Deswegen muß ich auch noch eine andere Bemerkung einschalten.
Man möchte annehmen, daß ein Binnenländer keinen so tüchtigen Matrosen abgibt als ein an der Waterkant geborener Junge, der aus einer Seemannsfamilie stammt, dessen Element das Meer ist.
Aber gerade das Gegenteil ist der Fall, und das ist ja auch einfach genug.
Der Sohn der Küste, dessen Vater, Großvater und Ururururgroßvater schon Seemann gewesen sind, wird von vornherein wieder zu demselben Berufe bestimmt, es gibt gar keinen anderen für ihn, ganz gleichgültig, ob er sich hierfür eignet oder nicht.
Er wird eingekleidet, als Schiffsjunge untergebracht, und nun arbeitet er sich so weiter bis zum Matrosen empor, bar jeden Ideals, ihm ganz gleichgültig, ob es nach China geht, oder ob er sein ganzes Leben lang in der Ostsee herumfährt – wenn die Heuer nur angemessen ist, das Salzfleisch nicht gar so sehr stinkt – wenn er nur immer genügend Tabak für seine Pip hat und sich an Land allemal tüchtig besaufen kann. Dann, wenn er so weit ist, heiratet er seine Deern, aber immer in seiner Heimat, der er stets treu bleibt, er fährt weiter als Matrose, muß jetzt nur immer das Geld zu Hause abliefern – und das geht so weiter, bis er einmal hinabschaukelt auf den Meeresgrund, oder bis er zum Krüppel geschlagen wird, als solcher weiß er dann in der Heimat am Strande auch noch sein Dasein zu fristen.
Gewiß, es gibt die tüchtigsten Kerls unter diesen geborenen Seeleuten, daran ist kein Zweifel. Aber das Ideal, welches sich jeder Knabe von einem Seemanne macht, bilden sie lange nicht – und auch nicht für den Kapitän, der für sein Schiff natürlich immer die exquisiteste Mannschaft anmustern möchte.
Ganz anders der Junge aus dem Binnenlande, der das Meer noch niemals gesehen hat, das Seeleben nur aus möglichen und unmöglichen Erzählungen, nur aus Jugendschriften kennt.
Diese haben ihm, wie Eltern und Erzieher sagen, den Kopf verdreht. Nevermind – er will zur See, in die Welt hinaus, Abenteuer bestehen, auf Palmen klettern und Affen fangen.
Und er weiß, was dazu gehört – eben aus Jugendschriften. Ist dieser Junge kein guter Turner, ist ihm ein Vogelnest zu hoch, kriecht er im Winter hinter den Ofen – dann fällt ihm so eine Idee ja überhaupt gar nicht ein.
Also, um sich vorzubereiten, turnt und klettert er, trotz Hitze und Kälte, verschmäht im Winter Handschuhe und Ohrenklappen – ich spreche aus eigener Erfahrung – und außerdem weiß er auch aus seinen Schmökern, daß er als Schiffsjunge schmähliche Prügel bekommt, und setzt er nun dennoch seinen Entschluß durch, so ist die geeignetste Voraussetzung gegeben, daß er sich zum Seemann eignet.
Nun aber kommt noch etwas anderes in Betracht, vielleicht die Hauptsache.
Entweder geht er mit Erlaubnis der Eltern zur See, oder er brennt bei Nacht und Nebel durch. Greift er zuvor einmal in des Vaters Kasse, so hat das dieser selbst verschuldet. Der Mensch ist frei, und das gilt sogar von Kindern, man muß die Sache nur von der richtigen Seite betrachten.
Aber sehr häufig kommt es vor, daß der Junge gleich bei der ersten Reise von der christlichen Seefahrt die Nase vollbekommt, er merkt, daß er den Strapazen nicht gewachsen ist, er mag sich nicht prügeln lassen – dann kehrt er als reumütiger Sohn zurück, er ist für immer geheilt – und die Seemannschaft ist befreit von einem Menschen, der sich nicht zum Schiffsdienst eignet, während es solche von der Waterkant genug gibt. Denn bei solch einem Jungen, der eben aus einer Seemannsfamilie stammt, ist es ganz ausgeschlossen, daß er diesen Beruf verläßt, oder er würde zu Hause totgeprügelt werden, er muß eben dabei bleiben, ob er dazu taugt oder nicht.
Jenes erstere gilt auch für die Tunichtgute, welche aus dem Binnenlande zur See geschickt werden. Kein Gedanke daran! Die bleiben niemals dabei, sie reißen aus, gehen zurück, schließlich muß man sie doch wieder aufnehmen, steckt sie in eine Besserungsanstalt, und so ist es durchaus nicht wahr, daß sich die binnenländischen Matrosen aus den verworfensten Elementen zusammensetzen, welche das Land abgeschoben hat. Ganz im Gegenteil!
