– Ihre Mütze? da, da, Väterchen! rief der junge Schelm und reichte ihm seine Pelzkappe, die er augenblicklich mit gutmütigem Behagen auf sein Haupt stülpte.
– Aber die Reiseflasche? He? Daran hast du nicht gedacht, nichtsnützige Kreatur!
– O freilich habe ich daran gedacht, antwortete sie, und langte eine große mit Juchten überzogene und in Silber gefasste Glasflasche hervor, ich habe sie selbst mit dem besten Ungar aus Tantchens Keller gefüllt. Kosten Sie, es ist Ihre Lieblingssorte.
– Und die Pfeife? und mein türkischer Tabacksbeutel?
– Es ist alles da, antwortete das Kammermädchen; der gnädige Herr finden alles in der Wagentasche. Wir haben an alles gedacht und wir haben nichts versäumt, um dem gnädigen Herrn die Reise angenehm zu machen.
– Na! sagte der Freiherr, sich eine Pfeife stopfend. Ein schändlicher Streich ist es bei dem allen, den du mir da gespielt hast, meine liebe Amalie! machst deinen Vater zum Gespött und bist Schuld daran, dass sich die Leute über mich lustig machen werden.
– Lieber Vater! antwortete Amalie; mache ich mich nicht zum Gespötte in den Augen der Welt, wenn ich mich darauf erpicht stelle, einen liebenswürdigen Cousin zu heiraten, der mich keines Blickes würdigt und unter meinen Augen meiner Musiklehrerin angelegentlich den Hof macht? Ich habe lange genug diese Misshandlung ausgehalten, und ich weiß nicht, ob es viele Mädchen von meinem Stande, meinem Äußeren, meinem Alter geben möchte, die nicht einen ernsteren Groll gefasst hätten. Das weiß ich gewiss, dass Manche die weniger Langeweile auszustehn hat als ich seit achtzehn Monaten hinunterschlucken musste, der Sache kurz ein Ende macht und davon geht oder sich entführen lässt. Ich nun begnüge mich damit, meinen Vater zu entführen und mit ihm davon zu gehen. Das ist doch wohl anständiger, was meinen Sie, lieber Vater?
– Du hast den Teufel im Leibe! antwortete der Baron und gab seiner Tochter einen Kuss.
Er legte den Rest des Weges sehr vergnügt zurück, trank, tauchte, schlief, und klagte und wunderte sich weiter über nichts.
Dieses Ereignis machte auf dem Schlosse nicht so großes Aufsehen als die kleine Baronesse sich geschmeichelt hatte. Um mit dem Grafen Albert anzufangen, so hätte der eine Woche hinbringen können, ohne es nur zu bemerken, und als es das Stiftsfräulein ihm ankündigte, sagte er nur:
– Das ist der geistreichste Gedanke, den die geistreiche Amalie gehabt hat, seit sie den Fuß hier ins Haus setzte. Unser guter Onkel, denk ich, wird es nicht lange anstehen lassen, uns wieder zu besuchen.
– Mir tut es leid, dass der Bruder fort ist, sagte der alte Graf. In meinem Alter zählt man nach Wochen, nach Tagen. Was dir nicht lange scheint, Albert, ist für mich eine Ewigkeit, und ich bin dessen nicht so gewiss, wie du, mein Sohn, meinen guten, sorglosen Fritz wiederzusehen. Nun! Amalie hat es gewollt, setzte er hinzu, indem er den merkwürdig schmeichelnd und boshaft zugleich abgefassten Brief, den die junge Baronesse zurückgelassen hatte, lächelnd wieder zufaltete und bei Seite warf; Weiberzorn verzeiht nicht. Ihr waret nicht für einander gemacht, meine Kinder, und meine schönen Träume sind zerronnen.
