein Liebhaber. Ein Vater sollte Verantwortung übernehmen können.«
»Du wirfst mir Mangel an Verantwortung vor! Du weißt sehr genau, dass ich den bequemen Job bei Novacrem aus Verantwortungsbewusstsein aufgegeben habe.«
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