Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
Скачать книгу
Kommissionär erhalten,« sagte der alte Herr abbrechend, »und ich denke wegen des Kaufs von Bergenhof abzuschließen, damit wir zum Herbst dort einziehen und uns für den Winter bereits in der neuen Heimat behaglich einrichten können. Helene wird viel zu tun haben,« fügte er mit einem herzlichen Blick auf das junge Mädchen hinzu, »um sich ihr künftiges Reich zurechtzumachen, das sie freilich nicht ungeteilt beherrschen wird, denn die Mama wird wohl das Zepter nicht so leicht aus den Händen geben.«

      Helene blickte errötend mit glücklichem Lächeln zu ihrem Verlobten empor, dann sprang sie auf, und zu Frau von Wendenstein eilend, küßt sie ihr zärtlich die Hand.

      Die alte Dame sah sie liebevoll an. »Nun,« sagte sie freundlich, »allmählich wird mir wohl die Regierung aus den Händen gewunden werden, zunächst wollen wir ein konstitutionelles Regiment einführen und Helene soll mein verantwortlicher Minister werden!«

      Der alte Diener trat ein und überreichte dem jungen Herrn von Wendenstein ein gefaltetes Papier.

      »Für den Herrn Leutnant,« sagte er.

      Der junge Mann betrachtete das flüchtig gefaltete Billett mit einiger Verwunderung.

      »Von wem?« fragte er.

      »Ein mir unbekannter Mann übergab es mir,« sagte der Diener, »mit den Worten: Eiligst abzugeben, und unmittelbar darauf eilte er wieder fort, ehe ich weiter fragen konnte.«

      Er entfernte sich.

      »Sonderbar,« sagte der Leutnant, der das Billett entfaltet und gelesen hatte, »soeben kam eine Warnung von meinem Bruder, hier ist die zweite, direkter und dringender.« Er las:

      »Es wird ein großer Schlag gegen die Offiziere vorbereitet. Man kennt ihre Pläne. Alle sind beobachtet. Leutnant von Wendenstein ist zu besonderer Aufmerksamkeit bezeichnet. Äußerste Vorsicht, wenn etwas zu besorgen – schleunigste Flucht. Ein Freund.«

      »Das ist merkwürdig,« sagte der alte Herr, »es muß wirklich etwas im Werke sein, und geht man einmal vor, so wird die preußische Regierung nicht scherzen.«

      Angstvoll blickte Helene auf das Blatt Papier – alles Blut war aus ihrem Gesicht gewichen.

      »Hast du gewiß nichts zu befürchten?« fragte Frau von Wendenstein, besorgt ihren Sohn anblickend.

      »Nicht das geringste!« erwiderte dieser ruhig mit einem Blick auf seinen Vater, »ich bin ja hier ganz harmlos – und will mich verheiraten,« sagte er lächelnd, Helenens Hand ergreifend, »da konspiriert man nicht, man kann mich immer beobachten, selbst arretieren, verhören, man wird nichts an mir finden. Daß ich mit meinen alten Freunden und Kameraden freundschaftlich umgegangen bin, kann mich ja doch nicht strafbar machen.«

      Ein plötzlicher Gedanke schien ihm zu kommen; er stand auf.

      »Ich könnte zu aller Sicherheit –« sagte er.

      Schnell trat der alte Diener abermals ein. Bestürzung und Unruhe lagen auf seinem Gesicht.

      »Ein Polizeikommissär ist draußen und verlangt den Herrn Leutnant zu sprechen.«

      Angstvoll blickten sich die Damen an. Ruhig und ernst erhob sich der Oberamtmann.

      »Lassen Sie den Beamten eintreten!« sagte er mit fester Stimme.

      Der Polizeikommissär trat ein, er trug Zivilkleidung; in militärischer Haltung grüßte er artig und sprach mit kurzem, aber höflichem Tone:

      »Ich bedaure, eine unangenehme Störung zu veranlassen. Ich habe den Befehl, den früheren Leutnant Herr von Wendenstein zu arretieren.«

      Frau von Wendenstein faltete die Hände und blickte still vor sich nieder, Helene war in ihren Stuhl zurückgesunken, blaß und bewegungslos lag ihr Kopf auf der Rücklehne.

      »Mein Sohn wird Ihnen folgen,« sagte der Oberamtmann, »hier steht er.«

      Und er deutete auf den jungen Mann, der lächelnd und ruhig vortrat.

      Der Polizeibeamte verbeugte sich artig.

