Das uranfänglich eine ist das unbestimmte, unbegreifliche Wesen, das was ist, das dunkle Schicksal, die ewige, leere Zeit (Zerwane Akerene nannte dies der Parse), und aus ihm entstammt sind beide, Ahriman und Ormuzd, die beide dann wieder Geister schufen, der eine die guten, der andere die bösen, um alles was ist, zu bilden und zu regieren.
Auch über das Wie dachte man nach, nämlich wie Ormuzd und Ahriman wurden, und man nahm Vorstellungen zu Hilfe, wie sie schon im alten Indien ausgebildet waren. Man dachte sich das Uranfängliche schon als lebendigen Willen, aber noch als Sehnsucht, und nannte es Zruna. Dieser Gott sehnt sich nach geschaffenen Wesen, nach einer Welt, und harrt tausend Jahre, bald in Zweifeln, ob sich sein Sehnen erfüllen werde, bald in Gebet und Opfer, in Wunsch und Hoffnung. Zu wem er betete, wem er opferte, das machte sich vermutlich die kindliche Art dieses Fantasierens nicht klar. Genug, aus seinen Zweifeln wurde Ahriman, aus seinen Wünschen Ormuzd, die dann immer abwechselnd alles Reine und Unreine, Gute und Böse schufen, Ormuzd die Amschaspands, die guten Geister, Ahriman die bösen, seine Dews.
Diese Geister kämpfen nun um des Menschen Seele, und wenn der Mensch rein und des Ormuzd Diener bleibt, so gelangt seine Seele einst an den Ort des reinen Lichts und Friedens, Grootman genannt; die Diener Ahrimans jedoch werden an den Ort der Schrecken und der Finsternis, Duzakh, verstoßen. Über jede Seele richten drei Totenrichter und bestimmen, ob sie in den Himmel eingehen oder in die Hölle versinken solle. Doch gelten die Höllenstrafen nicht für endlos, weil zuletzt das Reich des Ormuzd triumphieren soll.
Ob Ahriman in dieser seligen Zeit mit Ormuzd Frieden schließen und selber an der Freude des Lichtes Teil nehmen, oder ob er gänzlich mit seinem Reich verschwinden würde, darüber konnte man zweifelhaft sein, wenn alles Übrige schon sich für die Vorstellung befestigt hatte, und man war wirklich zweifelhaft. Sosiosch, das sagten alle, werde am Ende der Tage erscheinen, der Erretter, der Befreier; aber er wird den Ahriman, sagten die einen, vernichten, bekehren, sagten die anderen.
Hier ist also schon Himmel und Hölle, hier der Urquell des Guten mit dem Urquell des Bösen im Kampfe, der Urquell des Bösen schon als der Verführer der Menschen vorgestellt: aber man sieht leicht, dass die Fragen nach dem Ursprung des Guten und Bösen, nach dem Zusammenhang dessen, was außerhalb des Menschen, und dessen, was in seinem Innern gut und böse, und nach der Lösung des Rätsels, wie der arge Zwiespalt aus der Einheit alles Lebens sich entwickeln konnte, nicht bis auf ihren Grund erschöpft und zur Lösung gebracht sind. Dies konnte nicht geschehen, wo die Menschen sich einmal daran gewöhnt hatten, das Doppelreich des Lichtes und der Finsternis als vorhanden zu denken und an feinem Dasein keinen Anstoß zu nehmen.
Anders musste es werden, wenn dieselbe Ansicht Eingang fand in ein Gebiet menschlicher Anschauung, auf welchem der Geist den Gedanken erfasst und sich zum sicheren Eigentume gemacht hatte, dass in allem was ist, eine einige, einzige Macht wirksam, dass der alleinige Gott Schöpfer und Herr des Alls sei. Nun erst tritt die Frage nach der Möglichkeit des Bösen in ihrem ganzen Ernste hervor. Anfangs, bevor das Nachdenken tiefer eindrang, konnte man sich dabei beruhigen, dass man annahm, das Böse sei nur des Menschen Trotz gegen Gott und Abfall von Gott, zu solchem Trotz und Abfall sei der Mensch verführt worden.
