Gedancken von Schertzen. Georg Friedrich Meier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Friedrich Meier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 4064066113049
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Eigenliebe unter die Gründe seiner Urtheile mengt.

      Ergo fungar vice cotis, acutum

      Reddere quæ ferrum valet, exsors ipsa secandi.

      Horat. de art. poet.

       Inhaltsverzeichnis

      Es gibt eine Art ernsthafter Leute, welche es überhaupt zur Sünde machen will, wenn man schertzet und lachet. Solten diese Blätter das Schicksal haben, in die Hände dieser Leute zu gerathen, so kan ich mir schon zum voraus einbilden, was sie, bey der Erblickung derselben, vor saure Minen machen werden. Sie werden mirs als ein sittliches Verbrechen anrechnen, daß ich von einer Materie schreibe, die sich mit der Tugend nicht reimen will. Ich gebe diesen Gegenfüssern muntrer und aufgeweckter Köpfe zu, daß viele Schertze unmöglich mit der Tugend bestehen können. Nur werden sie mir auch im Gegentheil zugestehen, daß nicht eine jede Ernsthaftigkeit zum Character der wahren Tugend gehört.

      Multum ringitur otiosa virtus.

      Sidon.

      Es kan manchmal ein tugendhafter zugleich ein schläffriger und niedergeschlagener Kopf seyn, der noch dazu von einem schwartzen Geblüthe durchschwämt wird. Der würde sich augenscheinlich betrügen, wenn er seine natürlich nothwendige Traurigkeit für eine Wirckung der Tugend halten wolte. Aergert er sich nun, wenn andere frölich sind und schertzen, weil er selbst nicht anders als immer misvergnügt zu seyn das Unglück hat, so muß er so viel Menschenliebe in seinen Urtheilen blicken lassen, diejenigen nicht gleich für lasterhaft zu halten, die nicht so ernsthaft seyn können, wie er selbst ist. Ich werde keine sündliche Schertze billigen, ich will mich bemühen zu zeigen, daß ein vollkommener Schertz, der ohne allen Fehler ist, einen sehr grossen Witz und Scharfsinnigkeit, zwey grosse Vollkommenheiten der Seele, zum Grunde habe, und also unmöglich Sünde seyn könne.

       Inhaltsverzeichnis

      Eine wohlgerathene Untersuchung der Schertze kan nicht ohne Nutzen seyn, und man hat keine Ursach sich die Zeit gereuen zu lassen, die man entweder auf die Ausarbeitung, oder aufs Durchlesen derselben verwendet. Ich bin nicht willens alle Nutzen, die eine solche Schrift haben kan, in ihrer völligen Ausdehnung auszuführen. Ich begnüge mich mit zweyen oder dreyen, die ich für die grösten halte. Den ersten haben die witzigen Köpfe davon zu erwarten. Ein feuriger Witz ist eine zu unruhige Kraft der Seele. Sie läßt ihrem Besitzer nicht beständig Zeit genug, seine spaßhaften Einfälle gehörig zu prüfen und zu beurtheilen. Alles was ihm einfält, hält er für witzig und sinnreich, und wer wolte ihm auch wohl das Recht dazu streitig machen? Seine Zunge ist viel zu dienstfertig, als daß sie schweigen solte. Nein, ein witziger Kopf nimt sich die Freyheit zu schertzen, wenn, wo, mit wem, und womit er will. Er thut das mit so vielen Vertrauen auf sich selbst, daß er sich unmöglich mit den verdrießlichen Gedancken herumschlagen kan, als wenn es ihm an Bewundern seiner Schertze fehlen würde. Ich gebe einem jedweden zu bedencken, ob ein solcher plauderhafter Verschwender seines Witzes wo nicht den Frost seines Gehirns mehr als zu oft verrathen, doch wenigstens in den mehresten Fällen ein unerträglicher Gesellschafter werden müsse. Wie kan man diesem Uebel wohl anders abhelfen, als durch eine gründliche Ueberzeugung, daß zu einem guten Schertze mehr erfodert werde, als man gemeiniglich denckt, und daß der sinnreichste und witzigste Kopf öfters sehr schläffrige Einfälle haben könne. Cicero beweißt das zur genüge, so ein schöner Geist er auch gewesen ist, so ist sein Witz doch sehr oft gesuncken und ohnmächtig geworden. Solte meine Abhandlung gerathen, so rathe ich einem jeden witzigen Kopfe dieselbe zu lesen. Er wird dadurch auf eine heilsame Art furchtsam gemacht werden, so oft als er schertzen will. Er wird dadurch seinen Geschmack verbessern, und viele Schertze in ihrer Geburth ersticken, die ihm wo nicht Schande, doch wenig Ehre zuwege bringen würden.

