Sobald der Gedanke einmal feststand, dass das Böse von einem gefallenen Engel herrühre, bemühete man sich, den Abfall dieses Engels sich zu erklären. Ich will nur einen dieser Erklärungsversuche anführen, der unter den Arabern aufkam, weil ich dabei Gelegenheit finde, den Eblis, der oben im Texte erwähnt ward, unsern Leserinnen näher bekannt zu machen.
Die Dews (oder Dives, Dämonen) beherrschten zuerst die Erde, wurden aber trotzig, weil die ihnen eingeräumte Herrschaft sie stolz gemacht hatte. Um sie zu demütigen, schuf Gott, aus dem reineren Feuerstoff den Engel Hareth, d. h. den Aufseher, der auch die Dews bezwang und unterwarf. Aber nun wurde er selbst stolz auf seinen Sieg und auf seine Alleinherrschaft; er wurde zum Eblis (Διάβολος Diabolus, Teufel) oder, wie er auch sonst genannt wird, Azazel, oder Iba (Widerspänstiger) oder Scheitan (Satan). Und Gott beschloss, auch ihn zu demütigen und schuf den Menschen, vor welchem alle Engel und auch Eblis die Knie beugen sollten. Da Eblis sich dessen weigerte und den Menschen zu verführen und zu knechten trachtete, so verfluchte Gott den Eblis bis auf den letzten Gerichtstag, wo er seine letzte Strafe erhalten wird in dem Feuer, dem Elemente selbst, aus dem er geschaffen worden.
Indessen bleibt die Frage stehen, wie es einem guten Engel möglich war, stolz und trotzig zu werden. Und der Schwierigkeiten sind noch mehr. »Es lassen sich, (sagt Schleiermacher, den ich hier wörtlich anführe, weil ich die Sache nicht besser zu sagen weiß,) es lassen sich, je vollkommner die Engel gewesen sein sollen, umso weniger andere Motive ihres Falles angeben, als welche, wie z. B. Hoffart, Neid, einen solchen Fall schon voraussetzen. Sollen nun ferner nach dem Falle die natürlichen Kräfte des Teufels unverrückt geblieben sein, so ist nicht zu begreifen, wie beharrliche Bosheit bei der ausgezeichnetsten Einsicht sollte bestehen können. Denn diese Einsicht muss zuerst jeden Streit gegen Gott als ein völlig leeres Unternehmen darstellen. Hat aber der Teufel bei seinem Falle auch den allerschönsten und reinsten Verstand verloren, so lässt sich auf der einen Seite nicht einsehen, wie durch eine Verwirrung des Willens der Verstand für immer sollte verloren gehen können, wenn nicht diese Verirrung selbst schon auf einem Mangel an Verstand beruht; auf der anderen Seite wäre nicht zu begreifen, wie der Teufel nach einem solchen Verlust seines Verstandes noch sollte ein so gefährlicher Feind sein können.«
Ich führe die Stelle, die noch mehrere Schwierigkeiten aufzählt, nur so weit an, weil es für den gegenwärtigen Zweck genügt, zu zeigen, dass sich das Nachdenken bei der Vorstellung von gefallnen Engeln in ein unentwirrbares Labyrinth verwickelt.
Man denkt sich Gott als den Inbegriff aller Vollkommenheiten und zugleich als den Schöpfer der Welt. Wie ist es möglich, dass der vollkommne Schöpfer ein unvollkommnes Werk hervorgebracht habe? Dass dies die eigentliche Frage sei, um deren Lösung es zu tun war, musste dem nachdenkenden Menschen bald klar werden.
Die christlichen Kirchenlehrer ließen die Frage dahingestellt und begnügten sich mit der Überzeugung, dass Satan eben da ist; nach der Möglichkeit seines Daseins zu fragen, schien ihnen überflüssig und sogar gotteslästerlich, denn es galt für Vermessenheit, in die Tiefen der göttlichen Geheimnisse eindringen zu wollen. Und die Entstehung des Bösen sahen sie als das Grauenvollste aller Geheimnisse an.