Kurzum – ich habe Hunderte von Matrosen unter mir gehabt, und stets habe ich Binnenländer bevorzugt, und das gilt von jedem anderen Kapitän. An Gewandtheit, Schnelligkeit, Intelligenz usw. usw. können die sogenannten geborenen Matrosen, die Küstenbewohner, denen aus dem Binnenlande niemals das Wasser reichen. Vor allen Dingen ist es immer die fröhliche Tatkraft, der abenteuerliche Unternehmungsgeist, der jenen gänzlich fehlt, und das ist eine Quelle, der alles andere entspringt, was zu einem fixen, niemals verzagenden Matrosen gehört.
Am deutlichsten sieht man das ja in der Kriegsmarine. Was für ein Unterschied zwischen dem bedächtigen, plumpen Handelsmatrosen, dem Küstenbewohner, der seiner Dienstzeit genügt, und dem gewandten, frischen Zwölfjährigen, der in Kiel als Kaiserlicher Schiffsjunge angefangen hat! Und daß ein Schiffers- oder Fischerssohn als Marine-Schiffsjunge eintritt, wo er lange Zeit gar nichts verdient, das ist wohl ganz ausgeschlossen.
Schließlich möchte ich noch eins erwähnen, was auch diesen Unterschied recht charakterisiert.
Es ist wohl bekannt, daß die meisten Matrosen nicht schwimmen können. Sie sagen, es habe keinen Zweck, wenn das Schiff untergeht, müßten sie doch sowieso ersaufen, weshalb sollten sie sich da, wenn sie des Schwimmens kundig sind, noch stundenlang herumquälen.
Das ist natürlich Unsinn, eine faule Ausrede. Wenn sie nun im Hafen über Bord fallen und niemand bemerkt es, der ihnen gleich ein Tau zuwirft?
Nein, diese Küstenbewohner sind ganz einfach samt und sonders wasserscheu. Als Kinder höchstens bis an den Leib ins Wasser, nur ja nicht mit dem Kopfe untergetaucht! Es ist ja gar nicht wahr, daß diese Küstenbewohner das Meer lieben. Im Gegenteil, es hat ihnen Vater und andere Verwandte geraubt, das Meer ist ihnen vielmehr ein feindliches Element, mit dem sie, der Not gehorchend, kämpfen müssen ums tägliche Brot, und sie fühlen sich nur so lange sicher, wie die Planken unter ihren Füßen halten.
Ganz anders der Matrose vom Binnenlande. Daß sich der von Kind an zum guten Schwimmer ausbildet, ist doch ganz selbstverständlich.
Genug davon. Ich hatte die tüchtigsten Matrosen an Bord, zur Hälfte Binnenländer, welche noch für alles Romantische schwärmten, und dasselbe galt von den Plattdeutschen von der Waterkant, weil ich mir eben die Ausnahmen zusammengeholt hatte. Hätte einmal einer bei mir nicht sollen schwimmen können! Dann wurde er einfach bei der nächsten Gelegenheit an die Kreuzleine genommen. – – –
Wir passierten einen nördlichen Ausläufer der großen Fucusbank. Mochte sich der Seetang auch am Bug aufhäufen, hier war er noch zu spärlich, als daß er uns hätte hindern können, der Wind brauchte gar nicht so günstig zu sein. Die Wasserpflanzen hier waren abgerissen worden, sie schwammen, waren also nicht mit dem Boden verwachsen, konnten daher leicht mit einer Stange von Zeit zu Zeit entfernt werden.
Aber dort im Süden, wo sich unübersehbar die grüne Wiese ausbreitete, wie würde es uns dort ergehen?
War es nicht meine Pflicht, den Leuten zu sagen, was ich vorhatte, welche Gefahren ihrer dort warteten?
Ich hatte Karlemann mein Ehrenwort gegeben, nichts zu verraten, aber …
Nun, das konnte ich mir ja noch auf der Rückfahrt überlegen, das eigentliche Geheimnis brauchte deswegen nicht verraten zu werden.
Ohne Unfall erreichten wir in drei Wochen New-York. Die Zeichnungen für die Messervorrichtung hatte ich unterdessen gemacht, nach allen Maßen, und die erste Werft, an die ich mich wandte, erbot sich, die Sache auszuführen, billiger, als ich gedacht hatte.
Dabei hatte ich darauf Rücksicht genommen, daß nichts unter Wasser anzubringen war, mit Ausnahme zweier Schrauben, so daß die ›Sturmbraut‹ deswegen nicht ins Trockendock mußte. Wenn das Schiff vom Ballast befreit war, konnte ein Taucher alles besorgen, und die Messer, sechs Meter lang, würden bei aller Festigkeit dennoch bis an das Ende des Kiels hinabreichen.
Nach amerikanischer Manier hatte der Auftragnehmer keine einzige Frage getan, wozu ich denn diese Schneidevorrichtung