Was, der Junge wollte wohl gar von hier bis an den Mittelpunkt der Erde dringen?!
»Und Sie vergessen wohl ganz, daß die Wärme dabei auch immer zunimmt.«
»Um wieviel?«
»Man schätzt, bei je 100 Metern immer um einen Grad. Das geht aber erst von einer gewissen Tiefe an.«
»Na was meinen Sie, wie tief kann ein Mensch dringen?«
»Ich kenne Bohrlöcher und Schächte von tausend Metern. Sagen wir, nach 100 Metern soll die Normaltemperatur, welche ungefähr 12 Grad beträgt, überschritten sein. Bei 100 Metern immer einen Grad Zunahme. Na, tiefer als 3000 Meter wird man wohl niemals dringen können, das wären dann schon 42 Grad, das ist wohl die höchste Temperatur, die ein Mensch aushalten kann, die z. B. auch in den Kesselräumen der Dampfer vorkommt.«
»Hm. 3000 Meter? Da müßte ich dreißig Jahre lang meißeln lassen, und das könnte ich erleben. Na, wir wollen mal sehen, was schließlich herauskommt.«
Sollte man über so ein Vorhaben lachen oder staunen? War das ein phantastisches Beginnen oder ein geniales Unternehmen? Ich zog es vor, diesen Jungen zu bewundern.
Wegen der tropischen Regengüsse, wie ich einen solchen während dieser Zeit erlebte, war der Schacht ummauert, damit kein Wasser hinabfloß. Für kritische Leser muß ich deshalb erwähnen, daß der tiefe Zirkus mit Absicht nicht ummauert war. Bei dem Regenguß floß eine gewaltige Wassermenge hinein, welche dann durch den Tunnel weitergeleitet wurde, um gleich die unteren Räume, in denen die Tiere untergebracht waren, zu säubern, und was nicht gebraucht wurde, konnte noch immer, in eine besondere Zisterne geleitet, als reines Trinkwasser verwendet werden, wozu das Plateau immer in peinlichster Sauberkeit gehalten wurde. So war hier alles und jedes auf das praktischste eingerichtet, auch gar nichts schien vergessen worden zu sein.
Als ich einmal in den unteren Räumen herumstöberte, die schon ausgemeißelt worden waren, entdeckte ich einige gewaltige Kisten, die eine war geplatzt, und ich erkannte nichts anderes als ein gezogenes Geschützrohr modernster Konstruktion.
Was hatte der Junge vor? Wollte er diese Insel in eine wirkliche Seeburg verwandeln, sie mit Kanonen bespicken, hier ein neues Gibraltar schaffen? Zuzutrauen war dem ja alles, und ich hatte längst verlernt, über seine Phantasterei zu lächeln.
Am Abend des vierten Tages machte sich ein leichter Westwind auf, der immer stärker zu werden versprach.
»Morgen früh oder schon diese Nacht segeln Sie,« sagte Karlemann. »Die Hauptsache ist nun wohl das Geld. Wieviel brauchen Sie?«
Das war schwer zu berechnen.
»Wenn ich Ihnen die Hälfte des ausgemachten Chartergeldes sofort gebe – oder sagen wir rund 100 000 Dollar – sind Sie damit zufrieden?«
Ob ich damit zufrieden war!
»Gehen Sie in das Zimmer mit dem Schreibtisch, ich bringe das Geld gleich.«
Als ich in dem Steinzimmer saß, das von einer Petroleumlampe erhellt wurde, kam es mir noch einmal voll und ganz zum Bewußtsein, daß es ein zwölfjähriger Junge war, der mir jetzt 100 000 Dollar aufzählen wollte!
Und wo bewahrte er sein ganzes Geld wohl auf? Ich hatte unterdessen jeden einzelnen Raum durchforscht, und, wie gesagt, es hatte uns alles offengestanden. Mir kam es kaum glaubhaft vor, daß er seine Schätze hier irgendwo verstecken sollte, oder … da hatte er eben auch wieder sein Geheimnis.
Sehr bald kam Karlemann zurück, schüttete auf die Steinplatte des Schreibtisches einen Ledersack aus, der 5000 Dollar in Gold enthielt, zählte 95 000 Dollar in großem und kleinerem amerikanischen Papiergeld auf.
