Und nun auf dieser Körperfülle von ziemlich vier Zentner Gewicht ein Mopsgesicht mit winzigen Augen und einem noch winzigeren Näslein!
Schade, daß sich so etwas nicht beschreiben läßt! Und zeichnen kann ich nicht.
»Die Laura, die Laura!« erscholl es jubelnd im Chor.
»Wo habt ihr denn die her?«
Bei der war es nicht so harmlos abgegangen. Ihr Mann war früher Schneider gewesen, seit einiger Zeit stellte er seine schwächere Hälfte aus, in der Castle-Avenue; meine bezechten Jungen hatten sich an sie heran gemacht, hatten ihr vorgeschwärmt – jawohl, die war mit allem einverstanden, die wollte mitkommen – aber ihr Ehegatte wollte nicht – da hatte der Schneider Haue bekommen – meine Jungen hatten die ganze Bude demoliert – Laura hatte, bezecht wie sie war, selbst mitgeholfen, und … nun kam der Ehemann von Schneider schon selbst, um seine bessere Hälfte wiederzuholen, brachte gleich Polizei mit.
Himmel, war das ein Spektakel in der Kajüte. Was alles gebrüllt wurde, weiß ich nicht. Ich glaube, das kleine, dünne Schneiderlein wollte mich hauen.
»Nee, un ich geh äm niche!« schrie Laura, die wie ihr Schneiderlein Deutsch sprach. »Ich bleiwe bei dich, mei Blondchen … «
Und plötzlich setzt sich dieses Frauenzimmer mit ihren vier Zentnern auf meinen Schoß und krabbelt mir am Kinn. Zum Glück krachte der Stuhl zusammen. Sonst wären sicher meine Beine abgekracht. Denn auf eine Tragkraft von vier Zentnern waren die denn doch nicht geeicht.
Wir wälzten uns beide am Boden. Sie hätte mir beinahe den Brustkasten eingedrückt.
»He jubb!!« schrien die Matrosen, hatten Handspeichen untergeschoben und wälzten sie von mir runter und bekamen sie so wieder in die Höhe.
Ich blickte, wie ich mich emporrichtete, etwas scheu nach Blodwen. Aber die lachte, daß ihr die Augen übergingen, und das auch noch und erst recht, als mir das besoffene Weibsbild schon wieder am Halse hing und mich ihr Blondchen nannte, ihren Herzallerliebsten usw.
Ich hatte ganz die Fassung verloren. Ich habe dem Schneider eine Entschädigung gegeben, für seine Frau, daß er sie mir abtrat, für seine Bude, für alles. Aber wieviel, das weiß ich nicht, wußte es auch damals nicht. Ob ich ihm hundert Dollar gab oder tausend – keine Ahnung.
Als wieder Ruhe wurde im Schiff, war Laura schon auf dem Sofa eingeschlafen. Sechs Matrosen packten sie, je zwei an einem Beine und je einer unter den Achseln, so schleppten sie das Ungetüm keuchend hinaus. Dort, wo auf dem Sofa ihre Schultern gelegen, waren zwei große Fettflecke auf den Polstern, und …
Und da kam schon wieder eine gröhlende Bande angerückt, diesmal aus Heizern bestehend. Dann benahmen sie sich aber ganz manierlich, ebenso wie der rothaarige Kerl, den sie zwischen sich führten – oder ich will lieber Herr sagen; denn er war ganz anständig angezogen, benahm sich auch anständig, nur daß er, wie die Heizer, etwas schief geladen hatte.
Sie hatten ein Plakat gelesen, heute abend eine Gesellschaft der Typographia, zu irgendeinem wohltätigen Zwecke, die meisten Heizer sind Schlosser, sie hatten gewußt, daß Typographen so Buchdrucker und Setzer sind, gleich hatten sie sich meines Auftrags erinnert, ich hatte sie doch instruiert, sie hatten Billetts genommen, hatten Bekanntschaft gemacht … nun brachten sie gleich einen mit, der bereit war, für billiges Geld uns ein paarmal um die ganze Erde zu begleiten. Konnte setzen und drucken und alles.
»Ja, das ist ja alles recht schön und gut,« sagte ich; »aber kann er denn auch mit der großen Zehe sich in der Nase …«
»Nee, das kann er nicht; aber mit dem Bauche bellen kann er.«
Und kaum hatten das die Heizer gesagt, als aus allen Ecken der Kajüte ein Hundegebell erscholl, von großen und kleinen Kötern, dröhnend und quietschend, sie knurrten und bissen sich – ich blickte nach dem Rothaarigen, denn daß es sich um Bauchreden handelte, hatte ich ja schon gehört; aber ich sah dessen Mund sich nicht im mindesten bewegen, was beim Bauchredner doch sonst immer etwas der Fall ist, bei dem nicht, keine Muskel zuckte in seinem sommersprossigen Gesicht – und dadurch wurde ich fast irre, ich glaubte einen Augenblick wirklich an Hunde, ein solcher mußte doch unbedingt unter dem Kajütentisch sein, wo er mich ankläffte, ich bückte mich, um darunter zu blicken – und dann stimmte ich mit ein in das allgemeine Gelächter.
