Erich Mühsam: Verse eines Kämpfers (151 Gedichte in einem Band). Erich Muhsam. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Erich Muhsam
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027205035
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steht eklig da das Luder

       und faucht und stinkt.

       5

      Den Schnürleib sittlicher Kultur

       warf sie zum Kunstkorsette.

       Statt Rippen Bajonette

       hält feil die Hur.

      Europa, mach das Hemde zu!

       10

      Der Anblick deiner Nacktheit

       ist Gift und Abgeschmacktheit.

       Krepiere, Du!

      Ghasel

       Inhaltsverzeichnis

      März 1916

      Euer Schicksal sind stets eure Taten, Menschen!

       Will des Schaffens Glück euch nicht geraten, Menschen,

       klagt euch selber nur der Unterlassung an.

       Schwer von Brotfrucht prangten eure Saaten, Menschen.

       5

      Doch die Friedensarbeit ließ euch unbeglückt,

       und aus freien Brüdern wurden Staatenmenschen.

       Normen gabt ihr und Gesetze euerm Neid,

       wurdet selbst zu Knechten und Soldaten, Menschen;

       und ihr setztet in die Welt Gewalt und Krieg,

       10

      und durch blutige Leichenfelder waten Menschen.

       Haltet ein! Besinnt euch auf den Gottberuf!

       Heil und Trost stiebt nicht aus den Granaten, Menschen!

       Auf den Weg, von euerm Eifer ausgeschürft,

       drängen schlitzgeäugelt die Asiatenmenschen. –

       15

      Leidvoll mahnend ruft der Weltenfreund euch zu:

       Werdet ewigen Erdenfriedens Paten, Menschen!

       Denn es werden vor den Künftigen nur bestehn

       die dem dritten Reich im Geist genahten Menschen.

      Klage

       Inhaltsverzeichnis

      April 1916

      Wir haben den Frieden erstrebt und gewollt.

       Da ist der Krieg in die Welt gerollt.

       Und der Brand hat gezehrt, und der Tod hat gesenst,

       und der gütige Gott ward zum Haßgespenst.

       Wehe!

      Wir boten den Menschen Glück und Vernunft.

       Der Habgier gaben sie Unterkunft.

       Sie trauten des Neides unheiliger Schrift.

       Neid goß ihnen Kugeln; Neid mischt' ihnen Gift.

       Wehe!

      Wir sangen den Völkern ein Freiheitslied.

       Sie traten für ihre Beherrscher ins Glied.

       Sie kämpften für ihrer Beherrscher Macht

       und wähnten sich ihrer Kinder Wacht.

       Wehe!

      Wir haben gerufen und haben gewarnt.

       Das Grausen wankt heran, getarnt.

       Es schlug sich den Mantel um Kopf und Kinn

       und schlug ihn den Menschen um Blick und Sinn.

       Wehe!

      Wir haben dem grinsenden Grausen gewehrt.

       Sie gaben ihm Hand Herz oder Schwert.

       Das Grausen führte dem Schwert die Hand.

       Millionen Leiber zuckten im Sand.

       Wehe!

      Wir schrein unser Wehe! in Kampf und Pein.

       Die Erde wird Grab und Asche sein.

       Drei Herrinnen recken die Arme frei:

       die Habgier, die Mordlust, die Sklaverei. –

       Wehe!

      Hungersnot

       Inhaltsverzeichnis

      Mai 1916

      Viele Hunderttausende liegen tot,

       tief ins geschändete Ackerland

       von Eisengeziefer niedergestreckt.

       Aus ihren Gebeinen kriecht und droht

       5

      und aus den Wüsten von Schutt und Brand –

       und nagt am Volksmark und saugt und leckt

       des Krieges Schwester, die Hungersnot.

      Sie nistet über Dächern und Tor,

       sie senkt sich über Menschen und Vieh,

       10

      kreist über den Dörfern – ohne Laut.

       Kein Auge kann sie erspähn, kein Ohr;

       doch alle Sinne wittern sie,

       erschaudernd wirft sich jede Haut,

       und jedes Haar strafft sich empor.

       15

      Die Blicke irren hohl und starr.

       Ein Kind zerrt bang an der Mutter Schurz.

       Zum Kirchhof fährt ein winziger Sarg.

       Der Ortsschulz und Gemeindepfarr

       beraten bleich. Ihr Atem geht kurz.

       20

      Schon wird’s in der eigenen Küche karg. –

       „Wir haben gesiegt!“ lallt blöd ein Narr.

      Das Heer, das tot in der Fremde liegt,

       das schafft der Heimat kein Brot herbei.

       Doch viele zieht es sich nach in den Grund,

       25

      die niemands Feind sind, von niemand bekriegt. –

       Millionen modern, von Jammer frei...

       Irr tönt aus dorrendem, lallendem Mund

       der Narren Ruf: „Wir haben gesiegt!

      Spruch Gehe zur gesprochenen Version

       Inhaltsverzeichnis

      Juni 1916

      Wenn ihr mich weinen seht,

       fragt nicht, warum.

       Leid, das in Tränen steht,

       tröstet sich stumm.

       5

      Wenn ihr mich fluchen hört,

       stimmt mich nicht mild.

       Zorn, der sich laut empört,

       schmilzt, wenn er schilt.