VERRÄTER (Extreme 2). Chris Ryan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Chris Ryan
Издательство: Bookwire
Серия: Extreme
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352704
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Habe meinen Abschluss in Philosophie, Politikwissenschaften und Wirtschaftslehre mit Auszeichnung gemacht.«

      »Shit«, sagte Bald. »Sie sind also eine von denen.«

      Antonia warf Bald einen Blick zu, der sich auch durch Blei hätte bohren können. »Wie bitte?«

      »Wie viele Sprachen sprechen Sie?«

      »Vier. Fünf, wenn Sie meine bescheidenen Kenntnisse in Mandarin mitzählen wollen.«

      Bald nickte, als hätte sie die richtige Antwort gegeben. »Und wo sind Sie aufgewachsen?«

      »Harpenden, in Hertfordshire.«

      »Und womit hat Ihr alter Herr seine Brötchen verdient?«

      »Daddy war Professor für Verteidigungsstudien am King's College in London. Er war ein sehr wichtiger Mann.«

      »Genau«, grunzte Bald. »Genau wie ich sagte. Eine von denen.«

      »Von denen

      »Eine von den vornehmen Fotzen, die mit einem silbernen Löffel im Arsch durchs Leben rauschen.« Er dachte, er würde sie ein wenig herausfordern. »Ich wette, Sie mussten sich in Ihrem Leben noch nie etwas erarbeiten.«

      Antonia wurde rot und verfiel in ein frostiges Schweigen, während ihr Wagen um den Zócalo Square herumkroch, dem pulsierenden Herzstück von Mexiko City. Bald kannte den Platz noch von seinem ersten Aufenthalt hier. Den Platz selbst, so groß wie zwei Fußballfelder, die riesigen barocken Gebäude, die ihn umschlossen, und die Protestanten, die hier kampierten, umringt von schießwütigen Cops. Schließlich antwortete Antonia so professionell und kalt wie nur möglich: »Daniel sagte, dass Sie heute Nacht über die Grenze müssen, und zwar illegal.«

      Bald nickte. »Wie schwer wird das sein?«

      »Täglich versuchen es Tausende.« Antonia drückte auf die Hupe. Die Fußgänger schienen beinahe ewig zu brauchen, um die Straße zu überqueren. »Aber nur eine Handvoll von ihnen schafft es hinüber.«

      »Und die anderen?«

      »Wenn sie Glück haben, werden sie geschnappt.«

      »Und wenn sie Pech haben?«

      »Werden sie erschossen.«

      »Man fragt sich, warum sie es dann überhaupt erst versuchen. Das Leben hier scheint nicht so übel zu sein.« Bald musterte die Menschenmassen. Die Frauen waren nicht gerade der Kracher. Die Hälfte von ihnen ließ sich wohlwollend als birnenförmig beschreiben. Viele der Männer trugen Shirts von Manchester United, mit dem Wort ›Chicarito‹ auf dem Rücken. Das Gesicht jenes Fußballers strahlte einen auch von mehreren Werbetafeln aus an.

      »Früher kam man leicht hinüber«, sagte Antonia. »Aber jetzt gibt es diese Redneck-Banden an den Grenzen. Sie kennen die Sorte sicher. Die gehen nachts auf Patrouille und schießen auf jeden, der versucht, ins Land zu kommen. Das ist Mord, aber die US-Regierung sieht in der Sache gern weg.«

      »Wieso?«

      »Illegale Einwanderung ist gerade ein heißes Eisen in Amerika. Hier unten wollen die Leute nur ein besseres Leben haben und etwas Geld nach Hause schicken.«

      »Seltsam.«

      »Was?«

      »Das Sie auf der einen Seite so piekfein sind, dass es einem fast peinlich ist, und Ihnen trotzdem der Pöbel leidtut. Woher kommt das?«

      »Vielleicht daher, dass ich mich zu oft mit schottischen Soldaten mit Komplexen abgeben musste.«

      »Autsch«, quiekte Bald.

      »Aber glauben Sie mir, die Rednecks bringen Sie um, wenn sie Sie dabei erwischen, wie Sie die Linie überqueren.«

      Sie ließen den Zócalo Square hinter sich und fuhren die Avenue 5 de Mayo hinab. Kinder, kaum älter als fünf Jahre, verhökerten Zigaretten und Nachos.

