Ich machte Karlemann einmal Vorwürfe deshalb. Das sei doch ein großer Leichtsinn. So ein Löwe oder Panther könnte doch einmal herausspringen, könnte unter den friedlichen Negern furchtbares Unheil anrichten, von ihm selbst und uns, die er zum Zuschauen direkt einlud, gar nicht zu sprechen.
Aber Karlemann lächelte schlau.
»Nee, da springt keener.«
»Weshalb denn nicht?«
»Zuerst haben sie es getan – oder doch probiert – aber das habe ich den Viechern sofort verleidet und das ein für allemal.«
»Wie haben Sie denn das gemacht?«
»Ja, mein lieber Kapitän, so fragt man die Dummen aus,« lautete wiederum seine augenblinzelnde Antwort. »Das wird nicht verraten, das ist Geschäftsgeheimnis – da müssen wir schon noch mehr Kumpe gemacht haben.«
»Wie? Sie haben es also fertig gebracht, den, Tieren ein für allemal abzugewöhnen, daß sie auf den Rand des Plateaus springen?«
»Ganz und gar unmöglich. Die getrauen sich nicht einmal, dort unten die Wand zu berühren, als wäre es glühendes Eisen.«
Rätselhaft, wie der Junge das gemacht hatte! Vielleicht wirklich mit Feuer, hatte den Rand früher mit glühenden Eisenplatten belegen lassen. Doch dies waren alles nur Vermutungen.
»Aber die Tiere sind doch noch gar nicht richtig gezähmt.«
»Zahm wie die Lämmer.«
»Na, ich danke! Sie haben sich doch fortwährend vor Tatzenschlägen zu hüten.«
»I, mein lieber Jansen, das ist doch alles Dressur.«
»Was, wenn der Löwe oder Panther nach Ihnen mit der Tatze schlägt, das ist ihm sozusagen künstlich beigebracht?!«
»Natürlich.«
»Und wenn der Löwe faucht und brüllt und Miene macht, auf Sie zu springen?«
»Alles Dressur. Macht er alles auf Kommando. Naja, wenn ich sie einmal einem Publikum vorführen will, dürfen sie doch nicht wie die wirklichen Schafe sein, sie müssen doch noch ein bißchen wilde sein, daß die Weiber kreischen; andernfalls, mein lieber Jansen, würde ich mich hüten, hier unten mit so einem wilden Vieh allein zu sein, ich würde Ihnen und Ihren Matrosen doch nicht sagen, daß sie sich so dicht heranstellen können – wenn ich nicht meiner Sache so sicher wäre. Alles künstliche Dressur!«
Ich war wieder einmal sprachlos vor Staunen. Und was ich dachte, hörte ich dann von meinen Leuten sagen, die das ebenfalls mit angehört hatten.
»Es ist wirklich ein Teufelskerl! Der Junge hat zwar noch keine Haare unter der Nase, aber desto mehr schon auf den Zähnen – der spielt nicht nur mit Menschen, sondern der ist imstande, noch des Herrgotts ganze Schöpfung umzukrempeln.«
Ja, das schien wahrhaftig so!
Also wir bekamen nur die Tiere zu sehen, welche schon vollständig dressiert waren. Aber wie er das machte, das wußten wir noch immer nicht. Dazu hatte er in der vierten Galerie zwei besondere Räume, auch so als Manege eingerichtet, hier nahm er die Tiere in den ersten Dressuren vor, aber unter Ausschluß der Oeffentlichkeit. Diese beiden Räume besaßen schon Türen, und sie waren immer verschlossen, wenn wir dahinter Peitschenknalle und wohl auch Revolverschüsse hörten.
In der ersten Zeit hatte Blodwen mehrmals versucht, Karlemann zu bewegen, ihr doch schon zu sagen, wohin er uns denn schicken wolle, um was es sich handle, was für ein Geheimnis das sei.
Der zwölfjährige Junge hatte ihr immer mit einer Geschicklichkeit auszuweichen gewußt, die dem ältesten europäischen Diplomaten Ehre gemacht hätte. Dann aber konnte er auch kurz werden, und ich selbst bat Blodwen, doch von solchen neugierigen Versuchen abzustehen, und sie hatte Einsicht gehabt.