Aber es fehlte nicht an Männern, welche den Schleier, der diese Geheimnisse bedeckte, zu lüften versuchten. Sie strebten nach der vollkommnen Erkenntnis, die man mit griechischem Worte »Gnosis« nannte, und sie selbst erhielten deswegen den Namen der Gnostiker. Konnte der vollkommene Gott die unvollkommene Welt nicht selbst geschaffen haben, so musste ein andrer untergeordneter Geist der Urheber derselben sein.
Künstlichen Spekulationen ist hier ein ungemessenes Feld geöffnet, wie denn auch eine Menge von gnostischen Systemen entstanden, denen zufolge die Welt aus einer Mischung von geistigen, göttlichen und trüben, aus dem Chaos oder der toten Materie entnommen Elementen durch die Tat eines auf niederer Stufe des aus Gott in vielen Abstufungen ausgeströmten Geisterreiches stehenden Dämons gebildet ist, bald mit dem Willen des unnahbaren Gottes, der einen Läuterungsprozess zur Überwindung der trägen Materie beabsichtigt, bald gegen den Willen Gottes, der aber nun nach vollbrachtem Werk sich des kranken, verpfuschten Gemächtes rettend annimmt, um seine Herrlichkeit allmählich wieder herzustellen.
In diesen Systemen wird aller künstlichen Abstufung geistiger Mächte und aller Einschaltung von Zwischengliedern ungeachtet das nicht erreicht, was beabsichtigt ist. Gott bleibt doch immer, wenn auch nicht unmittelbar, die letzte Ursache der Erscheinungswelt und also auch des Übels in ihr. Manche Gnostiker haben daher auch das Übel nicht als Übel, d. h. nicht als etwas, das Gott nicht gewollt hat, sondern als ein von Gott selbst Eingesetztes und dazu dass es überwunden werde oder zur Förderung der göttlichen Absichten und zur vollkommnen Herstellung des göttlichen Wesens Notwendiges erkannt; ihnen ist dann der verführende Geist, die alte Schlange nicht das böse Prinzip, sondern das Gärungsmittel, welches Gott in seine Schöpfung gelegt hat, der Geist der Klugheit und des Selbstbewusstseins, der Lichtbringer (Lucifer).
Die Vorstellungen, welche sich die Grübler jener Zeit von dem Prozesse der Weltbildung machten, mussten verschieden ausfallen, je nachdem sie sich die Entstehung des Bösen im Menschen dachten. Man hat sich dieses immer auf verschiedene Art gedacht. Man nahm entweder an, dass der einzelne Mensch von Natur gut sei oder von Natur böse, oder endlich mit einem doppelten Willen ausgestattet, von denen der eine gut, der andere böse ist.
Wenn man den Menschen für ein zwiegeschaffnes Bild hielt, weil man sonst nicht wusste wie beides zugleich in ihm sein konnte, Gutes und Böses, so war man genötigt, such einen doppelten göttlichen Ursprung dieser beiden Willensmächte anzunehmen, wie die alten Naturreligionen, von denen oben die Rede war, auch die Gnostiker taten. Ja, eine Partei der letzteren ging so weit, an zwei Urmenschenpaare zu glauben.
Wenn man dagegen annahm, der Mensch wäre ursprünglich gut geschaffen, so konnte man sich das Böse nur als einen Abfall von Gott denken. Dieser unbegreifliche Abfall musste irgend einmal eingetreten und dann nicht wieder gut zu machen gewesen sein: man dachte sich einen Fall Adams des ersten Menschen, und die Vererbung seiner dadurch verkehrten Natur auf seine Nachkommen. Seit dem Falle also ist der einzelne Mensch von Geburt an böse, vermöge der Erbsünde, d. h. der Fortpflanzung eines durch Adam’s Fall zerrütteten Wesens.
Um sich den ersten