Gesammelte Werke. George Sand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962816148
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eine Lie­be, die so selt­sam wie die Ihre ist, ver­ste­hen und sich an­eig­nen! Mir scheint, dass es von Ih­nen aus­ge­hen müss­te, mir die­se aus­schließ­li­che Lie­be, die Sie for­dern, ein­zu­flö­ßen, und dass es nicht von mir ab­hängt, sie zu ge­wäh­ren, zu­mal so we­nig als ich Sie noch ken­ne.

      Da wir hier in der ge­heim­nis­rei­chen Spra­che der Re­li­gi­on schon re­de­ten, von der ich ei­ni­ges doch in mei­ner Kind­heit ge­lernt habe, will ich Ih­nen sa­gen, dass man sich im­stan­de der Gna­de be­fin­den muss, um Ver­ge­bung sei­ner Sün­den zu er­lan­gen. Nun wohl­an! die Art Ab­so­lu­ti­on, die Sie be­geh­ren, mei­ne Lie­be, sind Sie de­ren wür­dig? Sie fo­dern das reins­te, zärt­lichs­te, sanf­tes­te Ge­fühl, und doch scheint mir, dass Ihre See­le we­der zur Sanft­mut noch zur Zärt­lich­keit neigt. Sie näh­ren in ihr fins­te­re Ge­dan­ken und gleich­sam ewi­ge Ra­che.

      – Was mei­nen Sie, Con­sue­lo? ich ver­ste­he Sie nicht.

      – Ich mei­ne, dass Sie stets von un­se­li­gen Bil­dern, Mord­ge­dan­ken, blu­ti­gen Er­schei­nun­gen ver­folgt wer­den. Sie be­wei­nen Ver­bre­chen, wel­che Sie vor meh­ren Jahr­hun­der­ten be­gan­gen zu ha­ben glau­ben und de­ren Ge­dächt­nis Ih­nen zu­gleich lieb ist, denn Sie nen­nen sie ruhm­voll und er­ha­ben, mes­sen sie dem Wil­len des Him­mels, dem ge­rech­ten Zor­ne Got­tes bei. Kurz, Sie ängs­ti­gen sich und über­he­ben sich zu­gleich, in­dem Sie in Ih­rer Ein­bil­dung die Rol­le gleich­sam ei­nes En­gels der Ver­nich­tung spie­len. Ge­setzt, Sie wä­ren in Wahr­heit vor­mals ein Rä­cher und Zer­stö­rer ge­we­sen, so soll­te man den­ken, dass Sie den Trieb, die Ver­su­chung, fast den Hang zu die­sem ab­scheu­li­chen Loo­se bei­be­hal­ten hät­ten, da Sie stets über Ihr jet­zi­ges Le­ben hin­aus­bli­cken und sich be­jam­mern wie ei­ner der noch jetzt ver­dammt ist, ein Ver­bre­cher zu sein.

      – Nein! Dank sei es dem all­mäch­ti­gen Va­ter der Geis­ter, der sie zu­rück­nimmt und sie in der Lie­be sei­nes Her­zens neu­ge­biert, um sie wie­der in die Ar­beit des Le­bens aus­zu­sen­den, rief Ru­dol­stadt mit gen Him­mel er­ho­be­nen Ar­men. Nein! ich habe kei­nen Hang zur Ge­walt­tä­tig­keit und Wild­heit bei­be­hal­ten. Es ist ge­nug zu wis­sen, dass ich ver­dammt war, Schwert und Fa­ckel in den Hän­den die­se bar­ba­ri­schen Zei­ten zu durch­stür­men, die wir in un­se­rer fre­chen, fa­na­ti­schen Spra­che »die Zei­ten des Ei­fers und des Zor­nes« nann­ten. Sie wis­sen aber die Ge­schich­te nicht, er­ha­be­nes Mäd­chens Sie be­grei­fen nicht die Ver­gan­gen­heit; die Ge­schi­cke der Völ­ker, un­ter de­nen Sie ohne Zwei­fel stets eine fried­li­che Sen­dung, stets den Be­ruf ei­nes trös­ten­den En­gels hat­ten, sind Rät­sel vor Ihren Au­gen. In­des­sen müs­sen Sie doch et­was von die­sen grau­en­vol­len Wahr­hei­ten er­fah­ren und eine Vor­stel­lung von dem er­lan­gen, was oft Got­tes Ge­rech­tig­keit un­glück­li­chen Men­schen auf­er­legt.

      – Ja, re­den Sie, Al­bert! er­klä­ren Sie mir, wie eit­le Strei­tig­kei­ten um die Ze­re­mo­ni­en des Abend­mahls so große Wich­tig­keit und Hei­lig­keit für bei­de Tei­le ha­ben konn­ten, dass sich Völ­ker im Na­men der gött­li­chen Eu­cha­ris­tie er­wür­gen muss­ten.

      – Sie ha­ben recht, sie gött­li­che zu nen­nen, ant­wor­te­te Al­bert, sich ne­ben Con­sue­lo am Ran­de der Quel­le nie­der­set­zend. Die­ses Sym­bol der Gleich­heit, die­se Ze­re­mo­nie, von ei­nem himm­li­schen We­sen un­ter al­len Men­schen ein­ge­führt, um den Grund­satz des brü­der­li­chen Le­bens zu ver­ewi­gen, darf Ihr Mund nicht an­ders be­zeich­nen, ei­nes We­sens Mund, das den höchs­ten Mäch­ten und den edels­ten Ge­schöp­fen gleich steht, de­ren sich das Men­schen­ge­schlecht zu rüh­men hat, wäh­rend es den­noch zu­gleich noch ein­ge­bil­de­te und sinn­ver­wirr­te We­sen gibt, wel­che Sie als ein Ge­schöpf von ei­ner ge­mei­ne­ren Ras­se an­se­hen und Ihr Blut für min­der kost­bar hal­ten als das der Kö­ni­ge und Herrn auf Er­den. Was wür­den Sie von mir den­ken, Con­sue­lo, wenn ich, der ich von die­sen Kö­ni­gen und Her­ren ab­stam­me, mich in mei­nen Ge­dan­ken über Sie er­hö­be?

