»Das kann nichts schaden«, meinte Ambrosius.
»Ja, Pflanzen – tropische Pflanzen«, fuhr Fräulein Sally fort. »Ich habe vier Myrthenstöcke, du, Rosa, hast einen Geranium. Gott, es findet sich schon.«
»Vielleicht könnte man auch in den Salon Blumen stellen?« schaltete Rosa ein.
Fräulein Sally war unschlüssig, Ambrosius begeisterte sich aber für diesen Gedanken. »Gewiss, Gruppen, warum nicht? Sehr gut – hm – Gruppen.«
»Gut also.« Fräulein Sally fuhr mit der Hand über ihr Knie, zum Zeichen, dass dieser Punkt abgetan sei. »Wir kommen jetzt zu den Erfrischungen. Zum Beginn Kaffee, natürlich. Ich habe mir gedacht, ein Viertel Zichorie, und so – du weißt? Während des Tanzes werden Butterbrote gereicht. Vielleicht – vielleicht erlaubt es der Papa, die Pariser anzuschneiden, das wäre himmlisch!« Fräulein Sally zählte alle Genüsse des Festes eifrig auf. Sie verstand es, den gewöhnlichsten Dingen einen Nimbus des Großartigen und Vornehmen zu geben, nur durch die Art, in der sie von ihnen sprach.
Ambrosius gab auch Ratschläge in seiner nachlässigen, mitleidigen Weise. Seine Pläne zeichneten sich jedoch durch zu große Überschwenglichkeit aus. So wollte er im Damenzimmer ein Zelt aus Seidengaze aufschlagen und es mit bunten Lampen erleuchten.
Fräulein Sally war dem nicht ganz abgeneigt; sie meinte, man könne dazu die baumwollenen Bettvorhänge ihrer Mutter und die Speisezimmerlampe verwenden.
Rosa machte hin und wieder auch einen Vorschlag, den Fräulein Sally gewöhnlich bekämpfte und den Ambrosius warm vertrat.
Es dämmerte; die Ecken des Gemaches wurden ganz finster, nur in der Nähe des Fensters lag noch ein unsicheres Licht.
Fräulein Sally sprach eifrig, die beiden andren waren einsilbig. Nur selten schaltete Ambrosius ein »Hm« oder einen zusammenhanglosen Satz ein. Er war mit anderen Dingen beschäftigt. Vorsichtig hatte er Rosas Hand ergriffen und hielt nun dieses willenlose, warme kleine Ding, legte es dann wieder fort, um eine sehr heiße Wange zu streifen.
Fräulein Sally war bei ihrer Toilette angelangt. »Nicht wahr, denkst du nicht auch?« wandte sie sich an ihre Freundin, die nur ein heiseres »Ja« verlauten ließ. Fräulein Sally wunderte sich nicht darüber. Sie wusste, ein hübsches Kleid war für Rosa ein unliebsames Thema. Natürlich, sie hatte ja nur das weiße Musselinkleid, das sie schon zu ihrer Einsegnung getragen, das arme Mädchen.
Der Mond kam plötzlich über dem Giebel des gegenüberliegenden Hauses zum Vorschein und zeichnete das Fensterkreuz auf den Estrich, groß und schwarz auf goldenem Grunde. Alle schwiegen. Fräulein Sally neigte das Köpfchen und blickte zum Fenster hinüber. Rosa rückte ihren Stuhl in den Mondschein hinein und saß still und feierlich da; sie fühlte, sie sei schön. Ambrosius starrte sie, rot vor Erregung, an; auch Fräulein Sally konnte ihre Bewunderung dieser blonden, mondbeglänzten Gestalt nicht versagen; um auch ihren Teil an dieser Schönheit zu haben, beugte sie sich an Rosa heran, legte die braunen Löckchen an die blonden Zöpfe und sagte zärtlich: »Mein liebes, liebes Herz!«
»Es ist spät«, versetzte Rosa ernst und gerührt, wie es Mädchen zu sein pflegen, die sich gerade schön wissen. Sie erhob sich, um heimzugehen. Das Mondlicht war so hell, dass es fast wie Tageslicht über dem Städtchen lag. Ein bläulicher Glanz erfüllte die Luft und blitzte auf den Fensterscheiben. Rosa ging langsam ihre Wege, sah in die Mondscheibe und atmete hastig und tief, als ließe sich das Licht trinken. Mitten auf dem Marktplatz stand der Apotheker und hielt seine Uhr gegen den Mond, um zu sehen, wie spät es sei. Aus dem Fenster eines Erdgeschosses beugte sich eine Dienstmagd heraus und legte ihre mächtigen nackten Arme vor sich auf das Fensterbrett, um sie in der Abendluft zu kühlen, neben ihr saß ein Bursche und hielt mit beiden Händen des Mädchens dicke, rote Backen. In einem Winkel zwischen zwei Häusern stand die Trödlerstochter Ida Wulf mit ihrem Schusterbuben. Sie drängten sich aneinander und kicherten.