Von wem? Wer ist die Schlange, welche Eva überlistet? Man wusste es nicht, man bedachte dies noch nicht; es war fürs Erste schon befriedigend für den Geist, dass er den Fund getan hatte, das Böse als Abtrünnigkeit in Folge der Verlockung zu begreifen. Aber weiter dachte man: nicht alles Böse kommt aus dem Herzen des Menschen, viel Unheil tritt von außen her an diesen, und Strafe Gottes kann nicht alles Unheil sein, denn leiden muss auch der Gerechte. Wohl, was nicht Strafe ist, das ist Versuchung, Prüfung, welche Gott über den Menschen verhängt, dessen freie Anhänglichkeit und Verehrung er begehrt.
So ist der Versucher im Buche Hiob Gottes Diener, der Satan ist mitten unter den Kindern Gottes; der Herr fragt ihn ausdrücklich: hast du nicht Acht gehabt auf Hiob, meinen Knecht? und er spricht nachher zu ihm: siehe, alles was Hiob hat, sei in deiner Hand, nur an ihn selbst lege nicht Hand. Aber bei der letzten Entscheidung, welche Gott im Buche Hiob über sein Verhängnis gibt, nämlich dass alles nach der Willkür des Herrn ergehe, mit dem kein Mensch zu rechten sich unterfangen dürfe, weil alles was unter den Himmeln, Gottes Werk und Eigentum (Hiob 41,2), mit dieser Entscheidung konnten sich die Menschen auf die Länge nicht beruhigen: sie erwarteten von ihrem Gott Gerechtigkeit, keine Willkür, und Liebe, kein Bedräuen und schreckliches Offenbaren seiner Macht.
Sie fragten, wie Albert in unserem Texte fragt: wie konnte die höchste Vollkommenheit das Übel, wie das höchste Wissen die Lüge, wie die Liebe den Hass erzeugen? Nur durch Abfall war es möglich. Aber konnte man sich denken, dass der Mensch ursprünglich gut geschaffen und in der Hand des guten Gottes stehend von Gott abfiele? Nimmermehr. Ein anderer Geist musste dazu in ihm mächtig geworden sein, als Gottes Geist.
Dieser andere Geist, der Widersacher Gottes, der Verführer des arglosen Menschen, den man sich nicht mehr überreden konnte als ein Werkzeug Gottes zu denken, muss ein gefallener Engel sein; denn uranfänglich, ein dem Guten entgegengesetztes Prinzip konnte er nicht sein, weil von Anfang an nur Gott ist, der alles aus dem Nichts hervorgerufen. Was man dem Menschen nicht zutraute, traute man einem Engel zu; der Mensch hätte nicht fallen können, wie konnte ein Engel fallen? Man erwog die Schwierigkeit nicht, man war zufrieden, sich durch Satans Abfall den Abfall des Menschen erklärt zu haben.
Dieser gefallene Engel ist Satan im Neuen Testament, wo sich nur die Vorstellung der damaligen Juden wiederholt, nichts durch das Christentum neu begründetes. Die Offenbar. Joh. belehrt uns (12, 7ff.): »Es erhob sich ein Streit im Himmel. Michael und seine Engel stritten mit dem Drachen, und der Drache stritt, und seine Engel, und siegten nicht. Es ward ausgeworfen die alte Schlange, der Teufel und Satanas, der die ganze Welt verführt, und ward geworfen auf die Erde, und seine Engel wurden auch dahin geworfen … Darum freuet euch, ihr Himmel, weil der Verkläger unserer Brüder verworfen ist, der sie verklaget Tag und Nacht vor Gott … Aber wehe denen, die auf Erden