Der Kaplan, der sie jeden Augenblick den Schlägen ihres Übels erliegen zu sehen glaubte, sagte schon in seiner Herzensangst die Sterbegebete her; sie hielt ihn für Zdenko, der eine Mauer baute, um sie lebendig zu begraben, und dabei seine geisterhaften Lieder murmelte.
Das zitternde Stiftsfräulein, das seine schwachen Kräfte mit denen der anderen Frauen vereinigte, um sie im Bette zurückzuhalten, dünkte ihr der zwiefachen Wanda Geist, bald der Schwester Ziska’s, bald der Mutter Albert’s, die ihr erschienen in der Einsiedelei, um sie zu schelten, dass sie sich ihre Rechte anmaßte und in ihr Reich eindrängte.
Ihre den Anwesenden unverständlichen Ausrufungen, Seufzer und Gebete standen alle in Beziehung zu den Gedanken und Gegenständen, welche sie in der verwichenen Nacht so heftig aufgeregt und erschüttert hatten. Sie hörte den Strom brausen und machte mit ihren Armen die Bewegungen eines Schwimmenden. Sie schüttelte ihr schwarzes Haar, das wild um ihre Schultern hing, und bildete sich ein, von der Flut umstäubt zu sein. Stets glaubte sie, Zdenko sei hinter ihr und im Begriff, die Schleuse aufzuziehen, oder vor ihr, um ihr den Ausweg zu versperren.
Da sie immerfort bildernd von nichts als Wasser und Steinen sprach, so sagte der Kaplan den Kopf schüttelnd:
– Das ist ein sehr langer und ängstlicher Traum. Ich weiß auch gar nicht, was sie sich das Gehirn letztlich so mit dieser Cisterne angefüllt hat: es war sicherlich schon ein Ansatz des Fiebers, denn Sie sehen, dass ihre Fantasie sich beständig um diesen Punkt dreht.
In dem Augenblicke, als Albert ganz außer sich in ihr Zimmer stürzte, ließ Consuelo, erschöpft und matt, nur unverständliche Laute hören, die mit einem wilden Schrei endeten. Da die Kraft ihres Willens die Schrecken nicht mehr beherrschte wie damals, als sie ihnen die Stirn bot, so stürmten diese jetzt in der Einbildung mit ungebrochener, schauderhafter Gewalt auf sie ein.
Sie hatte indessen dabei eine Art Überlegung, die sie wieder aus ihren Fantasien selbst nahm, und ließ nicht ab, nach Albert zu rufen mit so heller, hallender Stimme, dass das Haus davon in seinen Grundvesten zu zittern schien; dann löste sich ihr Geschrei in ein anhaltendes Schluchzen auf, das sie zu ersticken schien, indes ihre starren Augen trocken waren und schauerlich funkelten.
– Ich bin hier! ich bin hier! rief Albert, indem er an ihr Bett sprang.
Consuelo hörte feine Stimme, nahm wieder ihre ganze Kraft zusammen, und indem sie sich sogleich einbildete, er fliehe vor ihr her, riss sie sich aus den Armen, welche sie hielten, mit der Gelenkigkeit und Kraft, die der Fieberzustand dem schwächsten Wesen gibt. Sie schwang sich mitten in das Zimmer mit aufgelöstem Haar, mit bloßen Füßen, in einem leichten, weißen und zerknitterten Nachtkleide, das ihr das Ansehen eines dem Grabe entronnenen Geistes gab, und in dem Augenblicke, wo man sie wieder zu ergreifen meinte, sprang sie über das Spinett, das ihr im Wege war, mit der Behändigkeit einer wilden Katze, stieg auf das Fenster, welches sie für den Ausgang der unglücklichen Cisterne hielt, breitete die Arme aus, und abermals Albert’s Namen in die schwarze, stürmische Nacht hinausschreiend, war sie im Begriffe, sich hinabzustürzen, als Albert, noch behänder und stärker als sie, mit beiden Armen sie umfasste und sie auf ihr Bett zurücktrug.
