Oliver Twist. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия: Klassiker bei Null Papier
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783943466706
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Mr. Bum­ble in wür­de­vol­lem Ton. »Du kommst jetzt in die Leh­re.«

      »In die Leh­re?« frag­te der Klei­ne zit­ternd.

      »Ja­wohl, Oli­ver. Die gü­ti­gen Herrn, von de­nen dir je­der ein­zel­ne dei­ne El­tern er­setzt, da du kei­ne hast, wol­len dich in die Leh­re ge­ben, da­mit du einst im Le­ben auf ei­ge­nen Fü­ßen ste­hen kannst; und sie wol­len einen Mann aus dir ma­chen, ob­gleich es der Ge­mein­de drei Pfund und zehn Schil­lin­ge kos­tet. – Oli­ver! Drei Pfund und zehn Schil­lin­ge! – Sieb­zig Schil­lin­ge hun­dert­vier­zig Six­pence! Und das al­les für einen nichts­nut­zi­gen Wai­sen­bu­ben, den kein Mensch lei­den kann.«

      Mr. Bum­ble hielt einen Au­gen­blick in sei­ner Rede inne, um Atem zu ho­len. Dem ar­mem Oli­ver roll­ten die Trä­nen über die Wan­gen, und er schluchz­te bit­ter­lich.

      »Ist schon gut, lass nur«, sag­te Mr. Bum­ble, ein biss­chen we­ni­ger wür­de­voll, denn die Wir­kung, die sei­ne Rede her­vor­ge­bracht, be­frie­dig­te ihn. »Komm, Oli­ver, wisch dir die Trä­ne mit dem Är­mel ab und heul dir nicht in die Sup­pe; das ist eine große Dumm­heit.« Und das stimm­te, denn Was­ser war so­wie­so ge­nug in der Ha­fer­grüt­ze.

      Auf dem Weg zum Frie­dens­rich­ter schärf­te Mr. Bum­ble Oli­ver aufs dring­lichs­te ein, er müs­se sich vor al­len Din­gen be­mü­hen, recht glück­lich aus­zu­se­hen, und wenn der alte Herr ihn fra­ge, ob er in die Leh­re ge­hen wol­le, habe er zu ant­wor­ten, er freue sich un­ge­mein dar­auf. Oli­ver ver­sprach sein Bes­tes zu tun, umso mehr, als Bum­ble ihm an­droh­te, dass es ihm sonst schlecht er­ge­hen wür­de.

      Auf dem Amt an­ge­langt, wur­de Oli­ver in ein klei­nes Zim­mer ein­ge­sperrt, und Mr. Bum­ble sag­te ihm, er sol­le hier blei­ben, bis er wie­der­käme und ihn ab­hol­te. Eine gan­ze hal­be Stun­de blieb das arme Wai­sen­kind mit klop­fen­dem Her­zen al­lein. Dann steck­te Mr. Bum­ble sei­nen Kopf her­ein und sag­te laut: »Nun, Oli­ver, mein Kind, komm jetzt zu dem Herrn.«

      Da­bei warf er Oli­ver einen dro­hen­den Blick zu und füg­te lei­se hin­zu: »Ver­giss nicht, was ich dir ge­sagt hab, in­fa­mer Laus­bub.«

      Oli­ver mach­te bei die­ser wi­der­spruchs­vol­len An­re­de ein ziem­lich dum­mes Ge­sicht. Aber Mr. Bum­ble kam je­der Fra­ge zu­vor und schlepp­te ihn ohne wei­te­re Um­stän­de ins Amts­zim­mer. Es war ein ziem­lich ge­räu­mi­ges Zim­mer mit ei­nem großen Fens­ter. Hin­ter ei­nem Pult sa­ßen zwei alte Her­ren mit ge­pu­der­ten Perücken, und der eine von ih­nen las in der Zei­tung, wäh­rend der an­de­re mit Hil­fe ei­ner Schild­patt­bril­le ein klei­nes Per­ga­ment­schrift­stück durch­stu­dier­te. Mr. Limbkins stand ne­ben dem Pult und Mr. Gam­field, des­sen Ge­sicht stel­len­wei­se rein­ge­wa­schen war, in ei­ni­ger Ent­fer­nung ne­ben ihm, wäh­rend zwei bis drei roh aus­se­hen­de Män­ner in Stul­pens­tie­feln im Hin­ter­grund war­te­ten.

      Der alte Herr mit der Bril­le nick­te lang­sam über dem Schrift­stück ein, und es ver­strich eine ziem­li­che Wei­le, nach­dem Oli­ver von Mr. Bum­ble vor das Pult ge­führt wor­den war.

      »Dies ist der Jun­ge, Euer Gna­den«, sag­te Mr. Bum­ble.

      Der alte Herr, der die Zei­tung las, hob eine Se­kun­de den Kopf und zupf­te den an­de­ren al­ten Herrn am Rock­är­mel, wor­auf die­ser er­wach­te.

      »So, so, das ist der Jun­ge«, mur­mel­te der alte Herr.

