Ursprünglich war der Bericht, noch nicht in Bücher und Capitel abgetheilt, in altfranzösischer Sprache niedergeschrieben, wie man dies aus der grade hier am meisten bewahrten Naivität der Erzählung mit ihrer stereotypen Redeweise und ihrer Unbehilflichkeit im Ausdruck, aber auch aus der hier annähernd correctesten Schreibweise der Eigennamen erkannt hat. Dann wurde das Werk ins Lateinische, Italienische übersetzt und überarbeitet.
Trotzdem hat sein Bericht nicht plötzlich gewirkt. Seine Zeitgenossen Dante und Sanudo erwähnen ihn noch nicht; wohl aber citirt ihn sein persönlicher Freund Pietro di Abano (geb. 1250 in Abano bei Padua, gest. 1316). Den ersten Einfluß auf die Ländergemälde verspürt man in der catalanischen Karte von 1375, wo Vorder-Indien als Halbinsel sich aus den von Ptolemäus gezogenen engen Schranken loslöst und manche Landschaften Indiens und Südchinas ganz richtig gezeichnet sind.
Lith. Kunst-Anst. v. Aug. Kürth, Leipzig
G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin
CHINESISCHES PAPIERGELD AUS DER MING-DYNASTIE (1368–1645).
Facsimile Reproduction in ¼ der natürl. Größe (Original in Paris).
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GRÖSSERE BILDANSICHT
Die erste deutsche Uebersetzung erschien 1477 unter dem Titel: „Das ist der edel Ritter Marcho Polo von Venedig der große Landfahrer, der uns beschreibt die großen Wunder der Welt, die er selbr gesehenn hat. Von dem auffgang pis zu dem undergang der sunnen, dergleychen vor nicht meer gehort seyn. Diß hat gedruckt Friczs Creüßner zu Nurmberg nach cristi gepurdt 1477.“ Im 15. und 16. Jahrhundert wurde Polo’s Bericht von den Kartographen in ausgiebiger Weise gebraucht und auch misbraucht, indem man oft in unkritischer Methode seine Länder und Städte über die Erdräume vertheilte. Trotzdem bildete es das wichtigste Fundament für die Kenntniß des östlichen und südlichen Asien, bis seine unbestimmten Angaben durch bessere, auf mühsamen Landreisen gewonnene Resultate ersetzt werden konnten. Das schönste von allen Resultaten, meint Libri,[41] welches dem Einfluß Polo’s zu danken, sei dieses, daß Columbus durch seine Schilderungen zur Entdeckung der neuen Welt angeregt worden, und daß er, eifersüchtig auf Polo’s Ruhm, es für seine Lebensaufgabe gehalten, Zipangu zu erreichen, von dem der Italiener solche Wunderdinge berichtet habe.
Allein H. Yule (a. a. O. I, 103) bemerkt mit Recht dagegen, daß Columbus die Berichte Polo’s nur aus zweiter Hand kenne und zwar aus einem Briefe Toscanelli’s. Polo’s Namen nennt der Entdecker der neuen Welt nicht. Seine feste Ueberzeugung von der Schmalheit des westlichen Oceans leitet sich nicht aus der Berechnung der Entfernungen asiatischer Länderräume nach Polo’s Angaben her, wonach Ostasien bis weit in den großen Ocean hinein sich erstrecken müßte, sondern stammt von seinem beliebten Gewährsmann, dem Cardinal d’Ailly, welcher seinerseits sich wieder auf Roger Bacon berief.
Ob sich Karten, von Polo’s Hand entworfen, noch länger erhalten, bleibt zweifelhaft. Doch wird erzählt, daß der Prinz Pedro von Portugal 1426 von der venetianischen Signoria eine Karte erhielt, welche entweder ein Original oder eine Copie von einer durch Polo selbst gefertigten Karte gewesen sein soll.
5. Die späteren Missionsreisen und Handelszüge.
Polo hatte in Asien eine Reihe von Nachfolgern, namentlich glaubenseifrige Mönche, welche zwar nicht so umfassende Reisen wie der venetianische Kaufmann machten, aber doch manche Ergänzungen seines Berichtes brachten und namentlich dazu beitrugen, daß noch längere Zeit das Interesse für die östliche Welt lebhaft erregt blieb.
