Gedancken von Schertzen. Georg Friedrich Meier. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Georg Friedrich Meier
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 4064066113049
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werden, wenn auch meine Kräfte zu matt gewesen seyn solten, eine Arbeit zu liefern, die des Beyfalls der Kunstrichter völlig werth wäre.

      Ich habe verschiedene Gründe gehabt, warum ich eben von Schertzen meine Gedancken habe drucken lassen. Ich stehe in der Meinung, daß der verdorbene und pöbelhafte Geschmack am häuffigsten noch in den Schertzen herrsche. Man mag nun die Schertze verstehen, die in dem täglichen Umgange vorkommen; oder diejenigen, die unter den Vortrag, es sey derselbe ein mündlicher oder schriftlicher, gemengt werden; oder diejenigen Spasse, die auf der Schaubühne vorgetragen werden. Ich glaube, daß der gantze vernünftige Theil meiner Landesleute überzeugt ist, daß es zu wünschen wäre, daß die Deutschen, auch im spassen, den feinen Geschmack herrschen liessen. Und ich kan mich nicht besinnen, daß eine ausführliche Abhandlung der Schertze in unserer Muttersprache schon vorhanden wäre. Das letzte kan ein Irrthum seyn, und so ists eine Unwissenheits-Sünde, die mir also um so viel eher vergeben werden wird. Dazu kömmt noch, daß eine jede andere Materie, die in das Reich des Geschmacks gehört, und die ich hätte ausführen können, mir jetzo entweder zu schwer oder zu weitläuftig gewesen, und ich halte es für eine vernünftige Maxime eines Schriftstellers, wenn er eine Materie erwehlt, durch die er sich völlig ausdehnen kan.

      Ich habe hin und wieder, in diesen Blättern, meine Betrachtungen, eine Critik der Schertze, genennt. Ich weiß nicht, ob alle meine Leser diese Benennung werden genehm halten. Sie haben vielleicht einen andern Begriff von der Critik, als ich mir gemacht habe, und ich kan mich zwar in diesem engen Raume einer Vorrede, nicht weitläuftig in die Untersuchung des Begriffs der Critik einlassen, doch fodert die Rechtfertigung meines Gebrauchs dieses Worts, daß ich meine Begriffe von der Critik überhaupt mit wenigen vortrage. Die Critik, im allerweitesten Umfange, ist die Wissenschaft von den Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten zu urtheilen. Sie erstreckt sich über alle mögliche Dinge, und alle Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten derselben. Diese Critik theilt sich in zwey Hauptäste. Der erste ist die Kunst, den Geschmack zu bilden, und lehrt von den Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten, auf eine sinnliche Art, urtheilen. Diese Kunst erstreckt sich über alle sinnliche Vorstellungen, aller Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten, aller Dinge. Sie fängt von den Heldengedichten an und geht bis auf die Haarlocken der Stutzer, und Schminckpflästerchen auf den Wangen der Schönen herunter. In hunderttausend Dingen, von dieser Art, kan ein edler und pöbelhafter, ein feiner und grober, ein reiner und verdorbener Geschmack herschen, und man darf sich also nicht wundern, daß diese Kunst ihre Grenzen so weit ausdehnt. Der andere Haupttheil der Critik, lehrt die Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten aus deutlichen Begriffen beurtheilen, und bekommt so viele besondere Theile, als es Arten der Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten gibt. Andere schrencken den Begriff der Critik enger ein, und verstehen darunter, die Wissenschaft historische und vermischte Schriften zu beurtheilen. Im engsten Verstande versteht man darunter die Wissenschaft, die alten Schriftsteller zu beurtheilen, ob sie bis auf unsere Zeiten unverfälscht gekommen, und die eingeschlichenen Fehler zu entdecken und zu verbessern. Diese beyden letzten Begriffe, verhalten sich zu dem meinigen, wie ein Theil zum gantzen. Ich unterscheide von meiner Critik einmal, die Anwendung derselben auf einzelne Fälle, wenn man gewisse Gegenstände, nach den critischen Regeln, würcklich untersucht; und hernach die Wissenschaft der Regeln, von dem Verhalten eines Kunstrichters. Diese letzte würde die Logik der Critik seyn. Die allgemeine Critik könnte man die Metaphysik der Critik nennen. Sie wäre eine Wissenschaft von den Vollkommenheiten und Unvollkommenheiten überhaupt und den allerhöchsten Gattungen derselben zu urtheilen. Ich kan meine Begriffe nicht rechtfertigen, ich habe nichts weiter im Sinne gehabt, als den Grund zu zeigen, warum ich meine Gedancken von Schertzen, in diesen Blättern, zur Critik gerechnet habe.

