Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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schmale Stange von poliertem Stahl aus der Tasche, schob sie vorsichtig in die feine Spalte der Schlußplatte, und indem er Zugleich einen gekrümmten Haken in das Schlüsselloch steckte, öffnete er mit einer leichten und geschickten Drehung das Schloß.

      Der alte Herr sah ihm ruhig zu.

      Der Beamte öffnete eine Schublade nach der andern. Es waren alle möglichen Gegenstände darin, wenig Papiere, einige Blätter mit flüchtigen Notizen. – Endlich zog der Beamte ein großes, versiegeltes Kuvert hervor. Rasch öffnete er dasselbe, und indem er mit geschickter und unabsichtlich erscheinender Wendung dem Oberamtmann den Rücken zukehrte, durchflog er schnell die Papiere, welche es enthielt. Er warf einige andere Blätter, Notizen, Rechnungen darauf. Dann wendete er sich, das ganze Paket in der Hand haltend, herum.

      »Ich muß alle Papiere, welche dieser Sekretär enthält, mitnehmen,« sagte er in dienstlichem Tone.

      »Sie werden nicht viel darin finden,« bemerkte der Oberamtmann mit ruhigem Lächeln.

      Der Kommissar erhob ein wenig die Decken der Tische, blickte darunter, öffnete den Ofen, kurz nahm eine vollständige, aber im ganzen nicht sehr eingehende Durchsuchung vor.

      Dann empfahl er sich höflich und verlieh das Haus mit eiligen Schlitten, dem Gebäude der Polizeidirektion zueilend.

      Vierzehntes Kapitel.

       Inhaltsverzeichnis

      Der Leutnant von Wendenstein war mit seinem Begleiter an dem Gebäude der Polizeidirektion in der Nähe des Waterlooplatzes angekommen. Er verließ den Wagen, man führte ihn über die große Vorhalle, wo eine Anzahl von Beamten fortwährend den Dienst hatte, auch standen hier zwei Militärposten, weiter die Treppe hinauf zu dem großen Zimmer, in welchem der Polizeidirektor Steinmann ihn erwartete.

      Herr Steinmann, früher Landrat in Thorn, war ein mittelgroßer, eleganter Mann von fünfunddreißig bis sechsunddreißig Jahren, sein feines, geistvolles Gesicht mit den lebendigen, schwarzen Augen und schwarzem, kurzem Haar und Bart bewegte sich in lebhaftem, ausdrucksvollem Mienenspiel und zeigte keine Spur von dem Ausdruck eines Bureaukraten. Sein Blick war frei und offen, seine Bewegungen hatten jene vornehme und ritterliche Leichtigkeit, welche den alten Korpsburschen meist durch das ganze Leben eigentümlich bleiben.

      Er erhob sich, als der Leutnant eintrat, von dem Stuhle hinter seinem großen, in der Mitte des Zimmers stehenden Schreibtisch und lud den jungen Mann ein, auf einem in der Nähe des Fensters stehenden Fauteuil Platz Zu nehmen, während er selbst sich ihm gegenüber niederließ.

      »Es tut mir leid, Herr von Wendenstein,« sagte er mit einem Tone, in welchem die Höflichkeit des Weltmannes sich mit der würdevollen Zurückhaltung des höheren Beamten verband, »daß ich Sie zu diesem Besuch habe veranlassen müssen, ich hätte gewünscht, baß wir uns bei einer angenehmeren Gelegenheit kennen gelernt hätten.« »Es sind Anzeigen über lebhafte erneute Agitationen an mich gelangt,« fuhr der Polizeidirektor fort, »und Ihr Name ist damit in Verbindung – in sehr wesentliche Verbindung gebracht, ich bin deshalb gezwungen, da diesen Agitationen durchaus ein Ende gemacht werden soll,« sagte er mit scharfer Betonung, »Sie in Sicherheit bringen zu lassen, vielleicht,« fügte er mit wohlwollendem Tone hinzu, »zu Ihrem eigenen Besten, ich wünschte dringend, alle diese Sachen im Keime ersticken zu können, bevor sie zu strafbaren Handlungen werden, gegen welche wir bei der jetzigen Lage der Dinge mit aller Schärfe der Gesetze einzuschreiten gezwungen sind. – Stehen Sie mit Hietzing und mit dem König Georg in Verbindung?« fragte er nach einer kurzen Pause, »und wissen Sie etwas von dem Plan einer Emigration von früheren hannöverischen Offizieren und Soldaten?«

      »Herr Direktor,« erwiderte der junge Mann ruhig, »ich beabsichtige mich zu verheiraten und auf dem Lande meine Häuslichkeit zu begründen, unter solchen Verhältnissen konspiriert man nicht, ich lebe ruhig im Hause meiner Eltern – und denke nicht daran, Hannover zu verlassen.«

