Rosa lächelte; Ambrosius’ Befangenheit gab ihr Mut, und sie blickte zu ihm auf, erschrak aber vor diesem schmerzvoll erregten Gesichte mit den starren Augen, den fest zusammengepreßten Lippen. Sie wollte sich aus den Armen befreien, die sie fest umschlungen hielten, und rief ängstlich: »Oh, Tellerat!« – Er aber hielt sie fest: »Rosa, Rosa«, flüsterte er und drückte mit heißen Händen die nackten Arme des Mädchens. »So ist’s gut!… So sind wir beieinander.« Er lachte – er wusste nicht mehr, was er sprach; seine Finger, die krampfhaft sich an Rosa festklammerten, taten ihr weh – sie wollte schreien, dann kam es aber wie große Mutlosigkeit und Müdigkeit über sie – bleich lehnte sie sich zurück und starrte vor sich hin. Menschen, die angestrengt lauschen, etwas erwarten, haben diesen stetigen, abwesenden Blick. Willenlos in die Arme des jungen Mannes geschmiegt, ließ sie alles über sich ergehn, während Ambrosius mit fieberhafter Hast an ihr zerrte. Er bog den blonden Kopf zurück und küsste das ernste Antlitz – er riss das weiße Kleid von den Schultern – warf die ganze schlanke Gestalt in seinen Armen hin und her mit der Brutalität eines jungen, der seine erste Liebe zu einer Dirne in die Schule geschickt hat. Dann plötzlich, als wäre er erschöpft, als machte die Leidenschaft ihn krank, ließ er die Hände sinken und saß, an das Mädchen gelehnt, ruhig da. Rosa hatte ihren Kopf auf Ambrosius’ Schulter gestützt – ihr Gesicht war unbewegt – wie das einer Schlafenden, nur – dass die Augen weit offenstanden und an den Wimpern Tränen hingen. Nein, sie dachte an nichts. Sie fühlte nur das Fieber ihres Blutes, hörte nur das Pochen ihres Herzens. Mechanisch schweiften ihre Blicke im dämmerigen Raume umher. Fahl kroch das Mondlicht die Fässer und Ballen hinan. Mächtige Schatten wuchsen an den Wänden empor; auf einer Leiste erglomm in einer Flasche ein roter Funke und blinzelte. Von der Decke hing die Pariser Wurst nieder, ein rundes Ungeheuer, ein Riesenblutegel, der sich dort oben angezogen hatte. Ungeordnet, wie im Halbschlummer, begannen sich Rosas Gedanken um diese Gegenstände zu drehen, und unwillkürlich mühte sie sich ab, dieselben zu unterscheiden. Dort stand die Heringstonne – dahinter schimmerte es matt. – Oh, das waren die kleinen Fische! Dieser spitze Schatten kam von der Ecke des Ladentisches – – dort lag ein Tuch – dann ging es finster hinab, ein schwarzer Schacht – dort war noch etwas; etwas weißes – Rosa schaute es an; der Mehlsack war es nicht, der stand dort. Nein, sie vermochte es nicht zu erkennen, sosehr sie sich auch bemühte. Stünde die Tonne etwas mehr nach rechts – berechnete sie –, dann würde sie es unterscheiden können. Es hätte ein Gesicht sein können – die beiden Pünktchen die Augen –, das schwarze Loch der Mund. Ambrosius drückte Rosa stürmisch an sich und störte sie aus ihrem Hinbrüten auf; das weiße Ding – jetzt sah sie es deutlich – es war ein bleiches, verzerrtes Gesicht. Es stützte das Kinn auf den Rand der Tonne – hatte die Augen weit offen – es lachte. »Dort in der Ecke«, vermochte Rosa nur hervorzubringen, dann sank sie betäubt zusammen. Nun sah es auch Ambrosius. Fahl und lachend hing das Gesicht noch über der Tonne: »Lurch«, rief Ambrosius unsicher. »Herr von Tellerat«, antwortete eine leise, freundliche Stimme. Ambrosius beugte sich vor und starrte mit bitterböser Miene in die Ecke, aus der die Stimme kam. »Was tun Sie da? Wo kommen Sie her?«
»Ja, Herr von Tellerat«, erwiderte Lurch höflich. »Ich weiß das selbst kaum. Ich muss wohl müde gewesen sein. Jedenfalls verlangte mich – ganz plötzlich – nach meinem Bett. Ja – und nun – so glaube ich«, ein bleicher Finger tauchte aus dem Dunkel auf und legte sich an die bleiche Nase, »nun hab ich mein Zimmer wohl nicht finden können – das vermute ich –, so bin ich denn hier hereingeraten. Möglich ist es, dass ich geglaubt habe,