Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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stand still. In wenigen Augenblicken hatten die jungen Leute ihn erreicht. Aus dem dunklen Schatten zur Seite des Weges trat ein Mann, ein Pferd am Zügel führend.

      »Gott sei Dank, daß Sie glücklich da sind, Herr von Wendenstein,« sagte der Tierarzt Hische, an den jungen Mann herantretend und ihm die Hand schüttelnd, »ich habe nicht wenig Angst ausgestanden, nun, da das Schlimmste überstanden ist – wird ja Gott weiter helfen.«

      »Jetzt schnell, schnell zu Pferde!« rief Herr Sonntag lebhaft drängend, »in den Halftern stecken zwei Doppelpistolen und hier,« – er zog zwei gefüllte Börsen hervor – »ist Gold, mit einer Tasche voll Gold und vier Schüssen kann man weit kommen. – Hier,« fuhr er fort, »noch einige Hände voll kleines Silbergeld, stecken Sie das in die Taschen, Sie werden es bedürfen, wo das Gold auffallen könnte. – Nun fort, suchen Sie das Meer oder die holländische Grenze zu erreichen, vor allem seien Sie bis zum Morgen irgendwo in vorläufiger Sicherheit, im dichten Walde oder bei einem Bauern, die verraten Sie nicht. Vor morgen früh wird Ihre Flucht nicht entdeckt, Sie haben acht bis neun Stunden, am Tage dürfen Sie nicht reisen, vorwärts, vorwärts!«

      Der junge Mann klopfte den Hals des Pferdes.

      »Das ist ja der ›Hamlet‹ von Eschenberg,« sagte er, »warum nicht mein Pferd?«

      »Welche Idee!« rief Herr Sonntag, »Ihr Pferd aus dem Stall holen, das hätte ja die ganze Polizei hinter uns hergezogen.«

      »Wenn es nötig ist,« sagte Herr Hische, »so opfern Sie das Pferd, aber,« fügte er hinzu, den Hals des schönen, unruhig scharrenden Tieres klopfend, »wenn es möglich ist, so erhalten Sie den braven ›Hamlet‹, geben Sie ihn irgendeinem Bauern, so wird er sicher zu seinem Herrn zurückgelangen.«

      »Seien Sie versichert,« sagte Herr von Wendenstein, »daß ich das Pferd so sehr schonen werde als möglich, meinen Dank an Eschenberg für diesen Freundschaftsdienst, und vor allem auch Ihnen meinen Dank, meine Herren!« Er drückte Sonntag und Hische die Hände.

      Dann wendete er sich zu Helene, welche stumm dastand, die Hände über der Brust gefaltet.

      »Lebe wohl, meine Geliebte!« sprach er mit tief bewegter Stimme.

      Helene breitete die Arme aus und umschlang ihn fest, das Haupt schluchzend an seine Brust gelehnt.

      »Du sangst mir einst – auf Wiedersehen,« sagte er, ihr Gesicht leise emporrichtend, »als ich zum Kriege auszog, und wenn auch nach schweren Leiden, so haben wir uns doch glücklich wiedergefunden.«

      »Auf Wiedersehen!« hauchte das junge Mädchen leise.

      »Fort, fort, um Gottes willen!« rief der kleine Sonntag.

      Herr von Wendenstein drückte sanft und innig einen Kuß auf Helenens Lippen. Dann löste er leise ihre Arme von seinen Schultern und sprang in den Sattel.

      Leicht grüßte er mit der Hand, das Pferd sprang an, und in scharfem Trabe dahinreitend, verschwand er in wenigen Sekunden in der Dunkelheit.

      »Gott schütze ihn!« lief Helene laut, dann brach sie in heftiges Schluchzen aus, die bange Aufregung machte nun dem tiefen Schmerze der Trennung Platz, sie brach kraftlos in sich zusammen.

      »Mut, Mut, mein Fräulein,« sagte der kleine Sonntag, ihr den Arm reichend, »fassen Sie sich, er ist ja zunächst über die größte Gefahr hinaus, fassen Sie sich wenigstens, bis wir Sie nach Hause gebracht haben!«

      Helene richtete sich auf und legte ihren Arm in den des Kaufmanns Sonntag.

      Schweigend gingen alle Drei zur Stadt zurück. [leer]

      Sechzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      In der Rue de Cambacérès, gegenüber dem hinteren Ausgang des Ministeriums des Innern, liegt ein kleines Haus von zwei Stockwerken, im Parterre ein Einfahrtstor nach dem Hofe.