»Stimmt es?«
Während des Zählens bemerkte ich zwischen den Goldstücken einige Wassertropfen, auch ein Hundertdollarschein war ganz naß, aber nur der eine, und trotzdem kam mir gleich eine Vermutung.
»Sie heben Ihr Geld wohl auch in Salzwasser auf?« fragte ich.
»Auch?« wiederholte er mit Betonung, und es lag einiger Spott dann. »Wenn ich es tue, dann können Sie sicher sein, daß es mir nicht gestohlen wird.«
Ich mußte diese Pille wohl hinterschlucken.
»Ja, es stimmt. Wollen Sie Quittung?«
»Brauche ich nicht – wenigstens nicht von Ihnen. Nun lassen Sie uns noch einmal alles besprechen.«
Auf Papier wurden Zeichnungen entworfen, wie wir uns das mit den Messern dachten.
»Also Sie verproviantieren sich in Monrovia und nehmen dort so viel Kohlen ein, um mit deren Hilfe, wenn es sein muß, nach New-York zu kommen. In New-York nehmen Sie als Ballast 600 Tonnen Kohlen ein.«
Das war alles schon besprochen worden, schon wiederholt.
»Mir ist unterdessen noch vieles andere eingefallen,« fuhr Karlemann fort. »Sie hatten mir gesagt, daß Sie Salzwasser destillieren könnten.«
»Ja, das kann ich natürlich, solch eine Vorrichtung ist doch auf jedem Dampfer vorhanden.«
»Ach so, das ist etwas anderes. Sonst hätte ich Ihnen geraten, in New-York einen Destillierapparat zu kaufen. Ich habe so ein Ding schon einmal gesehen. Dann ist das ja nicht nötig. Wenn Ihnen aber nun die Kohlen ausgehen sollten?«
Diesmal nahm ich den lauernden Ausdruck in seinen sonst so offenen Zügen ganz deutlich wahr.
»Wenn ich unterdessen die Insel erreicht habe, bin ich ganz sicher geborgen.«
»Weshalb?«
»Dort haben sich doch unbedingt große Massen von Seetang aufgehäuft, das Zeug ist trocken, kann verfeuert werden, auch unter dem Destillierapparat, der eine sehr große Heizfläche hat.«
»Ach so, dann wäre diese Frage ja gelöst,« sagte Karlemann, und der lauernde Ausdruck wich.
Als ob er das nicht schon selbst gewußt hätte! Dieser Junge stellte sich absichtlich naiv, um mich zu prüfen! Es war kaum glaublich, und doch war es so!
»Nun, darüber können wir ja noch später sprechen, denn Sie kommen unbedingt noch einmal hierher.«
»Natürlich, wenn Sie es wollen – jetzt haben Sie mir zu befehlen.«
»Da können Sie mir aus New-York gleich verschiedenes mitbringen, was hier nicht zu haben ist.«
»Sprechen Sie Ihre Wünsche aus,« sagte ich und nahm Bleistift und Notizbuch zur Hand.
Aber Karlemann hatte es nicht so eilig. Er stand auf, steckte die Hände in die Hosentaschen und begann, breitbeinig in dem Raume auf und ab zu wandern.
»Wissen Sie, wenn Sie nun einmal nach Amerika kommen, können Sie mir auch gleich ein paar Indianersch mitbringen, was?«
Ich hatte ein »Wozu denn?« auf den Lippen, unterdrückte es aber noch rechtzeitig. Jetzt war das hier mein Vorgesetzter.
»Indianer,« schrieb und sagte ich kaltblütig. »Wieviel?«
»Na, warten Sie erst mal. Sie sind schon in Amerika gewesen?«
»Schon mehrmals.«
»In Nordamerika, meine ich.«
»Auch.«
»Im Innern?«
»Das allerdings nicht.«
»Haben Sie schon Indianer gesehen?«
»Massenhaft.«
»Echte, meine ich. Solche, die noch halbnackt herumlaufen, höchstens mit solchen Lederhosen – Leggins heißen ja die Dinger wohl – und dann mit Tomahawk und Skalpiermesser, die aber auch noch wirklich Skalpe absäbeln. Haben Sie solche gesehen?«
»Jawohl, auch das. Abgesehen davon, daß ich solche ausgestellt gesehen habe – und zwar ganz waschechte – war ich auch dabei, wie der Präsident