Sie starrte auf das Licht und auf das schwarze Wasser ...
Wie es zog ... wie das Wasser an ihr zog ...
Alles, alles ist gleichgültig.
Sie war allein; kein Mensch ihr eigen. Sie war im Wind und Wetter wie ein Hund vor die Tür gejagt ...
Ja, nun kommt die Frau; sie nimmt ihn weg; und ich bleibe allein! Allmächtiger, barmherziger Gott: allein ... Nein, nein, nein! – Genug! Zu Ende!
Er fährt weg. Kein Vater. Keine Mutter. Kein Gott ...
Ihre Angst wuchs und wuchs. Sie nestelte fiebernd am Kleide.
Plötzlich stieg ein furchtbarer Gedanke in ihr auf:
Die Welt geht zu Grunde! Alles, alles wird zu Grunde gehn! Die Sündflut!
Sie sprang jäh auf:
Da war ein Strudel ... da ist es tief ... ein Knecht ist da im vorigen Jahr ertrunken ... mit beiden Pferden.
Sie lief da hin. In ihrem Kopfe dröhnte es und brauste. Sie sah nichts; sie hörte nichts.
Etwas war in ihr, das sie trieb. Sie brauchte nur zu rennen. Sie rannte.
– Ja, hier!
– Nein, noch die kleine Biegung da ... da!
Sie schrie gell auf im Wasser ... wild ... sie rang.
Leben! – Der Strudel ... Seligkeit ...
XIII.
Nach einer Woche kam Falk wieder zu Bewußtsein.
Vor seinem Bette saß seine Frau und schlief.
Er war gar nicht erstaunt.
Er betrachtete sie.
Sie war es.
Er sank in die Kissen zurück und schloß die Augen. Nun war alles gut.
Eine rötliche Feuergarbe sah er plötzlich, die sich in sieben Blitze spaltete; dann sah er eine Weide am Wege auseinanderfallen.
Marit war wohl tot.
Er schlief wieder ein.
Ende
Kongsvinger (Norwegen),
Juni 1894.
Im Malstrom
Dem Dichter
Zenon Przesmycki gewidmet
I.
Janina sah Falk nachdenklich an.
Wie er sich doch in der letzten Zeit verändert hatte. Diese Unruhe! Als erwarte er jeden Augenblick irgend ein Unglück. Dann konnte er plötzlich auf eine ganze Stunde in eine sonderbare Apathie versinken und Alles um sich herum vergessen ... Was fehlte ihm nur? Nein, er war nicht offen zu ihr. Er machte Ausflüchte. Er beruhigte sie mit leeren Redensarten ... Hin und wieder sah sie sein Gesicht nervös aufzucken, dann machte er eine heftige Handbewegung und lächelte. Dies Lächeln – dies häßliche Lächeln hatte er aus Paris mitgebracht.
Falk schien aufzuwachen. Er richtete sich im Sofa auf, nahm ein paar Stücke Zucker und warf sie in ein leeres Glas.
– Hast Du heißes Wasser?
– Du solltest nicht so viel Grog trinken, Erik, Du wirst davon noch unruhiger.
– Nein, nein, im Gegenteil. Er schien ungeduldig zu sein.
Janina beeilte sich, das Wasser zu bringen.
Falk bereitete sich bedächtig den Grog. Er sah sie an: Sie war so eifrig, als wollte sies wieder gut machen, daß sie ihm zu widersprechen wagte. Er wurde sehr freundlich:
– Nein, im Gegenteil. Das beruhigt mich. Es sind meine ruhigsten Stunden hier bei Dir ... So zu sitzen und ein Glas nach dem andern zu trinken ... Ja, hier bei Dir ...
Er schwieg plötzlich. Er schien überhaupt an etwas ganz Andres zu denken.
– Du hast Dich sehr verändert, seitdem Du aus Paris kamst.
– Findest Du?
– So warst Du früher nicht. Du bist so unruhig geworden und so nervös.
Falk sah sie an, ohne zu antworten. Er trank, sah sie wieder an und lehnte sich im Sofa zurück.
– Es ist doch sonderbar, wie gut Du bist. Er sprach mit freundlichem Lächeln. Mir ist so wohl bei Dir.
– Ist es wahr?
– Ja, ich komme ja immer zu Dir zurück.
– Ja, wenn Du müde geworden bist ... Oh, Erik, es war nicht gut, mich drei Jahre hindurch hier in dieser furchtbaren Qual zurückzulassen. Nicht ein Wort hast Du mir geschrieben.
– Ich wollte, daß Du mich vergessen solltest.
– Dich vergessen! Nein, das kann man nicht.
Er sah sie schweigend an. Es trat eine lange Pause ein.
– Sag mir nur, Jania – er wurde plötzlich sehr lebhaft – sag es nur aufrichtig: ist zwischen Dir und Czerski nichts vorgekommen? Sei ganz ehrlich, Du weißt doch, wie ich darüber denke ...
– Wir waren so gut wie verlobt ... Aber warum fragst Du danach? Ich habe Dir doch schon hundertmal dasselbe erzählt.
– Nun, die ganze Sache interessiert mich sehr, und ich bin so vergeßlich. Dein Bruder hat es gewünscht?
– Ja, sie waren die besten Freunde.
– Und Du?
– Ich hatte nichts dagegen. Dich hatte ich ganz aufgegeben. Er war sehr gut zu mir. Worauf sollte ich denn warten? Ich hatte große Achtung vor ihm ...
– Wenn er nicht eingesperrt wäre, würdest Du jetzt eine ehrbare Hausfrau sein ... Hm, hm ... Bin wirklich neugierig, wie Dich das kleiden würde ...
Janina antwortete nicht. Sie schwiegen eine Weile.
– Hast Du ihn im Gefängnis besucht?
– Ja, Anfangs ein paar Mal.
– Und Dein Bruder ist glücklich über die Grenze gekommen?
– Das weißt Du ja.
– Hm, hm ... Falk stand unruhig auf und ging ein paar Mal auf und ab.
– Haben sie jemals über mich gesprochen?
– Wer?
– Nun Dein Bruder und Czerski.
– Natürlich, sehr oft. Du hast ja an Czerski Geld geschickt. Hast Du das vergessen?
– Und wußten sie etwas über unser Verhältnis?
– Nein! Ich habe immer getan, als hält ich Dich nie gekannt. Ich hatte Angst vor den Beiden. Sie sind so fanatisch.
– Sie wußten also gar nicht, daß Du mich früher kanntest?
– Nein. Aber hast Du nie mit meinem Bruder in Paris über mich gesprochen? Er war doch öfters bei Dir.
Falk