      – Ich wür­de Ih­nen ein Vor­ur­teil ver­zei­hen, das Ihre gan­ze Kas­te noch hei­lig hält und ge­gen wel­ches mich auf­zu­leh­nen mir nie in den Sinn kam, glück­lich wie ich es bin, frei und den Klei­nen gleich ge­bo­ren zu sein, die ich mehr lie­be als die Gro­ßen.

      – Sie wür­den es mir ver­zei­hen, Con­sue­lo! aber ach­ten wür­den Sie mich nicht, und Sie wür­den nicht hier sein, al­lein bei mir, ru­hig an der Sei­te ei­nes Man­nes, der Sie an­be­tet, und si­cher dass er Ih­nen glei­che Ehr­furcht zollt, als ob Sie, im Ge­nuss des Vor­rechts der Ge­burt zu Deutsch­lands Kai­se­rin aus­er­ko­ren wä­ren. O, las­sen Sie mich glau­ben, dass Sie, ohne mei­ner Sin­nes­art und mei­nen Grund­sät­zen zu ver­trau­en, nicht so himm­lisch gut ge­gen mich ge­we­sen wä­ren, sich je­nes ers­te Mal zu mir hier­her zu wa­gen. Also, ge­lieb­te Schwes­ter, er­ken­nen Sie in Ihrem Her­zen, an das ich mich wen­de, ohne Ihren Geist mit phi­lo­so­phi­schen Er­ör­te­run­gen be­läs­ti­gen zu wol­len, dass die Gleich­heit hei­lig ist, dass der Va­ter der Men­schen sie ge­wollt hat und dass die Be­stre­bung, sie un­ter sich her­zu­stel­len, der Men­schen Pf­licht ist.

      Da noch die Völ­ker von Her­zen an ih­ren got­tes­dienst­li­chen Bräu­chen hin­gen, stell­te ih­nen die Kom­mu­ni­on die­je­ni­ge Gleich­heit dar, de­ren Ge­nuss ih­nen die bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­se ver­stat­te­ten. Die Ar­men und Schwa­chen fan­den dar­in Trost und Ver­hei­ßung; die Re­li­gi­on mach­te ih­nen ihr elen­des Le­ben er­träg­lich, in­dem sie ih­nen die Hoff­nung ließ, dass einst ihre Kin­des­kin­der in den kom­men­den Zei­ten bes­se­re Tage ha­ben wür­den.

      Die Böh­men hat­ten im­mer nur die Ab­sicht, das hei­li­ge Mahl in der­sel­ben Wei­se zu fei­ern, in wel­cher es die Apos­tel ge­fei­ert und ge­lehrt hat­ten. Sie woll­ten die ur­al­te, brü­der­li­che Kom­mu­ni­on, das Mahl der Gleich­heit, das Bild des Got­tes­reichs, das sich auf Er­den er­fül­len soll­te, d. h. des Le­bens in der Ge­mein­schaft.

      Einst aber be­gann die rö­mi­sche Kir­che, wel­che Völ­ker und Fürs­ten ih­rer des­po­ti­schen und ehr­süch­ti­gen Herr­schaft un­ter­wor­fen hat­te, den Chris­ten vom Pries­ter, das Volk vom Pries­ter­tum, die welt­li­che Ge­mein­de von der Christ­lich­keit zu schei­den. Sie gab den Kelch in die Hän­de ih­rer Die­ner, da­mit sie die Gott­heit in mys­ti­schen Ta­ber­na­keln ver­bor­gen hal­ten könn­ten, und durch wahn­wit­zi­ge Aus­le­gun­gen mach­ten die­se Pries­ter die Eu­cha­ris­tie zu ei­nem ab­göt­ti­schen Cul­tus, an wel­chem die Lai­en nur nach Ge­fal­len Teil zu neh­men brauch­ten. Sie ris­sen im Beicht­stuh­le die Schlüs­sel der Ge­wis­sen an sich.

      Die­se hei­li­ge Scha­le, die hoch­herr­li­che Scha­le, worin der Arme Ver­wand­lung trin­ken und sei­ne See­le wie­der­ge­bä­ren soll­te, ward in Schrei­ne von Ce­dern­holz und Gold ver­schlos­sen, aus de­nen sie nur her­vor­ging, um die Lip­pen des Pries­ters zu be­net­zen. Er al­lein war wür­dig das Blut und die Trä­nen Chris­ti zu trin­ken. Der Gläu­bi­ge muss­te sich vor ihm in De­mut nie­der­wer­fen und sei­ne Hän­de le­cken, um das Him­mels­brot zu es­sen.

      Be­grei­fen Sie es nun, wes­halb das Volk wie mit ei­ner Stim­me schrie: Den Kelch! Gebt uns den Kelch wie­der! Den Kelch den Nied­ri­gen! Den Kelch den Kin­dern, den Wei­bern, den Sün­di­gen, den Ver­wirr­ten! Den Kelch al­len Be­dürf­ti­gen, al­len leib­lich und geis­tig Elen­den: dies war der Ruf des Auf­stan­des und der Ve­rei­ni­gung