Von Zayton aus verließ Polo das Reich der Mitte. Die Namen King-sze und Zayton, Zipangu und Manzi behielten Jahrhunderte lang ihren zauberisch lockenden Klang für die handeltreibenden Völker des Abendlandes. Nachdem man für das Gefolge der Prinzessin, welche nach Persien geleitet werden sollte, im Hafen von Zayton 13 Schiffe, jedes mit vier Masten, ausgerüstet und auf zwei Jahre mit Lebensmitteln versehen hatte, stach man im Anfang des Jahres 1292 in See. Nach einer Fahrt von angeblich 1500 Meilen kam die Ostküste von Hinterindien in Sicht, dort lag das seit 1278 dem Großkaan tributäre Königreich Tschampa (Cyamba) zwischen Tongking und Cambodja. Bei den Arabern hieß es Sanf, und durch das Meer von Sanf führt nordwärts der Seeweg nach China. Um die altberühmte, den Seefahrern bekannte Landmarke der jetzt französischen Inselgruppe Pulo Condor bog der Weg westwärts nach dem an Elephanten, Gold und Farbholz reichen Locac (Siam) ab. Eigentlich bestanden zwei Königreiche dort, von denen das nördliche eigentliche Siam bei den Chinesen Sien-lo, das andere, näher der See gelegene Lo-hoh hieß. Nach der bei Polo mehrfach vorkommenden Vertauschung von h mit c oder k, wurde aus Lo-hoh Lokok und Lococ (d. h. das Königreich Lo). Bei der weiteren Küstenfahrt gewann die Gesandtschaftsflotte bei der Insel Pentam (Bintang, östl. v. Singapur) das Südende Asiens, „wo alle Wälder aus wohlriechendem Holze“ bestehen, und steuerte nun nach Sumatra. Polo nennt hier einen Staat Malaiur; nach der Deutung H. Yules haben wir darin Palembang auf Sumatra zu erkennen, welches auch im 16. Jahrhundert noch bei den Malaien unter dem Namen Malayo bekannt war. Die ganze Insel nennt unser Gewährsmann Klein-Java. An den gewürzreichen Gestaden dieser großen Insel wurde die Expedition längere Zeit aufgehalten, so daß sich Gelegenheit bot, die sechs Königreiche in dem nördlichen Theil der Insel zu besuchen. Eines darunter trägt den Namen Samara, vermuthlich Samatra (Sumatra). Um zu zeigen, wie weit die Gebiete nach Süden gelegen sind, fügt Polo hinzu, daß man hier den Polarstern oder die Sterne des Maestro (großer Bär?) kaum noch zu sehen vermöge. In einem andern Königreiche Fanfur, woher der beste Kampfer stammte, lernte er auch das wohlschmeckende Mehl der Sagopalme kennen. Durch die Malakastraße steuerte das Geschwader nordwestlich zu den von wilden schwarzen Menschen bewohnten Inseln Necuveran (Nikobaren) und Angamanain (Andamanen), deren Bewohner Hundsköpfe haben. Das stupide, prognathe Gesicht jener Negrito ist schon frühzeitig den Abendländern aufgefallen, bereits der Grieche Ktesias spricht davon.
Von da segelte man mit südwestlichem Cours nach der durch ihre Edelsteine und Perlen berühmten Insel Seilan (Ceylon), aus deren Mitte sich über dem Waldlande die Felsenspitze des Adamspik als ein vielbesuchter Walfahrtsort erhob. Von da setzte man nach der Ostküste Vorderindiens über, wahrscheinlich nach Tandschur. Der ganze Landstrich hieß damals bei den Arabern Maabar oder Mabar, d. h. Ueberfahrt, (nämlich nach Ceylon); jetzt trägt die Küste den Namen Koromandel. Hier begegnen wir in der Gegend von Madras auch der sehr alten Ueberlieferung, daß der Apostel Thomas in Indien gepredigt habe und daß durch ihn die Gemeinde der Thomaschristen begründet sei. Dann wurde die zu jener Zeit blühende, jetzt verödete und zu einem Dorf herabgesunkene Handelsstadt Kail (bei Nicolo Conti im 15. Jahrhundert Kahila) besucht. Dieser Hafenplatz lag nahe der Mündung des Tamraparniflusses im District Tinnevelly. Die Südspitze Indiens bildete das Land Comari.[39] Im Reiche Melibar (Malabar) auf der Westküste, die besonders durch den Reichthum von Pfeffer und Ingwer gesegnet ist, war man schon bedeutend wieder nordwärts gerückt, „denn der Polarstern erhebt sich schon zwei Ellen über dem Wasser“. In Gozurat (Guzerat) steht er bereits sechs Ellen hoch. So wurde also eine Umfahrt fast um die ganze indische Halbinsel ausgeführt, ehe man an der öden Küste von Mekran entlang nach Ormuz steuerte. Bevor Polo das Schiff verläßt, wirft er noch einen Blick über die westlichen Regionen und Gestade des indischen Oceans. Hier beruhen seine Mittheilungen nur auf Erkundigungen und enthalten daher manches Irrige oder Falschverstandene. Bemerkenswerth sind seine Angaben über die Christen aus Socotra, welche bereits im 6. Jahrhundert dem Indienfahrer Kosmos bekannt waren, und sogar nach den Angaben des Carmelitermönches Vincenzo noch im 17. Jahrhundert existirt haben sollen. Auch die Insel Sansibar (Zanzhibar) tritt in den Gesichtskreis. Von allen Reisenden zuerst nannte Polo auch die große Insel Madagascar; da er sie aber irrthümlich von Elephanten und Kamelen belebt sein läßt, so liegt die Vermuthung nahe, daß er Nachrichten aus Magadascho auf der Ostküste Afrikas mit Berichten aus Madagascar zusammengeworfen habe.