      Ein kleiner Mann zwischen vierzig und fünfzig Jahren mit scharf geschnittenem Gesicht vom olivenfarbenen Teint der Südfranzosen, mit kleinem, schwarzem Schnurrbart und glänzenden, klugen Augen, näherte sich mit raschen Schlitten dem Tore und zog den an der Seite desselben befindlichen Glockenknopf.

      Schnell öffnete sich das Tor, der kleine Mann trat ein und fragte den öffnenden Concierge, indem er sich zu einer in den oberen Stock führenden Treppe wendete:

      »Der Herr Herzog ist zu Hause?«

      Auf die bejahende Antwort stieg der Eingetretene die mit einem dicken Teppich belegte Treppe hinauf und sagte dem in einem kleinen Vorplatz ihm entgegentretenden Kammerdiener:

      »Fragen Sie, ob der Herzog Herrn Escudier empfangen wolle.«

      Der Kammerdiener trat in die inneren Räume und öffnete einige Augenblicke darauf die Tür mit den Worten:

      »Treten Sie ein, mein Herr.«

      Herr Escudier, der intelligente und gewandte Redakteur des Journals »La France«, trat in einen kleinen, vollständig im Stil Louis XV. möblierten und ausgestatteten Salon, welcher mit den Vergoldungen seiner Möbel, mit seinen Pendulen, den alten Familienbildern an den Wänden, den bunten Teppichen, welche den Boden bedeckten und hier und da das zierlich gearbeitete Parkett sehen ließen, einen ebenso reichen als behaglichen Anblick darbot.

      Diese ganze elegante und altertümlich vornehme Ausstattung harmonierte vollständig mit der hohen, aristokratischen Gestalt und den seinen, altfranzösischen Zügen des Herzogs von Gramont, welcher, trotz der frühen Morgenstunde, völlig angekleidet Herrn Escudier entgegentrat.

      »Ich habe gehört, daß Sie hier sind, Herr Herzog,« sagte dieser, »und wollte nicht verfehlen, Ihnen sogleich meinen Besuch zu machen. Sie kommen aus Wien und einige Renseignements können Ihnen vielleicht nützlich sein, ich war im Hotel de Gramont,« fuhr er fort, »dort hat man mich hierher gewiesen.«

      Der Herzog deutete auf einen Sessel und sagte lächelnd umherblickend, indem er sich in einen weiten Faulem! niederließ:

      »Ich ziehe die behaglichen Räume dieses kleinen Hauses, das ich bewohnte, als ich noch Guiche war, dem großen, schallenden Palais im Faubourg Saint Germain vor, wenn ich allein in Paris bin, doch ich freue mich vor allem, Sie zu sehen, mein lieber Herr Escudier, wie steht es hier, was sagt die öffentliche Meinung – und die politische Welt? – Niemand kann über alles das so gut unterrichtet sein wie Sie,« fügte er mit leichtem Neigen des Kopfes hinzu.

      »Die politische Welt, Herr Herzog,« sagte Escudier, »ist in diesem Augenblick ein Chaos, in welchem die widerstreitendsten Elemente miteinander kämpfen – leider, leider,« fügte er seufzend hinzu, »denn niemals war ein Moment glücklicher gewählt als jetzt, um mit einem Schlage das Prestige wiederherzustellen, welches wir – wir mögen sagen was wir wollen – durch die Schlacht von Sadowa eingebüßt haben.«

      Der Herzog zuckte die Achseln.

      »Ich habe getan, was ich konnte, um damals eine andere Politik einschlagen zu lassen,« sagte er leichthin.

      »Gewiß, gewiß,« rief Herr Escudier, »aber was hilft der Rückblick in die Vergangenheit, wir müssen wiedergewinnen, was wir verloren haben!«

      »Nun, und was denkt der Kaiser?« fragte der Herzog im Konversationston, indem ein schneller Blick seines Auges forschend über die lebhaften Züge des kleinen Journalisten flog. – »Herr von Laguerronière Pflegt dafür ein seines Verständnis zu haben –«

      »Herr von Laguerroniere ist überzeugt,« rief Escudier, »daß der Kaiser eine ernste Aktion will und nur einen Anstoß bedarf, um über alle Hindernisse hinwegzugehen, mit welchem man ihn umringt.«

      »Man ihn umringt?« fragte der Herzog, »wer, ich glaubte, daß hier alles kriegerisch wäre.«

      »Durchaus nicht,« sagte Herr Escudier eifrig, »der Marquis de Moustier will den Krieg, ich bin davon fest überzeugt, er spricht sich ziemlich