VERRÄTER (Extreme 2). Chris Ryan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Chris Ryan
Издательство: Bookwire
Серия: Extreme
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958352704
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buchstabieren muss.«

      »Und das wäre?«

      Die Motoren des Jets heulten auf, dann ging das Geräusch in ein Brummen über. Cave musste brüllen, um über das Motorengeräusch hinweg gehört zu werden. »Die Stewardess ist für Sie tabu. Sie arbeitet für die Agency.«

      Dann sauste er die Treppe hinunter. Seine Herrenschuhe klapperten auf den Metallstufen. Er eilte zu dem Lexus, während seine Jacke und seine Krawatte wild hinter ihm her flatterten.

      Die Stewardess schloss die Tür.

      Bald war eingeschlossen.

      Kapitel 10

       Mexiko Stadt, Mexiko, 07:37 Uhr

      Der Grenzbeamte mit dem Schnäuzer roch den Alkohol in Balds Atem und nickte anerkennend. Mexiko, dachte Bald. Außer Schottland wahrscheinlich das einzige Land auf der Welt, wo man meine Trinkgewohnheiten zu würdigen weiß. Der Beamte stempelte Balds Pass ab – der ihn als James Grant, geboren in Belfast auswies – winkte ihn hindurch und zeigte ihm den Weg zum nächsten Duty-free-Shop, wo er sich mit Tequila eindecken konnte. Bald widerstand der Versuchung, sich eine Flasche José Cuervo zu kaufen. Nach dem Flug war er ziemlich betrunken. Die Nur-ansehen-nicht-anfassen-Stewardess hatte ihn mit einem ständigen Strom von Heinekens versorgt, und als die Dosen ausgingen, war er zu den Flaschen übergegangen. Brandy, Bourbon, Wodka. Es gab nicht viel, das Bald während des elfstündigen Flugs nicht in sich hineingeschüttet hatte.

      Er folgte dem Schild mit der Aufschrift ›Llegadas‹, das er mit seinen spärlichen Spanischkenntnissen als ›Ankünfte‹ übersetzte. Bald kam kaum darüber hinweg, wie überrascht er von dem Flughafen war. Die meisten Flughäfen in Zentral- oder Südamerika neigten dazu, baufällig und eng zu sein, aber der Mexico City International war sauber, weiträumig und modern.

      Das war das Erste, was Bald auffiel. Das zweite war das Aufgebot an Cops. Beamte der Policia Federal, dem militärischen Ableger der mexikanischen Polizei, standen an jedem Ausgang Wache und patrouillierten in Dreier- oder Vierergruppen durch die Terminals. Sie trugen schwarze und blaue Uniformen mit Schutzhelmen, Knie- und Ellenbogenschützern, schwere Gürtel und taktische Westen mit Druckknöpfen. Jeder von ihnen war mit einem AR-15 Sturmgewehr bewaffnet. Ein paar von ihnen führten Deutsche Schäferhunde an einer Leine mit sich.

      Bald schob sich durch die Menschenmenge der Wartehalle und wagte sich hinaus ins Freie. Morgendlicher Smog. Er blinzelte zum Himmel hinauf, und die Hitze überschwemmte ihn. Sie fühlte sich schmierig und schwül an, und er kam sich vor, als würde er Liegestütze in einer Sauna machen. Er trottete zum Parkplatz und fand den Taxistand, wo eine Flotte von VW Pointers und Hyundai Atos um ihr Geschäft auf der dreispurigen Straße wetteiferten. Bald sah keine Warteschlange, nur ein paar pummelige Leute, von denen die meisten gut fünfzehn Zentimeter kleiner waren als er. Dann drängte sich eine vierköpfige Familie an ihm vorbei und in ein Taxi. Eine Hand drückte seinen Oberarm, und eine weibliche Stimme flüsterte ihm ins Ohr: »Sehen Sie mich nicht an. Verhalten Sie sich so, als würden Sie mich nicht kennen. Husten Sie zweimal, wenn Sie verstanden haben.«

      Bald tat, wie ihm geheißen. In der Scheibe der Beifahrertür eines geparkten Chevrolet C2 erhaschte er einen kurzen Blick auf die Spiegelung der Frau. Sie hatte schwarze, lockige Haare, und der Duft eines teuren Parfüms umwehte ihren Hals. Ihre Haut glänzte kupfern. Sie war also die Kontaktperson der Firma vor Ort. Von der Sorte hatten sie an jedem Ort der Welt eine. Jemand, der das Land und die Gepflogenheiten kannte. Einen ›Mark One Eyeball‹, wie das Regiment diese Leute nannte. Meistens waren die Kontaktleute quasi-pensionierte Beamtenschwachköpfe, die sich nachmittags mit Gin und Tonic besoffen und ihre Abende mit rassistischen Witzen verbrachten. Die Frau hinter ihm konnte von dieser Beschreibung nicht weiter entfernt sein.

      »Sie sind John, richtig?« Ihr Akzent war nasal, förmlich aber irgendwie charmant.

      Bald hustete wieder zweimal.

