»Ich Dein böser Engel?« sagte er lächelnd. »Ei, Du abergläubisches, närrisches Kind, und wer ist Dein guter, wenn ich's nicht bin?«
»O, Du nicht, Gideon, Du nicht! Du bist der Versucher, und jeder Gedanke an Dich wird eine Sünde. Verstelle Dich ja nicht; Du weißt es wohl, Dein Blick, Deine Stimme, Dein Atem, Dein Berühren verwandelt mich, macht mich zur Leibeigenen Deiner Gedanken. Weiche von mir, dann gehöre ich mir und Gott wieder an.«
»Fast möchtest Du mich überreden, Fania, es sei Zauber zwischen uns, Du liebst und hassest im gleichen Augenblicke. Wie ist dies möglich? Du liebst und quälst Dich vergebens mit leeren Einbildungen. Meine Abwesenheit verändert nichts, denn Deine Gedanken werden mich doch nicht verlassen.«
»Nein, Gideon, glaube mir, so oft Du noch von mir geschieden bist, ist auch das Fieber gewichen, Du warst vergessen, als hätte Dich Gott noch nicht erschaffen gehabt. Wenn ich Deinen Namen dann hörte, war es nichts mehr, als ob man in fremder Sprache redete. Nur Scham oder Reue hätte mich noch martern können, wenn ich nicht gewußt, Du habest mir's durch gottlose Kunst angethan.«
»Ich beteure beim Himmel und bei allem, was darin Heiliges ist, meine Unschuld,« rief Gideon tief gekränkt, und schloß Epiphanien wieder in seinen Arm. »Ich lasse aber mein Leben eher fahren als Dich, o höchstes und köstlichstes Juwel! Wundersames Kind, warum erschrickst Du vor Cupidos Pfeil und dem Erwachen Deines eigenen Herzens? Ich vermute, Du erschrickst jeden Morgen auch bescheiden vor dem Spiegel, wenn Du Dich darin allezeit reizender und bewunderungswürdiger erblickst. Fürchte Dich doch nicht vor Dir selbst. Du gestehst auf eine gar erfreuliche Weise, daß Dir noch kein Mann teuer gewesen ist.«
»O, Du Bösewicht, freilich!« seufzte sie, verbarg ihr Gesicht an seiner Brust und legte ihren Arm um seinen Nacken. »Mein Bruder Fabian allein ist meine Seligkeit, Du bist meine Hölle.«
»Fabian!« rief er und drängte Epiphanien von sich. »Nenne den Namen des Berner Verurteilten nicht wieder. Er muß Dich ja blutrot machen, Dir ist sein wüstes Leben, das ihn auf die Galeere brachte, nicht unbekannt. Wie mag ein ehrbares Mädchen den Vagabunden noch Bruder nennen, der keinen Ehe- und Ehrenstand respektiert! Nenne den Namen nicht, ich könnte Dich seinetwegen hassen,«
»Hasse mich, hasse mich!« rief sie hastig. »Wie? Wäre das endlich der Name, das heiligste Wort, wodurch ich Deine Zauberwerke und meine Schande lösen könnte? Nun, so will ich Dir nichts mehr als Diesen Namen in's Ohr schreien. Fabian ist frei! Höre es, er ist unschuldig! Fabian blieb der frömmste Jüngling. Wenn Fabian vor mir steht, lächelt ein Engel, und mein Gemüt lebt in unaussprechlicher Himmelsruhe. Nur wenn Fabian fehlt, leide ich Pein und Sehnsucht.«
»So muß ich Mitleid mit Dir haben, Du wirst an solcher Sehnsucht sterben, dieweil er Dir sobald nicht wieder erscheint. Man sagte, er sei aus Gnade zu den Galeeren verurteilt; er hatte den Strick verdient.«
»Fabian ist frei, Gideon. Fabian ist nicht fern von uns, glaube es! Siehe diese Blumen, Fabian brachte sie in vergangener Nacht.«
Gideon erschrak und starrte Epiphanien schweigend an. Dann strich er mit der einen Hand langsam die schwarzen Locken von seiner Stirn, während sich die andere Hand krampfhaft ballte. Seine Stirn zog sich in dicken, finstern Falten über die Augen nieder, aus denen Blitze schossen, Unnatürliche Röte brannte auf seinen Wangen. Mit Wohlgefallen und Schaudern betrachtete Epiphania die vom Zorn verwandelte schöne Gestalt des jungen Mannes.