       Inhaltsverzeichnis

      Man kan den armseeligen Vorrath seines Witzes nicht nur verrathen, wenn man selbst auf eine erbärmliche Art schertzet, sondern auch wenn man elende Schertze bewundert. Man gibt dadurch einen pöbelhaften Geschmack zu erkennen, der jederzeit von einem matten Witze begleitet wird. So wenig ein vortreflicher Schertz bey einem kriechenden Witze einen Eindruck verursachen kan, so sehr wird der elendeste Spaß von denselben bewundert. Ein elender Kopf schertzet nicht nur auf eine elende Art, sondern er wird auch bey den schlechtesten Einfällen vor Freuden ausser sich gesetzt. In den Versamlungen des Pöbels, macht der frostigste Einfall seinen Erfinder zum angenehmsten und lustigsten Gesellschafter. Das wissen die kleinen witzigen Köpfe, auf eine listige Art, zu ihrem grossen Troste anzuwenden. Wollen sie grosse Geister nicht bewundern, so thun sie ihnen den Possen, und theilen ihre sinnreichen Einfälle Leuten mit, die sie gütiger, und auf eine ihnen gefälligere Art, aufzunehmen wissen. So furchtsam ich bin selber zu schertzen, so sehr nehme ich mich in acht über einen schlechten Schertz zu lachen, ich müste es denn aus Höflichkeit oder Gefälligkeit thun müssen. Dieses halte ich vor einen ansehnlichen Nutzen, den man, von einer gründlichen Critik der Schertze, erwarten kan. Man lernt dadurch einen feurigen Schertz, von einem frostigen unterscheiden, man lacht über den ersten, und bleibt bey dem letzten unempfindlich, und beweißt sich dadurch als einen Menschen von gereinigten und feinen Geschmacke.

       Inhaltsverzeichnis

      Ein gut gerathener Schertz bringt uns die Gewogenheit und Bewunderung der Zuhörer zuwege. Wir werden für scharfsinnig, aufgeweckt, höflich gehalten, und für geschmeidige Köpfe. Durch einen wohlangebrachten Spaß, kan man seinen Gegner in Verwirrung setzen, ihn zaghaft machen und wiederlegen. Man mäßiget dadurch die gar zu grosse und traurige Ernsthaftigkeit, das Gemüth wird aufgeheitert, und man setzt seine Zuhörer in den Zustand, die verdrießlichsten Dinge, die man ihnen zu sagen hat, gelassen, und nicht ohne Vergnügen anzuhören. Das sind Stücke die einem Redner unentbehrlich sind. Ich könnte noch mehr hinzu thun, wenn das angeführte nicht schon hinreichend wäre, zu beweisen, daß ein Redner zu seinem grossen Vortheile bisweilen schertzen müsse. Mit weniger Veränderung, kan man eben das von einem Dichter sagen. Dieser muß fast noch öfter schertzen als der erste. Wie oft hat ein Dichter nicht nöthig seiner Muse zuzuruffen?

      Sed ne relictis musa procax iocis

      Ceæ retractes munera næniæ:

      Mecum Dionæo sub antro

      Quære modos leviore plectro.

      Hor. Carm. L. II. od. 1.

      Man kan daher die Untersuchung der Schertze als eine Materie ansehen, die zur Rede und Dichtkunst gehört. Cicero und Quintilian sind mit mir einig. Sie haben beyde in ihren Schriften, darinn sie die Redekunst abgehandelt haben, auch eine Betrachtung über die Schertze angestellt. Dieser Nutzen allein wäre hinreichend, meine gegenwärtige Bemühung nicht für unnütz zu halten.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Untersuchung der Schertze ist eine Materie, die als ein Stück der so genannten Aesthetik anzusehen ist. Die Aesthetik ist eine Wissenschaft der sinnlichen Erkenntniß und dem Vortrage derselben. Sie untersucht die Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten ihres Vorwurfs. Sie gibt Regeln jene zu erlangen, und diese zu vermeiden. Keine untere Erkenntniß Kraft der Seele ist von dem Gegenstande der Aesthetik ausgeschlossen. Man besehe die Psychologie des Herrn Professor Baumgartens, so wird man daselbst hin und wieder den gantzen Grundriß dieser Wissenschaft antreffen. Ich werde in dem folgenden darthun, daß ein Schertz durch den sinnlichen Witz und Scharfsinnigkeit