Gedancken von Schertzen. Georg Friedrich Meier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Friedrich Meier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 4064066113049
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Theils, ja ich will sagen, dieses gantzen Inbegriffs der schönen Wissenschaften.

       Inhaltsverzeichnis

      Die sinnliche Beurtheilungskraft, oder der Geschmack, ist das Vermögen von den Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten zu urtheilen, doch so, daß man weder die Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten selbst deutlich erkennt, noch auch seine Urtheile von ihnen philosophisch aus deutlich erkannten Gründen, auf eine deutliche Art herleitet. Vollkommenheiten, in so fern sie undeutlich und auf eine sinnliche Art erkannt werden, sind Schönheiten und die Unvollkommenheiten werden in eben dieser Absicht Häßlichkeiten genennet. Der Geschmack ist demnach das Vermögen von den Schönheiten und Häßlichkeiten zu urtheilen, und dieselben gewahr zu werden. Ein Schertz ist eine sinnliche Vorstellung und Rede, und seine Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten sind Schönheiten und Häßlichkeiten. Man ist also genöthiget die Beurtheilung eines Schertzes, vor den Richterstuhl des Geschmacks zu verweisen. Wenn ein Kunstrichter überhaupt derjenige genennet wird, der von Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten urtheilen kan, so muß derjenige der einen Spaß beurtheilen will ein Kunstrichter seyn. Die Untersuchung der Schertze gehört demnach auch in denjenigen Theil der Aesthetik, den man den critischen nennt.

       Inhaltsverzeichnis

      Man hat es bey nahe als eine Regel angenommen, daß man über den Geschmack mit niemanden streiten dürfe. Diese Regel ist gegründet, so lange man nicht weiter gehen will, als auf den Geschmack. Alsdenn beruhiget man sich in einer bloß sinnlichen und undeutlichen Erkenntniß, davon man die Gründe einem andern weder angeben noch erklären kan. O elendes disputiren! wo die streitenden Partheien nicht durch Schlüsse wider einander zu Felde gehen! So lange man also mit dem Geschmacke nicht die höhere Beurtheilungskraft, das Vermögen aus deutlicher Erkenntniß eine Sache zu beurtheilen, verknüpft, so lange ists eine vergebliche Arbeit, über Schönheiten und deren Gegentheil, sich mit jemanden in einen Streit einzulassen.

      Trahit sua quemque voluptas.

      Virgil.

      Weil aber alle Schönheiten und Häßlichkeiten, Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten sind, und diese, an sich betrachtet, insgesamt deutlich können vorgestellet werden, so bleibt es zwar ausgemacht, daß man von dem Geschmacke, in so fern er ein Geschmack ist, wenig sagen könne, aber man muß ihn, wenn ich so reden darf, entwickeln. Man muß die Gegenstände des Geschmacks, auch nach der höhern Beurtheilungskraft, untersuchen, und da erkennt man ob der Geschmack gegründet sey oder nicht. Die verworrenen Vorstellungen können nicht anders richtig seyn, als wenn sie uns dasjenige, was in den deutlichen unterschieden wird, mit einemmal, und unter einander geworffen, vorstellen. Folglich kan man den Geschmack selbst beurtheilen, und gewisse Regeln geben wonach sich derselbe, auf eine ihm selbst unbekante Art, zu richten hat. Wenn das alle Kunstrichter beobachteten, so würden sie nicht Geschmack dem Geschmack entgegen setzen, und dadurch Streitigkeiten verewigen, die vielleicht kürzer ausgemacht werden könnten. Ob nun gleich die Beurtheilung der Schertze ein Werck des Geschmacks ist (§. 7.) so kan man doch Regeln geben, wonach die Schönheiten und Häßlichkeiten eines Schertzes beurtheilet werden können.

       Inhaltsverzeichnis

      Es gibt Regeln wonach die Schertze beurtheilt und eingerichtet werden können. Man würde also ohne Ursach zweiffeln, ob auch Gründe vorhanden wären, woher diese Regeln fliessen. Nein, alles hat seinen Grund, sollten wohl die Regeln des Geschmacks eine Ausnahme von dieser Regel machen, welcher das gantze Reich der Möglichkeiten und Würcklichkeiten, nach seinem gantzen Umfange, unterworffen ist? Ich rechne zu diesen Gründen, die Beschaffenheit der Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten überhaupt. Insbesondere die Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten unserer Erkenntniß, und des Vortrages derselben. Und endlich die Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten der sinnlichen Erkenntnißkräfte der Seele, insonderheit des sinnlichen Witzes und Scharfsinnigkeit. Aus diesen Quellen müssen die Regeln, der Beurtheilung und Einrichtung eines Spasses, erwiesen werden. Ich begnüge mich mit der blossen Benennung und Anführung dieser Gründe. Ich müste meinen Lesern zu wenig Einsicht zutrauen, wenn ich sie beweisen wolte, da mein Zweck nicht darinn besteht, den Geschmack überhaupt in diesen Blättern zu bilden und einzurichten.