Sie erkannte ihn nicht, aber sie leistete ihm keinen Widerstand und hörte auf zu schreien. Albert drang in sie spanisch redend mit den süßesten Namen und den heißesten Bitten: sie hörte ihn, die Augen starr und ohne ihn zu sehen oder ihm zu antworten; aber auf einmal raffte sie sich auf, gab sich auf ihrem Bette eine kniende Stellung, und begann eine Klausel aus dem Te Deum von Händel zu singen, das sie kurz zuvor gelesen und bewundert hatte.
Nie war ihre Stimme ausdrucksvoller und herrlicher gewesen. Nie hatte sie so schön ausgesehen, als in dieser ekstatischen Stellung mit dem flatternden Haare, mit der fiebrischen Glut auf den Wangen und mit den Augen, die im Himmel, der nur ihnen offen lag, zu lesen schienen.
Das Stiftsfräulein wurde so ergriffen, dass auch sie am Fuße des Bettes auf die Knie sank und in Tränen zerfloss, und auch der Kaplan neigte, ungeachtet seiner geringen Erregbarkeit, das Haupt, von religiöser Ehrfurcht ergriffen.
Kaum hatte Consuelo ihre Klausel geendet, als sie aus tiefer Brust aufseufzte: eine himmlische Freude glänzte auf ihrem Gesichte.
– Ich bin gerettet! schrie sie und sank rücklings nieder, bleich und kalt wie Marmor, die Augen noch geöffnet, aber erloschen, die Lippen blau und die Arme steif.
Ein Augenblick der Stille und des Grausens folgte diesem Auftritt. Amalie, die auf der Schwelle des Zimmers stehend, regungslos und ohne sich näher zu wagen, diesem schauerlichen Schauspiel beigewohnt hatte, fiel vor Entsetzen in Ohnmacht. Das Stiftsfräulein und die beiden Frauen sprangen hinzu, um sie aufzuheben. Consuelo blieb ausgestreckt und kalt liegen, auf Albert’s Arm ruhend, der seine Stirn auf den Busen der Sterbenden gedrückt hatte und nicht mehr Leben als sie selbst verriet.
Das Stiftsfräulein hatte kaum Amalien auf ihr Bett legen lassen, als sie wieder in Consuelo’s Zimmer trat.
– Nun, Herr Kaplan? fragte sie mit kraftloser Stimme.
– Gnädigste, es ist der Tod! antwortete der Kaplan dumpf und ließ Consuelo’s Arm fallen, dessen Puls er aufmerksam befragt hatte.
– Nein! es ist nicht der Tod! Nein, tausendmal nein! rief Albert, heftig aufspringend. Ich habe ihr Herz besser befragt, als Sie ihren Arm. Es schlägt noch, sie atmet, sie lebt. O, und sie soll leben! Nicht so, nicht jetzt soll sie enden! Wer hat die Vermessenheit gehabt, zu glauben, dass Gott ihren Tod verhängte! Nein, jetzt ist der Augenblick, sie mit Erfolg zu behandeln. Herr Kaplan, Ihre Schachtel! Ich weiß, was ihr Not tut, Sie wissen es nicht. Unglücklicher, gehorchen Sie mir! Sie haben ihr nicht geholfen, Sie konnten diese schreckliche Krise abwenden, Sie haben es nicht getan, Sie haben es nicht gewollt. Ihr habt mir ihre Krankheit verborgen gehalten, ihr habt mich betrogen, alle! Ihr wolltet sie also zu Grunde richten! Euere elende Ängstlichkeit, euere scheußliche Tatlosigkeit haben euch Zunge und Hände gebunden. Ihre Schachtel, sage ich, und lassen Sie mich machen.
Und da der Kaplan zögerte, ihm die Arzneien anzuvertrauen, die in den unerfahrenen Händen eines überspannten und halbtollen Menschen Gift werden konnten, entriss sie ihm Albert mit Gewalt. Taub gegen die Einwendungen seiner Tante, wählte und mischte er selbst die starken beruhigenden Mittel, welche schnell wirken konnten.
Albert