Hier verlassen wir unseren kleinen Helden und wenden uns wieder Richard Jansens persönlicher Erzählung zu.
Da er doch den Inhalt aller Manuskripte kannte, auch die von anderer Hand geschriebenen Berichte, finden, wenn er zum Beispiel mit Karlemann wieder zusammentrifft, die Leuchtturmsinsel besichtigt usw., natürlich keine Wiederholungen statt.
BITTERE OFFENKUNDIGKEITEN UND EIN SÜSSES GEHEIMNIS.
Auch die acht Wochen vergingen.
Ich hatte während dieser Zeit mit Blodwen meine schwere Not. Mir stand’s manchmal bis zum Halse und noch weiter.
Seit wir in Monrovia den vom Präsidenten beglaubigten Brief abgeschickt hatten, verzehrte sie sich in Zweifel, ob ihr die vierteljährliche Rente, also zirka 30 000 Pfund Sterling, wirklich nach Kapstadt angewiesen würde, daß sie das Geld dort so ohne weiteres erheben könnte.
»Verlaß dich darauf, das Geld ist nicht da!!« so jammerte sie Tag für Tag, sogar in der Nacht, jede Stunde bekam ich’s zu hören. Denn sie fand gar keinen Schlaf mehr.
Vergebens bot ich ihr immer wieder meinen Kopf getrüffelt an, vergebens stimmte auch Doktor Selo mir bei, daß man ihr unter solchen Verhältnissen die Rente gar nicht vorenthalten könne. Sie blieb beim Winseln, und ich wurde gallig.
»Zum Teufel, so laß doch das verdammte Geld schießen!«
»Was soll ich?«
»Na, wir haben doch genug, wir wollen arbeiten, das heißt, das Schiff arbeiten lassen, wir nehmen eigene Fracht … «
»Du meinst, ich soll alle Ansprüche an mein Vermögen aufgeben?«
»Na ja, warum denn nicht? Ehe ich mich mit solchen ungewißheiten peinige … «
»Das Vermögen aufgeben, das ich von meinem Vater geerbt habe, das diese Hunde … «
Herrgott im Himmel, jetzt ging sie aber los! Mit Händen und Füßen zappelte sie. Ich machte immer schnell, daß ich hinauskam.
Einmal belauschte ich nach solch einer Szene das Gespräch zweier Matrosen.
»So ein giftiger Stachelrochen.«
»Schade um den Käpt’n.«
»Schade? Das ist ja gar kein Mann, so lang er auch ist.«
Ich hatte genug gehört.
Glaubt man aber etwa, ich wäre beschämt gewesen?
Weshalb?
Ja, mir stand die Geschichte bis an den Hals! Und die Flitterwochen waren vorbei.
Das ganze Gelumpe verdrossen hingeworfen und seiner Wege gehen, das kann jeder Hanswurst und jeder Waschlappen. Aber bis zu einem bestimmten Ziele treu ausharren, das kann nicht jeder, das kann nur ein Mann.
Was konnte mich denn hindern, nach dem nächsten Hafen zu fahren und von Bord zu gehen? Eine neue Stelle bekam ich sofort wieder, jetzt sogar als Kapitän. Denn so weit war es schon mit mir. Mein Ideal verwirklichte sich hier doch nicht, so viel war mir unterdessen klar geworden.
Aber nein. Bis nach Kapstadt wenigstens mußte ich noch ausharren, das heißt, noch acht Wochen lang. Dann wollte ich mich mit ihr auseinandersetzen, kalt oder in Güte, ganz wie sie wollte, jedenfalls aber meinerseits nicht im Zorn. Dieser Entschluß stand fest bei mir.
Diese acht Wochen mußten hingebracht werden. Blodwen wollte gleich nach Kapstadt, nur einmal so nachfragen – weiter fehlte nichts. Dort wäre ihre Ungeduld erst recht nicht auszuhalten gewesen.
Ich wußte sie hinzuhalten, wir kreuzten hin und her, wiegten uns einmal durch einen Ausläufer der großen Fucus-Bank, wären bald darin stecken geblieben, über welche Seetang-Inseln ich noch später Seltsames zu berichten haben werde, und so ging die Zeit hin – die längsten Wochen meines Lebens.