      »Hier entlang«, sagte sie.

      Die Frau lief schnurstracks zum Kurzzeitparkplatz. Bald folgte ihr mit vier Yards Abstand. Nach nur einem Blick auf sie lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Sie hatte einen Weltklassearsch, die Art von Hintern, die man in Internet-Foren fand. Wahrscheinlich der großartigste Hintern, den Bald je gesehen hatte. Hübsch verpackt in einer engen abgeriebenen Jeans schwang er vor ihm sanft wie ein Pendel hin und her. Eine Gruppe Taxifahrer stand rauchend vor einem Wagen und spielte Karten auf dem Dach. Als sie vorbeiging, unterbrachen sie ihr Spiel und zogen sie mit den Augen aus. Bald folgte ihr, wie sie sich ihren Weg durch das Labyrinth aus Wagen bahnte, bis sie an einem silbernen Nissan Sentra anhielt. Bald lächelte in sich hinein. In Europa konnte ein MI6-Agent vielleicht mit einem protzigen Wagen davonkommen. In Mexiko hingegen wollte man nicht auffallen. Tat man es doch, machte man sich damit nur zur Zielscheibe für Kidnapper. Aus dem Blickwinkel betrachtet war der Nissan eine gute Wahl. Die Frau sprang hinein, langte hinüber und öffnete die Beifahrertür.

      »Steigen Sie ein«, sagte sie leise.

      Bald quetschte sich auf den Vordersitz. Die Frau warf den Wagen an und verließ den Parkplatz. Der Flughafen lag ungewöhnlich dicht am Stadtzentrum, und nach ein paar hundert Yards wurde bereits das Heulen der Flugzeuge vom Verkehrslärm und den Straßenhändlern verschluckt. Palmen und schmucklose Appartementbauten rauschten an ihnen vorbei, nur hin und wieder von riesigen Werbetafeln unterbrochen, die für mexikanische Mobiltelefone oder Coca-Cola warben. Bald erinnerte sich daran, dass er mal irgendwo gelesen hatte, dass in Mexiko mehr Coke als irgendwo sonst auf der Welt konsumiert wurde.

      Schnell wurde er der Kulisse überdrüssig. Er drehte seinen Kopf zu der Frau und sagte: »Wissen Sie, es gibt einfachere Arten, einen Kerl abzuschleppen.«

      »Sind Sie das erste Mal in Mexiko City?«, antwortete sie.

      »Das zweite Mal. Vor vier Jahren war ich hier mit dem Regiment stationiert. Wir trainierten die Cops vor Ort für den Nahkampf, für das Stürmen von Gebäuden – der ganze Kram. Damals wurden sie von den Drogenkartellen so richtig in die Mangel genommen.«

      »Daran hat sich nicht viel geändert.« Sie scheuchte mit der Hand eine alte Frau davon, die an jedem Wagen hielt und billigen Schmuck verkaufte. »Das ganze Land ist gefangen in einem Krieg zwischen den Kartellen aus dem Golf, Zapoteca und Sinaloa. In den letzten zehn Jahren haben Vierzigtausend ihr Leben verloren, und die Zahl steigt jeden Tag weiter an. Seien Sie froh, dass Sie nur auf der Durchreise sind. Ich lebe hier jetzt schon seit dreieinhalb Jahren.«

      Die Straßen wurden schmaler, je weiter sie in die Stadt hineinfuhren. Die Bürgersteige waren mit Müll verziert.

      »Wie heißen Sie«, fragte Bald.

      »Das brauchen Sie nicht zu wissen.«

      »Kommen Sie schon. Fair ist fair. Schließlich kennen Sie meinen Namen.«

      Sie rollte mit den Augen. »Mein Gott, werden Sie erwachsen.« Für einen Moment hing ein unangenehmes Schweigen zwischen ihnen. Bald saß da und fragte sich, warum die Kontaktperson nur so humorlos sein musste. Dann fragte sie: »Sind Sie Schotte?«

      »Aus Dundee«, antwortete Bald.

      Die Frau rutschte in ihrem Sitz herum. »Kann nicht sagen, dass ich schon mal da gewesen bin.«

      »Macht nichts«, sagte Bald. »Es sei denn, Sie stehen auf Kneipenschlägereien.«

      Die Frau lachte höflich, aber ihre Anspannung ließ etwas nach.

      »Ich heiße Antonia. Daniel hat mir Ihre Akte gegeben«, sagte sie, und Bald entging nicht, dass sie Cave beim Vornamen nannte. »Ich weiß alles über Sie.«

      »Prima«, sagte Bald und sank noch tiefer in seinen Sitz. »Tja, über Sie weiß ich einen alten Scheiß.« Er bemerkte, wie ihre Mundwinkel zuckten, als er fluchte. Bald schätze, dass sie eine feine Erziehung genossen hatte, aber so richtig konnte er sie nicht einordnen. Sie sprach mit vornehmem englischen Akzent, aber ihre Haut sah aus wie die einer Mexikanerin. Er bohrte weiter: »Was ist Ihre Tarnung hier?«

      »Ich