Sie konnte überhaupt schon froh sein, daß sie Karlemanns Insel nur betreten durfte und hier geduldet wurde; denn dieser Junge war doch offenbar ein geschworener Weiberfeind – was in bezug auf Mädchen so viele Jungen sind, und fast immer werden gerade das dann die tüchtigsten Männer – der wollte sich doch seine Seeburg nicht von ›Frunslüt verswienegeln‹ lassen.
Aber er hatte doch schon die Gastfreundschaft der Lady genossen, sie war doch auch ›meine ›Liebste‹, und so zeigte er genug Takt, um ihr im allgemeinen höflich entgegenzukommen.
Als wir nun wieder einmal auf die Tierdressur zu sprechen kamen, als eine ganze Bande solcher nackter afrikanischer Hunde auf einen Händeklatsch sich gleichzeitig in der Luft überschlug, da konnte sich Blodwen nicht mehr bezähmen.
»Ach, bitte, bitte, mein liebstes Karlemännchen, verraten Sie mir doch, wie Sie das machen, daß so ein Hund einen Salto mortale schlägt,« schmeichelte ste.
In der Tat, das hätte auch ich zu gern gewußt. Mir war ganz unbegreiflich, wie man das einem Hunde beibringen kann.
Und Karlemann hatte gerade seinen galanten Tag.
»Na, weil Sie der Schatz von meinem Freunde sind – und wir wollen doch auch Kumpe machen – und später vielleicht noch mehr, als Sie jetzt denken – da kommen Sie mal mit.«
Er führte uns in einen unter der Decke ausgemeißelten Raum, den wir ja außer zu den Dressierstunden sonst auch betreten durften. Der Raum war rund ausgemeißelt, an den Wänden waren einige Haken und Ringe und Ketten einzementiert, sonst nichts weiter.
Karlemann entfernte sich noch einmal, kam mit einem afrikanischen Hunde zurück. Man dürfte solche afrikanische Hunde schon in zoologischen Gärten gesehen haben. Sie sind so groß wie ein Schakal, oder wie ein Wolfshund, und das Charakteristische an ihnen ist, daß ihr helles Fell mit so kurzen Haaren besetzt ist, daß sie ganz nackt aussehen – oder sie haben überhaupt gar keine Haare, wie der chinesische, der aber viel kleiner ist.
Es ist die einzige Hunderasse, die im tropischen Afrika aushält, hier überhaupt heimisch ist. Denn sonst geht jeder andere Hund in diesen Gegenden Afrikas bald zugrunde. Hauptsächlich stirbt er an einem Eingeweidewurm, der gerade im Innern dieses afrikanischen Hundes, arabisch Ranir genannt, sein Dasein fristet und von diesem ausgezeichnet vertragen wird, wohl mit zu seinen Lebensbedingungen gehört. Ebenso ist es ja auch mit den Pferden. Im Innern Afrikas geht jedes europäische Pferd in Bälde zugrunde, ebenfalls an Würmern, erzeugt durch die Tsetsefliege, der nur das Zebra, das man ebenfalls als afrikanisches Pferd bezeichnen kann, widersteht, und dann eine besondere, einheimische Rasse.
Benutzt wird der Ranir von den Negern nur zur Bewachung des Dorfes, führt aber ein halb wildes Leben, ist zu gar nichts abzurichten, am wenigsten zur Jagd.
»Er kann schon verschiedene Kunststückchen, über den Stock springen und anderes, auch schon apportieren, aber Saltos schlagen noch nicht. Passen Sie auf, wie ich das mache.«
Ein Neger brachte zwei lange Gurte aus Segeltuch. Diese wurden hüben und drüben an der Wand befestigt, übereinander, und der Hund selbst zwischen den beiden straffgespannen Gurten, so daß er auf den Beinen stand, sich aber sonst nicht bewegen konnte. Die Gurte selbst waren an beiden Seiten in Scharnieren drehbar.
»Hoppla!« rief Karlemann, klatschte dabei in die Hände, der Neger drehte schnell die Gurte herum, und ganz unfreiwillig mußte der Hund einen Salto mortale rückwärts schlagen, wofür er ein Stück Zucker bekam.
Hoppla – wieder herum – und so immer weiter, und dazwischen immer Lob und Zucker.
Jetzt war es mir begreiflich. Einfach genug – wenn man es weiß! Zuletzt würde der Hund nur noch ein Händeklatschen zu hören brauchen, und sofort würde er sich rückwärts