Bei diesen Worten sah der alte Christian seinen Sohn mit einer Art wehmütiger Freundlichkeit an, als hätte er in dessen Augen eine Spur von Bedauern lesen wollen. Aber er fand keine; Albert drückte nur des Vaters Arm zärtlich an sich, ihm zu erkennen zu geben wie dankbar er ihm sei für dieses Verzichten auf einen Plan, der seiner Neigung so entgegengesetzt gewesen.
– Dein Wille geschehe, mein Gott! sagte der Greis, und du mein Sohn, folge deinem Herzen! Du befindest dich wohl, du scheinst jetzt ruhig und glücklich in unserer Mitte. Ich werde zufrieden sterben und die Erkenntlichkeit deines Vaters wird dir Glück bringen, wenn wir nicht mehr bei einander sein werden.
– Reden Sie nicht so, mein Vater! rief der junge Graf, dessen Augen sich sogleich mit Tränen füllten. Ich habe nicht die Kraft, diesen Gedanken zu ertragen.
Dem Stiftsfräulein, das eben weich zu werden anfing, winkte in diesem Augenblicke der Kaplan bedeutsam mit den Augen, worauf er sich erhob und mit gezierter Bescheidenheit aus dem Saale ging. Sie verstand den Wink. Nicht ohne Betrübnis und Angst sagte sie sich, es sei nun Zeit zu reden, und die Augen zudrückend, wie jemand der sich durch das Fenster hinabstürzt, um der Feuersbrunst zu entrinnen, begann sie stotternd und noch bleicher als sonst, wie folgt:
– Gewiss liebt Albert seinen Vater innig und er möchte gewiss nicht ihm einen tödlichen Kummer verursachen …
Albert richtete seinen Kopf empor und sah seiner Tante mit so klaren, durchdringenden Augen ins Gesicht, dass sie ihre ganze Fassung verlor und nicht weiter konnte. Der alte Graf schien die wunderliche Anmerkung nicht gehört zu haben, und während der Pause, welche eintrat, zitterte die arme Wenceslawa unter dem Blicke ihres Neffen, wie das Rebhuhn unter dem des Hundes, welcher es gebannt und bezaubert hält.
Aber nach wenigen Minuten erwachte Graf Christian aus seiner Zerstreuung und gab nun seiner Schwester Antwort, gleich als ob sie weiter gesprochen oder als ob er in ihrem Geiste gelesen hätte was sie sagen wollte.
– Liebe Schwester! sagte er, wenn ich dir raten soll, so quäle dich nicht um Dinge, wovon du nichts verstehst. Du hast in deinem ganzen Leben nicht erfahren, was eine Herzensneigung ist, die strenge Denkungsart einer Stiftsdame kann einem jungen Manne nicht zur Regel dienen.
– Gott im Himmel! murmelte das Fräulein aufs Äußerste betroffen. Mein Bruder will mich entweder nicht verstehen, oder seine Vernunft und Frömmigkeit haben ihn ganz und gar verlassen. Wie könnte er es aus Schwachheit begünstigen oder leicht nehmen wollen …
– Nun, was? Vollenden Sie Tante! sagte Albert fest und ernst. Reden Sie, da Sie es sich zur Strafe auferlegt haben. Sprechen Sie Ihre Meinung klar und bestimmt aus! Dieses gezwungene Wesen muss ein Ende nehmen und wir müssen einander kennen.
– Nein, meine Schwester, rede nicht weiter! fiel Graf Christian ein. Du hast mir nichts zu sagen was ich nicht wüsste. Ich weiß schon lange was du willst, ohne dass ich es merken lasse. Es ist noch nicht Zeit, sich über diesen Punkt zu erklären. Wenn es Zeit sein wird, so weiß ich was ich zu tun habe.
Er fing sogleich von anderen Dingen zu reden an und ließ das Stiftsfräulein in Bestürzung, Albert in Ungewissheit und Unruhe.
Sobald der Kaplan erfuhr, wie das Haupt der Familie den unbescheidnen Wink, der indirekt von ihm ausging, aufgenommen