      »Das ist keine direkte Antwort auf meine Frage,« sagte Herr Steinmann, »doch,« fuhr er fort, »ich habe als Polizeidirektor fragen müssen, als Gentleman habe ich eine Antwort nicht erwarten können. – Ich hoffe,« sagte er nach einem augenblicklichen Stillschweigen, »daß der gegen Sie erregte Verdacht sich nicht bestätigen werde, bei dem Ernst der Sache aber muß ich Sie einige Tage hier behalten. Großen Komfort kann ich Ihnen nicht bieten,« sagte er lächelnd, »indes können Sie sich alles kommen lassen, was Sie zu Ihrer Bequemlichkeit bedürfen, nur den Verkehr mit der Außenwelt bin ich gezwungen, zu beschränken, Sie können Briefe erhalten und schreiben, nur muß ich die Indiskretion begehen, sie zu lesen.«

      Herr von Wendenstein verneigte sich.

      »Hier habe ich,« fuhr der Polizeidirektor fort, »eine Anzahl von Fragen auf diesen Bogen Papier geschrieben, ich bitte Sie, sich an diesen Tisch zu setzen und dieselben zu beantworten, ich kann keine Denunziationen von Ihnen erwarten, indes je offener und klarer Sie sich aussprechen, um so schneller werde ich die Beschränkung Ihrer Freiheit beenden können, ich wiederhole, daß ich Schlimmes zu verhüten wünsche, aber niemand zu schaden, damit der tragische Konflikt, in welchem wir stehen, so wenig Opfer als möglich fordere.«

      Herr von Wendenstein setzte sich an einen Seitentisch und begann das ihm übergebene Blatt aufmerksam zu lesen, während der Polizeidirektor vor seinem Schreibtisch Platz nahm und sich mit seinen Akten beschäftigte, von Zeit zu Zeit einen scharfen, forschenden Blick auf den jungen Mann hinüberwerfend.

      »Wie schade,« flüsterte er vor sich hin, »um diese tüchtigen Leute, welche mit einem edlen Gefühl sich von einer verderblichen, zwecklosen und törichten Agitation mißbrauchen lassen, wie schwer ist es hier, die Strenge des Amtes zu üben, wo das Gefühl so oft sympathisch für die Gegner spricht!«

      Es mochte eine halbe Stunde vergangen sein – die Tür wurde geöffnet und in dienstlicher Haltung trat der Beamte ein, welcher zuerst in dem Zimmer des Oberamtmanns erschienen war.

      Er näherte sich seinem Chef und legte ein Paket Papiere vor ihn hin.

      »Alles beendet?« fragte Herr Steinmann.

      »Zu Befehl, Herr Direktor,« erwiderte der Kommissar, »hier die Ausbeute.«

      »Es ist gut – bleiben Sie im Vorzimmer.«

      Der Beamte entfernte sich.

      Herr Steinmann durchsah die ihm übergebenen Papiere. Er warf einige achselzuckend beiseite. Dann wurde der Ausdruck seines Gesichts ernst und finster. Sorgfältig prüfte er ein Blatt nach dem anderen, mit immer größerer Aufmerksamkeit wieder und wieder den Inhalt durchlesend.

      Dann nahm er das Paket, erhob sich und trat zu dem Tisch, an welchem der junge Mann saß.

      Dieser stand auf.

      »Herr von Wendenstein,« sagte der Polizeidirektor mit tiefem Ernst, den jungen Mann traurig und mitleidig ansehend, »ich bedauere, daß Ihre Sache nicht so gut steht, als ich hoffte.«

      Der Leutnant warf einen Blick auf die Papiere, welche Herr Steinmann in der Hand hielt, und erbleichte leicht.

      »Sind Ihnen diese Papiere bekannt?« fragte der Polizeidirektor, die Blätter etwas auseinander ziehend.

      Herr von Wendenstein zögerte einen Augenblick.

      »Ich glaube,« sagte er dann, »daß es alte Briefe und Notizen sind, die in meinem Schreibtisch lagen, in meinem verschlossenen Schreibtisch,« fügte er hinzu, »dessen Schlüssel ich hier bei mir habe.«

      »Ich habe,« erwiderte der Polizeidirektor, »wie dies Vorschrift und in Fällen, wie dieser, für die Sicherheit des Staates unerläßlich ist, bei Ihnen eine Nachsuchung anstellen lassen müssen, dies hat man gefunden. So alt scheinen die Papiere nicht zu sein, einige sind ganz frisch geschrieben. Ich kann Ihnen nicht verbergen, daß dies Ihre Lage wesentlich kompliziert, es sind hier die Schlüssel zu verschiedenen Chiffrekorrespondenzen, Adressen – zum Teil im Auslande, Briefe, aus denen deutlich die Absicht und die Vorbereitungen zu einer militärischen Emigration