      »Es gibt da einen Mann, in einer Stadt etwa hundert Meilen nördlich von hier. Sein Name ist Nelson.«

      »Wer ist das?«

      »Das ist der Typ, der Sie über die Grenze schmuggeln wird.«

      Bald zog eine kleine Flasche Jim Beam hervor, die er in der Gulfstream hatte mitgehen lassen. Er schraubte die Kappe ab und ließ sich den Bourbon in den Mund laufen. Er schmeckte nach Honig, und hölzern. Bald wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und ignorierte Antonias ungläubigen Blick.

      »Wann treffen wir Mr. Nelson?«, fragte Bald.

      »Um drei Uhr heute Nachmittag.«

      »Großartig. Das heißt, wir haben noch Zeit für einen Drink.«

      Sie hatten die schäbige Durchgangsstraße passiert und bewegten sich nun nach Süden, nach Ayuntamiento. Eine stickige, trostlose Gegend. Am Straßenrand befanden sich heruntergekommene Häuser, bei denen nicht selten die Seitenwände fehlten, so wie bei Puppenhäusern, wo die aufklappbare Fassade offen stand. Bald konnte direkt in die Häuser blicken und sah einer dicklichen Frau beim Saubermachen zu. Alte Männer kämpften sich müde die Betontreppen hinauf. Zwanzig Yards von dem Nissan entfernt, auf der anderen Straßenseite, erspähte Bald eine Bar.

      »Fahren Sie hier ran«, sagte er.

      Antonia sah hinüber, dann verzog sie ihr Gesicht. »Was ist das denn?«

      Bald prustete los. »Sie leben seit drei verdammten Jahren in Mexiko City und wissen nicht, was eine Pulquería ist? Gott, was machen Sie hier so, wenn Sie Spaß haben wollen?«

      Antonia zuckte mit den Achseln. »Ich bin nicht zimperlich. Und auch nicht vornehm. Aber ich habe Geschmack – der Ihnen ganz offensichtlich fehlt.«

      Guter Gott, dachte Bald. Die Tusse war so prüde, dass eine Grundschullehrerin dagegen wie Frankie Boyle aussah.

      »Begleiten Sie mich auf einen Drink«, sagte er und schnallte sich ab. »Wer weiß, vielleicht mögen Sie es ja ein wenig rauer.«

      Eine gefühlte Ewigkeit lang dachte sie darüber nach. Dann sagte sie: »Aber nur einen.«

      Sie stiegen aus dem Wagen. Es stank nach Mais und Körperausdünstungen. Ein streunender Hund pisste enthusiastisch an ein rostiges Metallgeländer. Plötzlich trat ein Bettler Bald in den Weg. Der Typ hatte ein Gesicht wie aus verrottendem Hackfleisch und einen Stumpf anstelle des rechten Arms. Er sah aus wie die lahme spanische Ausführung von Joe Gardner und machte ein paar Geräusche. Mit einem simplen »Verzieh dich« scheuchte Bald ihn davon.

      Er führte Antonia durch die Schwingtüren der Pulquería. Er starrte auf ihren Hintern und stellte sich vor, wie er sie in ihrem Schlafzimmer rammelte, während ihre Eltern am Esstisch saßen, Lachs aßen und Weißwein tranken. Ihr alter Herr versuchte sein Bestes, ihre ekstatischen Schreie zu überhören, während Bald seine geliebte Tochter in den Arsch fickte.

      Aber dann riss Bald etwas aus seinen Tagträumen. Der Bettler war etwa dreißig Yards weiter die Straße hinab stehengeblieben. Drückte sich dort herum. Und starrte zu ihm zurück.

      Kapitel 11

       08:38 Uhr

      In der Bar hatte es mindestens eine Million Grad, und es stank schlimmer als in den Umkleiden von Balds Fitnessstudio. Irgendeine beschissene einheimische Musik dudelte vor sich hin. Jede Menge Banjos und Geplärre. Leuchtend bunte Malereien überzogen die Wände wie Graffiti. Beinahe rechnete Bald damit, dass sich das Dutzend Einheimischer an der Bar gleichzeitig zu ihm umdrehte und die Waffen zog, wie im Western. Aber das taten sie nicht. Sie rauchten unablässig ihre Marlboro Reds, ließen sich mehr Pulque bringen und kümmerten sich um ihren eigenen Dreck.

      Bald hielt auf einen Tisch in der Nähe der Bar zu. Er bedeutete dem schläfrigen Barkeeper, dass er ihm zwei Gläser Pulque bringen sollte, und zog sich einen Stuhl heran. Antonia blieb hinter ihrem stehen, so als wartete sie darauf, dass Bald ihr den Stuhl anbot. Aber so war er nicht programmiert.