       Inhaltsverzeichnis

      Wenn es Regeln zu schertzen gibt, wenn diese Regeln aus Gründen können bewiesen werden, so müste man ohne Grund an der Möglichkeit einer Wissenschaft der Schertze zweiffeln. Ich bin überzeugt, daß eine Wissenschaft möglich sey, in welcher gezeigt wird, wie man einen Schertz erfinden, und bis zur Grentze seiner Vollkommenheit erheben kan. Cicero und Quintilian scheinen mir zu widersprechen. Allein ihre Gründe beweisen nicht, daß diese Wissenschaft unmöglich sey, und daß man nicht auf eine Kunstmäßige Art ein spaßhafter Mensch werden könne. Beyde glauben, daß die Natur und Gelegenheit das meiste zu einem glücklichen Schertze beytragen müssen. Ich glaube es auch. Aber so wenig man sagen kan, daß es keine künstliche Vernunftlehre gebe, weil zur Ausübung derselben ein guter Mutterwitz erfodert wird; eben so wenig wird die Wissenschaft der Schertze, und die Theorie derselben, geläugnet werden können, weil man mit allen Regeln keinen Menschen zu einen schertzhaften Kopfe machen kan, der keine natürliche Geschicklichkeit zu schertzen empfangen hat. Ein anders ist die Regeln zu schertzen verstehen, und dieselben geschickt ausüben können. Ich behaupte nur, daß ein Mensch der ein gutes Naturell zu schertzen besitzt, durch die Kunst, leichter, eher und besser, eine Fertigkeit zu schertzen bekommen könne, wenn sich überdies gute Gelegenheiten dazu an die Hand geben, als ein anderer, der sich mit der blossen Natur behelfen will. Die Natur arbeitet ihre Wercke nur aus den groben heraus, sie überliefert uns ihre Kunststücke roh, und überläßt unserer Geschicklichkeit den Ausputz. Der letzte wird vielmehr frostige Schertze erzeugen, als der erste, er mag sich auch noch so sehr in acht nehmen wollen.

      In vitium ducit culpæ fuga, si caret arte.

      Horat. de art. poet.

      Ich gebe noch mehr zu. Ich behaupte daß derjenige, der schertzen will, wenn er bey einem jeden Schertze sich erst auf die Regeln besinnen, und seinen Schertz mit Fleiß kunstmäßig einrichten will, besser thut wenn er gar stille schweigt. Ein Schertz muß unvermuthet vorgetragen werden, und ein Schertz, auf den man sich vorbereitet, muß unglücklich gerathen, wie ich das in dem folgenden darthun will. Nichts desto weniger hat die Wissenschaft zu schertzen ihren Nutzen. Es verhält sich hier eben so, wie bey der künstlichen Vernunftlehre. Das würde ein erbärmlicher Philosoph seyn, der bey einer jeden Erklärung, bey einem jeden Schlusse, sich der Regeln der Vernunftlehre deutlich erinnern wolte. Man muß eine Fertigkeit in der Vernunftlehre erlangen, man muß seine Vernunft und Verstand gewöhnen, die Regeln der Vernunftlehre zu beobachten, ohne unser Wissen. Eben das sage ich von der Wissenschaft der Schertze. Sie muß unserm Witze und Scharfsinnigkeit den gehörigen Schwung und Einrichtung geben, daß wir nach ihren Regeln schertzen können ohne uns derselben bewust zu seyn.

      Simul ac durauerit ætas

      Membra animumque tuum, nabis sine cortice.

      Horat.

      Wer demnach von Natur ein feuriger und aufgeweckter Kopf ist, wer die Gelegenheit gut in acht nehmen, und zu seiner Absicht geschickt anwenden kan, und die Wissenschaft zu schertzen versteht, dem bin ich gut davor, daß er glücklich im schertzen seyn wird.

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