Weiter südlich über jene Insel hinaus aber kann man nicht ohne Gefahr in den Ocean vordringen, weil eine gewaltige Strömung die Fahrzeuge unwiderbringlich nach Süden reißt. Und wenn uns von 12,700 Inseln erzählt wird, welche im indischen Meere liegen sollen, so werden wohl die Korallen-Ringe der Lakkediven, d. h. 100,000 Inseln und der Titel des Sultans der Malediven, der sich Herr der 12,000 Inseln nannte, dabei besondere Berücksichtigung gefunden haben.
Erst im Jahre 1294 kam die bedeutend an Mitgliederzahl zusammengeschmolzene Gesandschaft nach Persien, denn ein großer Theil des ursprünglich aus 600 Personen bestehenden Gefolges war während der Reise gestorben. Auch Argunchan, dem die Braut bestimmt war, war inzwischen (am 10. März 1291) aus dem Leben geschieden. Ihm war sein Bruder Kaichatu (Kiacatu) in der Herrschaft gefolgt; dessen Sohn, Gasan (Casan), trat an die Stelle seines verstorbenen Ohms und heiratete die Braut. Kaichatu selbst aber empfing die Poli in fürstlicher Weise und gab ihnen auf ihrer Weiterreise die umfassendsten Geleitsbriefe mit, so daß sie in unsicheren Gegenden zuweilen unter dem Schutze von 200 bewaffneten Reitern dem Abendlande zueilten. Von Persien aus schlugen sie über Bagdad den nördlichen Weg ein über das armenische Hochland nach Trapezunt und gelangten von da zu Schiff über Konstantinopel und Negroponte im Jahre 1295, nach 25jähriger Abwesenheit wieder in ihre Vaterstadt Venedig.
Fassen wir noch einmal die Resultate dieser epochemachenden Reise zusammen,[40] so war Marco Polo der erste Reisende, welcher ganz Asien der Länge nach durchzog und die einzelnen Länder beschrieb. Er sah die Wüsten Persiens und die grünen Hochflächen und wilden Schluchten Badachschans, die Jade-führenden Flüsse Ost-Turkistans und die Steppen der Mongolei, die glänzende Hofhaltung in Cambalu und das Volksgewimmel in China. Er erzählte von Japan mit seinen goldbedeckten Palästen, von Birma mit seinen goldenen Pagoden, schildert zuerst die paradiesischen Eilandfluren der Sundawelt mit ihren aromatischen Gewürzen, das ferne Java und Sumatra mit seinen vielen Königreichen, mit seinen geschätzten Erzeugnissen und seinen Menschenfressern; er sah Ceylon mit seinen heiligen Bergen, besuchte viele Häfen Indiens und lernte dieses im Abendlande noch immer von Sagen verhüllte Land in seiner Größe und seinem Reichthum kennen. Er gab zuerst im Mittelalter einen klaren Bericht von dem christlichen Reiche in Abessinien und drang mit seinem Blick einerseits bis nach Madagascar vor, andererseits zog er im Innern Asiens Erkundigungen über den höchsten Norden, über Sibirien ein, über das Land der Finsterniß, wo weder Sonne noch Mond noch Sterne scheinen und ein ewiges Zwielicht herrscht, wo man auf Hundeschlitten fährt oder auf Renthieren reitet, ein Land, hinter welchem endlich ein eisiger Ocean sich ausdehnt.
Wissenschaftliche Bildung besaß Polo nicht. Er wundert sich darüber, daß Sumatra so weit im Süden liegt, daß der Polarstern aus dem Gesicht verschwindet und die Inseln im Eismeer auf der andern Seite so weit im hohen Norden sich befinden, daß man den Polarstern hinter sich läßt. Die Himmelsgegenden, nach denen der Weg führte, oder wohin Länder ihrer Lage nach angegeben werden, sind oft falsch bestimmt, seine Wegelängen erscheinen vielfach übertrieben.
Vor allem aber ist zu beklagen, daß er nicht Chinesisch verstand, obwohl er so lange im Lande weilte und sogar officiell mit dem Volke verkehren mußte. Daher die falschen Uebersetzungen und Erklärungen chinesischer Namen, wie wenn er King-sze als Stadt des Himmels deutet; daher auch die Verstümmelung der Ortsnamen und seltsame Schreibweise derselben. Zwar berichtet er über mancherlei interessante Einrichtungen im Lande, von den wohlgepflegten, mit Bäumen bepflanzten Heerstraßen, den Posten und Läufern, den zur Bequemlichkeit der Reisenden an der Straße errichteten Gasthäusern und der polizeilichen Beaufsichtigung des Fremdenverkehrs in den großen Städten. Er erwähnt zwar die Einrichtung von Kornmagazinen, den Gebrauch der Steinkohlen, die weitverbreitete Anwendung des Papiergeldes; aber andere wesentliche Eigenthümlichkeiten und Erfindungen bleiben unbeachtet und nach dieser Richtung erscheint das Werk lückenhaft. Wir vermissen Mittheilungen