      »Ist Ihnen bekannt, was meinem Sohne zur Last gelegt wird?« fragte der Oberamtmann.

      »Ich habe nur den Befehl, den Herrn Leutnant zum Polizeidirektor Zu führen,« sagte der Beamte, »der Herr Direktor wird ihn selbst verhören, ich hoffe und wünsche, daß eine Aufklärung erfolge, welche alle weiteren unangenehmen Folgen abschneidet.«

      »Dessen bin ich gewiß,« sagte der Leutnant, »darf ich einige Sachen mitnehmen für den Fall, daß ich vielleicht einige Tage in Haft bleiben sollte?«

      »Es kann Ihnen gebracht werden, was Sie zu Ihrer Bequemlichkeit bedürfen, denn es ist Befehl gegeben, mit jeder möglichen Rücksicht zu verfahren. – Für jetzt aber muß ich Sie bitten, sich ohne Verzug zum Herrn Polizeidirektor zu begeben.«

      Der Leutnant nickte mit dem Kopfe. Dann wendete er sich zu den Damen.

      »Die Sache wird sich sehr bald aufklären,« sagte er ruhig und lächelnd, »man wird sich von meiner Harmlosigkeit überzeugen, ich komme vielleicht sogleich wieder zurück, jedenfalls morgen oder übermorgen.«

      Er küßte seiner Mutter die Hand, die alte Dame blickte ihn mit tränenden Augen an und legte die Hand wie zum mütterlichen Segen auf sein Haupt. Dann wendete er sich zu Helene und schloß sie in seine Arme.

      »Adieu, meine Geliebte – auf baldiges Wiedersehen!« sagte er leise und innig.

      Das junge Mädchen war noch immer in einer Art von Erstarrung. Bei der Umarmung ihres Verlobten zuckte sie zusammen – sie sprach kein Wort – sie umfaßte seine Hand und drückte sie wie krampfhaft in die ihrige, dann heftete sie den Blick starr auf ihn, als wolle sie mit der magnetischen Kraft dieses Blickes ihn festhalten.

      Der Leutnant reichte seinem Vater die Hand. – »Sende mir etwas Wäsche, irgend ein Buch und einige Zigarren!« sagte er, und zu dem Polizeikommissar sich wendend, fügte er hinzu: »Ich bin bereit, mein Herr.«

      Er verließ das Zimmer, der Beamte folgte ihm.

      Helene hatte ihn mit ihrem starren, unbeweglichen Blick verfolgt, bis die Türe sich hinter ihm schloß. Dann ließ sie das Haupt sinken, bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und brach in leises Weinen aus.

      »Seid ruhig,« sagte der alte Herr an den Tisch tretend und die Hand sanft auf Helenens Kopf legend, »es kann nichts gegen ihn vorliegen, ein falscher Verdacht – vielleicht ist seine Verhaftung ein Glück für die wirklich Kompromittierten, sie werden Zeit gewinnen, um sich in Sicherheit zu bringen.«

      Der Leutnant war die Treppe herabgestiegen, vor dem Hause stand ein verschlossener Wagen. Der Beamte öffnete den Schlag – ein zweiter Polizeikommissär saß im Innern.

      »Ich bitte Sie, einzusteigen,« sagte sein Begleiter zu dem jungen Mann, »mein Kollege hier wird Sie zum Polizeibureau führen.«

      Ein wenig betroffen blickte ihn der Leutnant an, er stieg ein. Der erste der Beamten schloß den Schlag.

      Der Wagen rollte rasch davon.

      Wenige Minuten darauf trat der Polizeikommissär abermals in das Zimmer der Familie.

      »Herr Oberamtmann,« sprach er, »ich muh Sie bitten, mich in das Zimmer Ihres Herrn Sohnes zu führen, ich habe Befehl, die strengste Durchsuchung anzustellen.«

      Schweigend neigte der alte Herr das Haupt und schritt dem Beamten voran zum Zimmer seines Sohnes.

      Dort angekommen, setzte er sich in einen Lehnstuhl und sprach:

      »Erfüllen Sie Ihre Pflicht, mein Herr.«

      Der Beamte warf einen forschenden Blick umher.

      Er trat zu dem Sekretär.

      »Haben Sie den Schlüssel hierzu?« fragte er.

      »Mein Sohn hat ihn wahrscheinlich,« fügte der alte Herr, »wollen Sie ihn holen oder holen lassen?«

      »Ich bedaure, keine Verzögerung eintreten