      Ich schmeichele mir nicht, daß meine Abhandlung so gut, noch vielweniger so schön gerathen, daß sie untadelhaft. Solche Abhandlungen sind Unternehmungen, dazu gerade ein grösserer Geist erfodert wird, als der meinige ist. Ich mercke es selbst, daß diese Blätter viele Stellen enthalten, die meinen Wunsch nicht zu erfüllen vermögend sind. Und ich sehe es von selbst ein, daß sie in hundert Stellen verbessert werden könnten. Man könnte mir daher, vielleicht nicht ohne allen Grund, einwenden, daß man vernünftiger handele, wenn man eine Schrift von dieser Art, die nicht überwiegend schön und in ihrer Art vortrefflich ist, lieber ungedruckt liesse, als die Anzahl solcher Schriften zu vermehren, die voller Mängel sind. Ich habe aber irgendswo gelesen, daß es Leute gegeben, die niemals Schriftsteller geworden sind, weil sie gar zu gute Schriftsteller haben werden wollen; und, die Wahrheit zu bekennen, ich bin viel zu starck gewesen als daß ich unter dieser Versuchung hätte erliegen sollen. Wenn meine geneigten Leser das schwache dieser Beantwortung übersehen werden, so habe ich das wichtigste erlangt, was ich mir von ihnen, in dieser Vorrede, ausbitten kan.

Kopfstück zum Haupttext

       Inhaltsverzeichnis

I

      Ich begreiffe mit leichter Mühe, daß die mehresten meiner geneigten Leser in den Gedancken stehen, als wenn ein Schriftsteller, der seine Betrachtungen über das Schertzen ihnen vorträgt, ein schöner Geist, und selbst ein spaßhafter Kopf seyn müsse. Ich bin weder das eine, noch das andere, und unterstehe mich dem ohnerachtet von Schertzen zu schreiben. Ich bin der Meinung, daß ein witziger Kopf von dem witzigen, sinreichen, scharfsinnigen, schertzhaften, und wie es sonst heissen mag, nicht deswegen urtheilen könne, weil er vielen Witz besitzt; sondern weil er ausserdem ein Weltweiser ist, der seinen Geschmack nach den Regeln der gesunden Critik ausgebessert hat. Diese Eigenschaften können jemanden zukommen, der auf einen feurigen Witz sehr wenige Ansprüche hat. Man kan von der Schönheit eines Gemähldes, von den erhabenen Zügen eines Gedichts, und der Vollkommenheit einer Rede urtheilen, und Regeln geben, ohne selbst ein Mahler, Dichter, und Redner zu seyn. Es kan jemand ein geistreicher und belebter Kopf seyn, er kan sich in seinen Gedancken mit der kühnsten und angenehmsten Stärcke heben, und sein Feur durch Proben an den Tag legen, die den Beyfall aller Kunstrichter verdienen. Weil er aber zu wenig Wissenschaft von seinen eigenen Kräften, und den Vollkommenheiten derselben besitzt, so ist er nicht im Stande, aus deutlichen Gründen die Regeln herzuleiten, durch deren Beobachtung seine sinnreichen Einfälle so viel Geist und Leben bekommen. Er fühlt und schmeckt die Schönheit seiner Gedancken, er begreift aber selbst nicht, warum sie so reitzend sind. Man thue hinzu, daß derjenige, der selbst ein aufgeweckter Kopf ist, mehrentheils viel zu ohnmächtig ist, als daß er alle Partheilichkeit in seinen Urtheilen über das sinnreiche zu vermeiden im Stande seyn solte. So wenig von einem Frauenzimmer, so sichs einmahl in den Kopf gesetzt hat, schön zu seyn, zu erwarten ist, etwas anders für reizend zu halten, als was sie selber besitzt; so wenig ists von manchen witzigen Köpfen zu hoffen, daß sie die Einfälle für schön halten solten, die der Art ihres Witzes nicht gemäß zu seyn scheinen. Der Witz vieler feurigen Köpfe bekommt einen gewissen Schwung, der über ihre Beurtheilungskraft zum Tyrannen wird. Ihnen eckelt vor alle dem, so ihrem Geschmacke, der nun einmal an gewisse Speisen gewöhnt ist, nicht gemäß ist. Diese Köpfe müsten sich zu viel Gewalt anthun, unpartheiisch von einem Schertze zu urtheilen, bey dem sie nicht absehen können, wie sie selbst denselben hätten vortragen können. Man lasse den Cicero, der nach Quintilians Zeugniß keine Maß im schertzen halten können, von einem Spasse, der auf einer blossen Anspielung der Worte beruht, urtheilen. Ich will verlohren haben, wenn er ihn nicht bewundern wird. Das befremdet mich im geringsten nicht. Cicero selbst bediente sich mehr, als einem so grossen Geiste anständig war, dieser Schertze. Ich habe das Vertrauen zu der Billigkeit meiner Leser, daß sie aus dem, was ich bisher gesagt, nicht schliessen werden, als wenn ich glaubte, daß kein witziger Kopf von Schertzen gesunde Urtheile fällen könne. Noch vielweniger, daß ein Mensch ohne allen Witz sich dergleichen unterfangen dürfe. Ich behaupte nur, daß es nicht unumgänglich nothwendig sey, daß derjenige, der von Schertzen vernünftige Gedancken haben will, selbst glücklich im spassen seyn müsse. Ein Mensch der einen gereinigten Geschmack besitzt, aber nicht schertzen kan oder will, besitzt eine Gleichgültigkeit gegen