Außerdem versenkten wir während dieser Zeit an fünf verschiedenen Stellen zusammen 250 000 Pfund Sterling, so daß wir jetzt nur noch zirka 40 000 Pfund an gemünztem Golde an Bord hatten.
Denn Blodwen hatte ihre erste Absicht, ihren Schatz über die ganze Erde zu verteilen, aufgegeben. Sie wurde eben von dem Gedanken gepeinigt, sie könne ihre Rente verlieren, und was dann, wenn nun einmal das Schiff mit dem ganzen Gelde unterging? Bei den Kanarischen Inseln war ihr der Gedanke gekommen, ihr mitgenommenes Geld, was sie schon für ihr letztes erachtete, lieber freiwillig und schnellstens auf dem Meeresgrunde zu bergen.
Immerhin war das Revier im Atlantischen Ozean ja groß genug, auf dem wir in je vierzig Schatullen die 250 000 Goldstücke verteilten, in fünf Portionen, wir hatten immer tagelang zu segeln, und so kam es auch, daß wir gar nicht mehr nach der Küste kamen, also auch keinen anderen Hafen anliefen.
Dann versenkte ich auf Blodwens Wunsch an zwei verschiedenen Stellen, tausend Meilen voneinander getrennt, in zwei Portionen auch noch den gesamten Schmuck, den sie von Karlemann für 100 000 Pfund gekauft hatte.
So, da lag das ganze glitzernde Gelumpe gut. Nachdem der Grund auf Festigkeit geprüft, nahmen wir uns gar nicht erst die Mühe, die Goldsachen einzupacken. Gleich hinuntergeschmissen. Das Seewasser griff ja die Edelsteine und das Gold nicht an. Höchstens Fische konnten sich die Ringe in die Nase hängen. Nur beim Hinablassen mußten wir aufpassen, daß keine Haifische in der Nähe waren. Die schnappen ja alles weg, was über Bord fällt, aber nicht mehr, wenn es einmal am Boden liegt.
Dieses Versenken von Blodwens Schätzen brachte für mich stets eine schwache Stunde mit sich.
Jedesmal wollte ich ihr die geographische Ortsbestimmung aufdrängen, daß sie dieselbe zu sich steckte, aber nie nahm sie es an.
Und bei solchen Gelegenheiten konnte sie immer so ganz anders sein.
»Was soll ich damit?« fragte sie dann.
»Du mußt doch wissen, wo dein Geld liegt.«
»Es ist nicht mein Geld, sondern das deine, oder doch unser Geld, und es ist ja genug, wenn du es weißt.«
»Und wenn ich nun einmal meinen Tod finde?«
»Es würde auch mein Tod sein.«
So sprach sie stets. Und wie sie mich nun dabei ansah!
Da wurde ich immer weich. Dann war sie auch so ganz anders.
Kann man mir verdenken, daß ich da weich wurde? Ich junger Mensch hatte ja ein so gutes Herz! Sie tat mir so leid – und Mitleid ist ja Liebe.
Ja, was half es denn alles – ich liebte sie noch immer so stark, wie je zuvor.
Ach, ich armer Kerl steckte in einer bösen Klemme!! –
Sonst habe ich über diese Zeit nichts weiter zu melden. Niemand wurde krank, der Klabautermann rauchte und der Mister Unbekannt ließ sich füttern, ohne ein Wort zu verraten. Als wir einmal dampften, steckte ich ihn vor die Kesselfeuer, wo er willig die furchtbar schwere Arbeit verrichtete. Dadurch brachte ich ihn nicht zum Sprechen. Nun gab es aber an Bord mehr Hände als Arbeit, und so ließ ich ihn wie einen Grandseigneur leben.
Am 6. September gingen wir auf der Reede von Kapstadt vor Anker. Da wir hoch vom Norden kamen, waren die ausgerechneten acht Wochen schon weit überschritten. Den letzten Tag hatte Blodwen in einer Art von Raserei verbracht, die mit Starrsucht abwechselte.
Auch in den Hafen wollte sie nicht, sondern durchaus weit draußen auf Reede liegen bleiben.
»Du gehst allein nach der südafrikanischen Bank. Aber kannst du mir nicht vom Hafen aus ein Zeichen geben, etwa eine Flagge hissen, die mir meldet, ob das Geld da ist oder nicht?«
Ich wußte nicht gleich, wie das zu machen sei.
»So