      »Ja­wohl, zu die­nen, Euer Gna­den«, er­wi­der­te Mr. Bum­ble. »Mach dem Herrn Frie­dens­rich­ter eine Ver­beu­gung, mein Kind.«

      Oli­ver ge­horch­te und mach­te sei­nen schöns­ten Kratz­fuß, da ihm die Her­ren mit den ge­pu­der­ten Perücken mäch­tig im­po­nier­ten.

      »Der Jun­ge wünscht also Schorn­stein­fe­ger zu wer­den«, frag­te der alte Herr.

      »Ja, es ist sein Her­zens­wunsch«, er­klär­te Mr. Bum­ble. »Er wür­de be­stimmt mor­gen wie­der da­von­lau­fen, wenn wir ihn heu­te in ein andres Ge­schäft gä­ben.«

      Der Frie­dens­rich­ter wen­de­te sich an den Schorn­stein­fe­ger­meis­ter: »Und Sie ver­spre­chen, ihn gut zu be­han­deln, or­dent­lich zu näh­ren und zu klei­den usw. usw.«

      »Was i amal sag, dös halt i a«, er­wi­der­te Gam­field mür­risch.

      »Sie ha­ben eine et­was un­ge­schlif­fe­ne Re­de­wei­se, lie­ber Freund, schei­nen aber sonst ein ehr­li­cher gut­her­zi­ger Mann zu sein«, sag­te der alte Herr und rich­te­te sei­ne Bril­le auf den Schorn­stein­fe­ger­meis­ter, auf des­sen schur­ki­schem Ge­sicht die Bru­ta­li­tät deut­lich zu le­sen war. Der alte Herr war halb blind und schon ganz kin­disch, und man konn­te von ihm da­her nicht er­war­ten, dass er er­ken­ne, was an­de­ren auf den ers­ten Blick auf­fal­len muss­te.

      »Dös will i hof­fen, Herr von Vor­stand«, sag­te Gam­field grin­send.

      »Ich set­ze nicht den min­des­ten Zwei­fel in Ihre Wor­te, mein Freund«, er­wi­der­te der alte Herr, drück­te sich die Bril­le fes­ter auf die Nase und fahn­de­te nach dem Tin­ten­fass.

      Es war ein kri­ti­scher Au­gen­blick in Oli­vers Schick­sal: hät­te das Tin­ten­fass dort ge­stan­den, wo es der alte Herr ver­mu­te­te, so wür­de die­ser sei­ne Fe­der ein­ge­taucht und den Ver­trag un­ter­fer­tigt ha­ben, und Oli­ver wäre ein für al­le­mal »ver­sorgt« ge­we­sen. Da sich das Tin­ten­fass je­doch dicht vor der Nase des al­ten Herrn be­fand, über­sah es die­ser na­tür­lich, such­te über­all auf dem Pult her­um, ohne es zu fin­den, und da­bei fiel sein Blick auf das blei­che ver­stör­te Ge­sicht Oli­ver Twist’s, der trotz al­ler Er­mah­nun­gen und Püf­fe Mr. Bum­bles das Äu­ße­re sei­nes zu­künf­ti­gen Lehr­her­ren mit ei­nem aus Grau­en und Furcht ge­misch­ten Aus­druck be­trach­te­te.

      Der alte Herr hielt so­fort inne, leg­te die Fe­der aus der Hand und blick­te von Oli­ver zu Mr. Limbkins, der mit un­be­fan­ge­ner hei­te­rer Mie­ne eine Prie­se Schnupf­ta­bak zu neh­men ver­such­te.

      »Lie­bes Kind!« sag­te der alte Herr und lehn­te sich über das Pult. Oli­ver fuhr beim Klang sei­ner Stim­me zu­sam­men, denn die Wor­te wa­ren in so freund­li­chem Tone ge­spro­chen, dass sie ihn be­frem­den muss­ten. Er zit­ter­te hef­tig und brach in Trä­nen aus.

      »Aber Kind«, rief der alte Herr. »Du siehst ja ganz bleich und ver­stört aus? Was ist dir denn?«

      »Tre­ten Sie ein we­nig von ihm weg«, sag­te der an­de­re alte Herr, leg­te sein Schrift­stück aus der Hand und beug­te sich mit ei­nem Aus­druck tiefer Teil­nah­me vor.

      »Also, mein Kind, sag uns, was dir fehlt. Hab kei­ne Furcht.«

      Oli­ver fiel auf die Knie, er­hob sei­ne ge­fal­te­ten Hän­de und fleh­te schluch­zend, man möge ihn lie­ber wie­der in das dunkle Zim­mer zu­rück­brin­gen und ihn ver­hun­gern las­sen, ihn schla­gen, ihn tot­schla­gen, al­les, nur ihn nicht je­nem schreck­li­chen Mann über­ge­ben.

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      »Ha«, rief Mr. Bum­ble, hob fei­er­lich die Hän­de em­por und blick­te zur De­cke auf. »Von al­len ver­stock­ten nie­der­träch­ti­gen Wai­sen­jun­gen, die mir je un­ter­ge­kom­men sind, ist die­ser der ver­wor­fens­te von al­len.«

      »Hal­ten Sie den Mund, Kirch­spiel­die­ner«,