Rosa hörte eilige Schritte hinter sich und blieb stehen. Ambrosius war es, außer Atem und sehr erregt: »Oh! Fräulein Herz, gnädiges Fräulein, gehen Sie schon heim?«
»Ja, es ist spät«, erwiderte Rosa und begann mit kleinen Schritten weiterzugehen.
»Ja! – hm – Oh, gnädiges Fräulein, ich wollte nur… ich muss. Sie sind mein Ideal; gewiss, mein Ideal!« Nun ward er feurig: »Vorhin – im Mondschein, Sie waren zu schön. Ich muss es Ihnen sagen. – Seien Sie nicht grausam, Sie sind ein Engel – hm – mein Engel.« – Rosa war bestürzt, dennoch kam ihr der Gedanke: »Jetzt ist der Augenblick gekommen, so muss es sein! Jetzt muss etwas geschehen, und wenn du nichts sagst und nichts tust, dann ist es vorüber.« Aber sie sagte und tat nichts.
»Müssen Sie wirklich nach Hause?« fragte Ambrosius schmelzend.
»Ja, mein Vater erwartet mich.«
»Wir müssen also scheiden. Geben Sie mir Ihre Hand, o Liebe!« Ambrosius nahm Rosas Hand, dann Rosa selbst und küsste ihre Lippen, dann ließ er sie los. Schweigend und zitternd standen sich beide gegenüber. Schritte wurden hörbar. »Auf Wiedersehn«, flüsterte Ambrosius, »mein Ideal« – und hastig fuhren sie auseinander.
An der Treppe der Herzschen Wohnung fand Rosa Ida Wulf. Das Judenmädchen richtete seine schwarzen Augen forschend auf Rosa und lächelte ein altes, überlegenes Lächeln.
»Nun, Ida, was treibst du?« fragte Rosa.
»Nichts, Fräulein Rosa. Schön ist es heute.« Rosa nickte. »Fräulein Rosa«, fuhr Ida leise fort und legte zwei magere braune Hände auf Rosas Arm. »Dieser junge Herr bei Lanins, der ist schön, nicht? Ich bin auch verliebt in ihn.« Rosa schlug die Augen nieder und sagte unsicher: »Du solltest um diese Zeit schon zu Bette sein, Ida.«
Das Judenmädchen lachte. »Nein! Ich bleibe lange draußen. Aber Fräulein Rosa, ich kenne viele, viele Stellen, wo man zusammen sein kann. Sie wissen, Fräulein Rosa, so allein. Der Peter, Sie wissen, Fräulein Rosa, der garstige Schusterbub und ich, wir wissen alle solche Stellen. Soll ich sie Ihnen zeigen, Fräulein Rosa?« Dabei nahm Ida einen von Rosas Zöpfen und wog ihn in der flachen Hand. »Wozu?« erwiderte Rosa. »Was machst du denn dort mit dem Schusterbuben?« fügte sie hinzu und blickte über das Judenmädchen hinweg.
»Wo?« fragte Ida ernst.
»Nun – an – an jenen Stellen« – – –
»Oh, der Peter!« kicherte