– Meine Herren! sagte er, Sie können der Person nichts nützen, die ich behandele. Unschlüssigkeit oder Vorurteile lähmen Ihre Tätigkeit und Ihre Einsicht. Ich erkläre Ihnen, dass ich alles auf mich nehme, und dass ich bei der Aufführung eines so ernsten Geschäftes nicht zerstreut und nicht gehindert sein will. Ich bitte Sie demnach, Herr Kaplan, sich mit Ihren Gebeten zu beschäftigen, und Sie Herr Doctor, meiner Cousine etwas zu verordnen. Ich werde es nicht dulden, dass man vom Tode spreche und Anstalten danach mache am Bette einer Person, die in kurzer Zeit zu sich kommen wird. Man möge sich das gesagt sein lassen. Wenn ich hier einen gelehrten Mann beleidige, wenn ich einen Freund verletze, so will ich deswegen um Verzeihung bitten, sobald ich an mich selbst werde denken können.
Dies sagte Albert, in einem sanften, ruhigen Tone, der gegen die Trockenheit der Worte sonderbar abstach, und ging darauf wieder in Consuelo’s Zimmer; er schloss die Tür ab, steckte den Schlüssel in die Tasche und sagte zu dem Stiftsfräulein:
– Niemand kommt hier herein, oder geht hinaus, ohne dass ich es heiße.
6.
Die bestürzte Wenceslawa getraute sich kein Wort zu erwidern. Albert’s Miene und Benehmen hatte etwas so Entschiedenes, dass die gute Tante sich fürchtete und ihm instinktmäßig mit einer beispiellosen Pünktlichkeit und Beeifrung zu gehorchen begann.
Der Arzt, der seine Autorität gänzlich missachtet sah, und keine Lust hatte, wie er später erzählte, sich mit einem Rasenden herumzubalgen, entschied sich weislich nach Hause zu gehen. Der Kaplan machte sich an sein Brevier und Albert, dem seine Tante und die beiden Mägde beistanden, brachte den ganzen Tag am Bette der Kranken zu, ohne in seiner Sorgsamkeit einen Augenblick nachzulassen.
Nach einigen Stunden der Ruhe kehrte die Krisis fast mit derselben Heftigkeit wie in der vergangenen Nacht zurück, aber sie dauerte nicht so lange, und als sie der Wirkung kräftiger Beruhigungsmittel gewichen war, bat Albert das Stiftsfräulein zu Bette zu gehen und ihm nur eine frische Frau zur Hilfe zu schicken, damit sich auch die beiden anderen niederlegen könnten.
– Willst du denn nicht ebenfalls ruhen, Albert? fragte Wenceslawa zitternd.
– Nein, liebe Tante, antwortete er; ich habe es nicht nötig.
– Mein Gott! rief sie, du reibst dich auf, Kind! – Diese Fremde kommt uns wahrlich teuer zu stehen, fügte sie hinzu während sie hinaus ging, durch die Achtlosigkeit des jungen Grafen dreist gemacht.
Albert verstand sich indessen dazu, etwas Speise zu genießen, um sich nicht der Kräfte zu berauben, deren er, wie er wohl einsah, noch bedürfen würde. Er aß stehend im Corridore, das Auge auf die Tür geheftet, und sobald er fertig war, warf er die Serviette auf den Boden und ging wieder in das Zimmer.
Die Tür, welche zu Amalien führte, hatte er verschlossen, und die wenigen Personen, denen er den Zutritt verstattete, mussten über den Corridor gehen. Amalie bestand aber darauf, eingelassen zu werden und gab vor, bei der Wartung ihrer Freundin einige Hilfe leisten zu wollen. Sie benahm sich dabei so ungeschickt und zeigte bei jeder fieberhaften Bewegung Consuelo’s eine solche Furcht vor einer Wiederkehr der Zuckungen, dass Albert ungeduldig wurde und sie bat, sie möchte sich um nichts kümmern und sich in ihrem Zimmer mit sich selbst beschäftigen.
– In meinem Zimmer! versetzte Amalie, und wenn es mir auch der Anstand nicht verwehrte zu Bette zu gehen, während du da bist, nur durch eine Tür von mir getrennt und fast bei mir im Zimmer, meinst du denn, dass ich mit diesem Schreien und dieser schrecklichen Todesangst vor den Ohren einen ruhigen Schlaf genießen könnte?
Albert zuckte die Achseln und antwortete ihr, es seien noch Zimmer genug im Schlosse; sie möchte sich das beste aussuchen und Geduld haben, bis man die Kranke in ein Gemach schaffen könnte, wo ihre Nähe niemanden lästig würde.
Amalie befolgte in vollem Ärger diesen Rat. Der Anblick der zarten, so zu sagen mütterlichen Sorgfalt, mit welcher Albert ihre Nebenbuhlerin behandelte, war ihr peinlicher als alles Übrige.
– Ach, Tante! rief sie aus, sich dem Stiftsfräulein in die Arme werfend, als diese ihr in ihrem eigenen Zimmer ein Bett neben dem ihrigen hatte zurecht machen lassen, wir haben Albert nicht gekannt. Jetzt zeigt er uns, wie er zu lieben vermag.
Während mehrer Tage schwebte Consuelo zwischen Leben und Tod, aber Albert bekämpfte die Krankheit mit einer Ausdauer und Geschicklichkeit, die ihr obsiegen mussten. Er führte Consuelo glücklich durch diese schwere Probe, und sobald sie außer Gefahr war, ließ er sie in einen Turm des Schlosses bringen, der die Sonne länger hatte, und von wo die Aussicht noch schöner und ausgedehnter als von allen übrigen Fenstern war.
Dieses in altem Geschmack möblierte Zimmer sagte auch dem ernsten Sinne Consuelo’s mehr zu als jenes, das man ihr zuerst angewiesen hatte, und sie hatte schon früher den Wunsch durchblicken lassen, es zu bewohnen. Sie war dort sicher vor der Zudringlichkeit ihrer Gefährtin, und konnte ungeachtet der beständigen Gegenwart einer Frau, die man jeden Abend und jeden Morgen ablöste, die sanft und langsam hinfließenden Tage ihrer Genesung gewissermaßen allein mit ihrem Retter zubringen.
Sie sprachen stets Spanisch miteinander, und in dieser Sprache, die ihr Geburtsland, Kindheit und Mutter zurückrief, klang der zärtliche und zarte Ausdruck, welchen Albert seiner Liebe gab, süßer in Consuelo’s Ohren. Voll lebhaften Dankgefühls, schwach von den überstandenen Leiden, in denen Albert allein ihr beigestanden und mit Erfolg geholfen hatte, überließ sie sich ganz der weichen Ruhe, welche heftigen Krisen zu folgen pflegt.
Ihre Erinnerung kehrte nach und nach zurück, aber noch unter einem Schleier, der sich nicht überall gleichmäßig lüftete. Zum Beispiel, während sie sich mit einer reinen und unschuldigen Freude Albert’s Hingebung und Beistand in den wichtigsten Ereignissen ihrer Bekanntschaft vergegenwärtigte, sah sie die Verirrungen seines Verstandes und den nur zu tiefen Ernst seiner Leidenschaft für sie, wie hinter