Der erste unter diesen Missionaren war der Franziskaner Johann von Montecorvino in Süditalien, geb. 1247, gest. um 1328. Derselbe befand sich zu gleicher Zeit mit den Poli in Asien. Im Jahre 1289 vom Pabste entsendet, ging er in Begleitung des Kaufmanns Petrus de Lucalongo nach Persien und weiter nach Indien, hielt sich dort bei den Thomaschristen längere Zeit auf und konnte über Land und Leute manches neue erzählen. Seine Erlebnisse und Beobachtungen sind in einem Briefe niedergelegt, welchen er von Maabar in Ober-Indien 1292 oder 1293 nach dem Abendlande sendete. Indien heißt bei ihm Maebar. Die Bewohner der dekhanischen Halbinsel sind eigentlich nicht schwarz, sondern olivenfarben und von schöner Gestalt. Ihre tägliche Nahrung besteht in Reis und Milch; Brot und Wein kennen sie nicht. Unter den Produkten werden Pfeffer, Ingwer und Bersi (Brasilholz) besonders erwähnt. Montecorvino ist der erste abendländische Reisende, welcher Zimmt als ein wichtiges Erzeugniß Ceylons nennt. Auch kennt er die eigenthümliche Schrift auf Palmblätter. Die jahreszeitlichen Winde (die Monsune) regeln die Schifffahrt, auch die Regen sind an bestimmte Zeiten gebunden. Südlich vom indischen Meere gibt es kein Festland mehr, sondern nur Inseln, und zwar mehr als 12000,[42] von denen aber ein Theil unbewohnt ist.
Von Indien wandte sich Montecorvino nach China an den Hof Kublais; diesen Fürsten, den Gönner Polo’s, fand er aber nicht mehr unter den Lebenden. Kublai starb 1294.
Von Cambalu aus, wo 1305 eine Kirche gebaut und ein Kloster gegründet wurde und wo der Franziskaner das Oberhaupt der christlichen Gemeinde, im Range eines Erzbischofs[43] wurde, schrieb er noch zwei Briefe in die Heimat, im Januar 1305 und im Februar 1306. Ein dritter Brief, oder eigentlich der Schluß des zweiten Briefes, ist später von Menentillus von Spoleto mitgetheilt, woraus man früher die irrthümliche Folgerung zog, daß Menentillus selbst in China geweilt habe. Montecorvino scheint der erste und auch der letzte Erzbischof von Cambalu gewesen zu sein.[44]
Zwischen 1316 und 1318 folgte seinen Spuren ein anderer Ordensbruder Odorich von Pordenone in Friaul. Er nahm seinen Weg über Konstantinopel, Trapezunt und Armenien nach Tebris, wo zwischen 1284 und 1291 bereits ein Pisaner Kaufmann, Jolus oder Ozolus ansässig gewesen war. Ueber Sultanieh und Kaschan ging er nach Jesd. Auf Kreuz- und Querzügen, abseits von dem gewöhnlichen Karawanenwege, scheint er an den persischen Golf gekommen zu sein. Er schildert die beweglichen Sandmassen der Wüsten im Innern Persiens, rühmt die ausgezeichneten Feigen und grünen Trauben von Jesd, besuchte die öden Palasttrümmer von Comerum (wahrscheinlich Persepolis) und ging über Schiras ins Tigristhal hinab nach Bagdad. Am babylonischen Thurme vorbei gelangte er ans persische Meer und nach Ormuz, stieg hier zu Schiff und fuhr auf einem gebrechlichen Fahrzeuge, dessen Planken ohne Eisennägel nur durch Kokosfäden zusammengenäht waren, ähnlich wie es Polo und Montecorvino bereits beschrieben hatten, in 28 Tagen nach Tana auf Salsette nördlich von Bombay und von da nach Malabar (Minibar), wo der beste Pfeffer gedeiht. Dort blühten damals die Plätze Flandrina (Pandarani), eine jetzt verschwundene Stadt, nördlich von Kalikut, und Cyngilin, d. i. Kranganor, südlich von Kalikut, damals der Sitz einer der ältesten Dynastien in Malabar.[45] Um die Südspitze Vorder-Indiens herum ging die Fahrt weiter nach Mobar (Koromandel), wo nach der Ansicht Odorichs der Leib des heiligen Thomas begraben liegt. Auch Ceylon wurde besucht, wo es Vögel mit 2 Köpfen (Tukan) gibt, und von hier auch Mailapur (Madras) erreicht. Eine Seereise von 50 Tagen brachte unsern Glaubensboten an den Nicobaren (Nicoveran) vorbei nach Lamori, einem Reiche von Sumatra.[46] Wegen der Hitze gehen die Einwohner nackt, es herrscht bei ihnen Weibergemeinschaft, wie auch auf der Insel Pagi oder Pagai westlich von Sumatra, und Landcommunismus, auch sind sie dem Canibalismus ergeben. Das Gebiet bringt Gold, Kampfer, Aloeholz, Reis und Weizen hervor. Weiter gegen Süden liegt das Reich Sumoltra. Hier begegnen wir zum ersten Male unverkennbar dem heutigen Namen der Insel, welcher von dem Königreiche auf das ganze Eiland übertragen ist. Nachdem Odorich noch verschiedene Häfen besucht hatte, wandte er sich nach der reichen Insel Java, welche nach seiner Vorstellung, eine arge Uebertreibung — gut 3000 Meilen Umfang hat. An Produkten lieferte diese zweitschönste