Paddy – seinen eigentlichen Namen weiß ich nicht mehr, aber da er ein Irländer war, konnte er natürlich nicht anders als Paddy heißen – Paddy war ein Amateur-Bauchredner, hatte sich als solcher heute abend in dem geselligen Verein produziert, nicht nur im Hundebellen, er konnte auch sprechen, durch Unterhaltung verschiedener Personen die verblüffendsten Tricks erzielen, aber seine Hauptforce war doch das Nachahmen von Tierstimmen, besonders von Papageien, Affen, Hunden und Katzen, alles gleichzeitig durcheinander, wovon er jetzt sofort eine Probe gab, indem sich zu den Hundestimmen auch Katzenmiaun und Affengeschnatter und alles mögliche gesellte, auch menschliche Stimmen, welche auf die Hunde schimpften, alte Jungfern, die ängstlich ihre Katzen lockten – die ganze Kajüte schien belebt zu sein, und da bellte auch an Deck ein riesiger Köter im Brustton.
Paddy war von Profession Buchdrucker, konnte aber auch setzen und alles andere, was dazu gehört, und er war mit Freuden bereit, uns zu begleiten, ganz egal wohin, wenn es nur hinaus in die Welt ging, und bei freier Station war er mit wöchentlich sieben Dollar mehr als zufrieden. –
Es ist dies nur ein einziger Tag, nur ein Abend, von dem ich eine ausführliche Probe gegeben habe.
Und so ging es während acht Tagen weiter, bis wir wieder absegelten.
Ich brauchte mich um nichts mehr zu kümmern, meine Leute besorgten alles, ich hatte ihnen nur immer abzunehmen, was sie heranschleppten, und sie gingen mit einem Feuereifer daran – mit einem Feuer, das wirklich gefährlich wurde. Denn nachdem ihr Eifer einmal entfesselt, ließ er sich gar nicht wieder eindämmen, da half weder Drohen noch Bitten.
An einem einzigen Tage mußte ich fünfmal auf die Polizei gehen, um als verantwortlicher Kapitän Strafe zu zahlen, um mich mit einem Geschädigten durch klingende Münze wieder zu versöhnen.
Das sagt genug, wie meine Jungen es trieben. Sie hatten eben den Auftrag bekommen, Mißgeburten und andere Raritäten herbeizuschaffen, die man ausstellen könnte, und sie entledigten sich ihres Auftrags, ihnen ganz egal, wo und wie sie dieses Material bekamen.
So will ich nur im besonderen erwähnen, daß zwei Matrosen auf den zusammengefalteten Händen einen Mann getragen brachten, der einen langen Mantel anhatte.
»Wer ist denn das?«
»Der kann mit dem Maule schreiben und malen.«
Ich verstand noch gar nicht, was die eigentlich meinten.
»Warum tragt ihr ihn denn?«
»Nu weil ’r nich gehen kann.«
»Warum kann er denn nicht gehen?«
»Nu weil ’r keene Beene hat.«
Erst dann merkte ich, daß der ganze Mann nur aus Rumpf und Kopf bestand, weder Arme noch Beine, er bediente sich zur Verrichtung der meisten Geschäfte des Mundes, konnte mit der zwischen den Zähnen gehaltenen Feder sehr schön schreiben und recht hübsch zeichnen, wußte sich aber auch sonst mit dem Munde zu helfen, trank jedes Glas und jede Tasse fein säuberlich aus, nahm den Hut mit den Zähnen, warf ihn in die Luft und hatte ihn auf dem Kopfe.
Gleich darauf wurde eine Frau gebracht, die ebenfalls keine Arme, aber doch wenigstens noch Beine und Füße hatte, mit denen sie stricken, sticken, flicken und sogar Violine spielen konnte.
Woher meine Jungen die menschlichen Raritäten bekamen, darnach erkundigte ich mich gar nicht mehr. Ich ging einfach zur Polizei und bezahlte die Strafe. Eine Entführung lag fast immer vor, doch wußte ich mich stets mit dem Geschädigten zu einigen, mußte dabei natürlich immer tief in die Kasse greifen.
Dabei zeigte sich wiederum, wie wenig ich Geschäftsmann war. Ein Aufschreiben gab es nicht, hatte ja keine