»Wenn Du nicht lügst, Epiphania,« sagte er mit gedämpfter Stimme, »so retten alle Heerscharen und Mächte der Erde und des Himmels den Höllischen nicht aus dem Rachen des Verderbens. Tod und Hölle! Bei Dir gewesen diese Nacht? Bei Dir? Du rühmst Dich dessen?«
»Sieh, Gideon, sieh Fabians Wahrzeichen, wie schön sie noch im Glase blühen, rein und anmutsvoll, wie seine lautere Seele. So brachte er sie mir immer, schon da wir noch als Kinder im Thale an der Lenk spielten. Er nahm nicht die Blume, die zunächst blühte; immer stahl er sie unter Lebensgefahr für mich irgend einem unzugänglichen Orte ab, wo die Natur sie nur für sich und die Geister des Gebirges gepflanzt hatte. Wenn wir hoch bis zum Himmel in die Alpen des Rawyl hinaufstiegen, kletterte er noch bis zu den blaugrünen Schrunden des Rätzligletschers. Am Oswaldtage, wenn sich das Volk auf den Berghöhen freute, stieg er, gewandter als das Gemstier, an schwindlicht hohen Felswänden zu den grünen Vorsprüngen der Grindeln, um mir Alpennelken, braune Muttern, süße Reifern, Grasengel, Goldkraut, oder auch nur die kleinen Enzianen mit dem brennenden Blau zu holen, die doch weit näher und gefahrloser zu finden waren.«
»Höre auf!« sagte Gideon mit verbissenem Grimm. »Vermutlich brachte er Dir auch diese Nacht den Strauß nicht ohne Leibes- und Lebensgefahr. Also dem übelberüchtigten Gesellen opferst Du Gideons Liebe und Treue? Nun denn, willkommen Rebellion und Bürgerkrieg! Lasset alle Furien los und machet die Manneskraft frei, daß jeder im rechten Werte erscheine. Ich habe andere Majestäten gesehen! Er ist verloren. Du bleibst die Meine; Dich hat mir Addrich gegeben; Du bist der Preis, um den ich ins Feld gehe. Ich mache Dich allen Teufeln streitig.«
»Sage: allen Engeln des Himmels,« lispelte halblaut Epiphania, die aber doch in einer Anwandlung von Furcht gegen die Thür zurückwich.
Er ging ihr nach und sprach mit bitterstolzem Lächeln: »Engeln? O ja, gefallenen! Du bist das mir zugefallene ewige Eigentum. Wehe dem, der Dich anrührt! Er wahre sich! Ich habe mich selbst durch Dein thörichtes Geschwätz wiedergefunden, und der Fund ist etwas wert. Ade, mein Schatz! Bereite Dir Deinen Brautschmuck. Lacht mir das Glück, erbeute ich mir ein Schloß zu Bern. Ade!« Er schlug seinen Arm um sie und drückte einen Kuß auf ihre Wangen, während sie erschrocken das Antlitz abwandte.
»Weiche von mir,« rief sie, »oder mein Geschrei ruft Addrich und das ganze Haus zum Schutz gegen Deine Frechheit herbei.«
»Närrin, meinst Du, Dein Geschrei und Toben schrecke mich? Ich glaube, Du zitterst? Pfui, das ziemt dem Soldatenweibe schlecht, Fania, Du mußt mir im Pulverdampf und Kugelregen gegenüber stehen und dabei Scherz treiben.«
Sie riß sich mit Unwillen von ihm und sagte: »Frecher Gesell, wie darfst Du mich mit That und Wort mißhandeln?«
Gideon erwiderte lachend: »Schönstes Kind, ein Kuß ist für Jungfrauen kein schlechter Lohn, aber anbeten kann ich Dich nicht mehr, noch galante Bücklinge vor Dir machen, wie Du dessen von mir gewöhnt warest; denn jener Galeeren-Kandidat hat Deinen Glanz verwischt. Du bist von der Höhe zu mir niedergestiegen, jedoch noch ein schönes Mädchen geblieben; wohl beachtet! . . . nichts mehr, als ein Mädchen, wie alle. Indessen hoffe ich, daß, wenn Du mein Weib geworden, ich nicht Dein Kukuk oder Hans mit dem spitzigen Hut sein und heißen soll.«
Epiphania wendete sich schaudernd von ihm ab und sagte: »Nun sehe ich deutlich, wie der böse Geist die Krallen aus Dir vorstreckt und hinter Deiner Larve grinset. Das Blendwerk ist zerflossen. Schmähe nur den guten Jüngling Fabian; Du kannst ihn so wenig, als die Hölle den Himmel rühmen. Ich bin nicht seine Braut, noch minder die Deine; eher werde ich die des Todes sein!«
»Hm!« versetzte er hämisch. »Alle Bräute sprechen diese Sprache. Man tadelt die Ware, die man zu haben wünscht. Du wirst ein anderes Liedchen singen, wenn Du Frau Hauptmännin heißest und mit mir in eine Residenz von Deutschland oder in ein Schloß ziehest. Da wird gespielt, getändelt, getanzt und fein gespeist; da giebt es lustige Treib- und Hetzjagden für uns Edelleute, Prachtzimmer mit Uhren, Gemälden und gestickten Polstern; Lustgärten, Feuerwerke, allerlei Kurzweil, Saus und Braus alle Tage vollauf.«
»O,« rief Epiphania, »welcher höllische Dunst konnte mir so grausam Vernunft und Augen trüben! Du bist nicht nur ein ganz gemeiner, roher Landsknecht, übermütig, verschwenderisch, unbarmherzig, gottlos . . . Du bist noch höchst ekelhaft dazu.«
»Mit Gunst, Fania,« entgegnete Gideon, »keife mit mir, wie's Dir gefällt; aber sprich mit Ehrerbietung vom Soldatenstand. Wer für Vaterland und Kirche, für Haus und Hof anderer sein Blut hinzugeben allezeit bereit ist, steht so hoch über dem Schellenwerker als der Adler über dem stinkenden Mistkäfer, und ist von Mit- und Nachwelt geachtet, wenn er gleich nicht unseres Herrgotts