Ausgewählte Werke von Heinrich Zschokke. Heinrich Zschokke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich Zschokke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9788027214945
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vor drei Wochen, Fania, beim Abschiede, kanntest Du keine andere Schwierigkeit, als daß Addrich, Dein Oheim, sich weigern werde. Nun hat er mir noch vor wenigen Augenblicken feierlich seine Einwilligung gegeben. Hast Du mich nie lieb gehabt? Hast Du mich nur anlocken wollen, um mich zu verstoßen? Hätte ich mich so arg in Dir betrogen? Was sagst Du?«

      Er sprach die letzten Worte fast zitternd und mit einem Tone seiner schönen Stimme, der sich, flehend, wie er klang, in ihr Herz einschmeicheln zu wollen schien. Sogar eine Thräne funkelte ihm in den Augen, deren Blick an ihren Mienen hing, als suche er darin Leben oder Tod. Epiphania schwieg niederschauend, aber in einer innern Bewegung, die sie nicht verhehlen konnte.

      »Was sagst Du?« wiederholte er seine Frage, ergriff ihre Hand und führte sie mit Ehrerbietung sind Inbrunst an seine Lippen. Die Jungfrau errötete tief, schlug furchtsam die Augen zu ihm auf, aber, als könne sie den durchdringenden, flammenden Blick der seinigen nicht ertragen, wandte sie plötzlich das Gesicht von ihm ab und rief: »Gideon, laß mich gehen! Gideon, es kann nicht sein!«

      Er hielt jedoch die genommene Hand fest in der seinigen und sagte. »Solch einer abschlägigen Antwort von Dir war ich nicht gewärtig. Was denn, Fania, was hat denn diese Veränderung zuwege gebracht? Genoß ich nicht immer Dein ganzes Zutrauen? Warum entziehst Du mir eine Gunst, die mich zum glückseligsten aller Sterblichen machte? . . . Fania?« rief er flehend und zog sie mit sanfter Macht an sich. Sie widerstrebte und betrachtete ihn eine Weile mit einer wunderbaren Unruhe, in der sie noch liebenswürdiger erschien. Die seltsamste Mischung einander widersprechender Gefühle drückte sich in ihrem Angesichte aus. Zärtlichkeit und mißtrauische Scheu, Glauben und Bangigkeit, Hingebung und Widerwillen sprachen zugleich aus ihren blauen Augen. Ihre hochgehende Brust, ihr fliegender Atem, ihre erglühenden Wangen offenbarten verräterisch einen Kampf, den sie im Innersten kämpfte, und welchen er, wie vielleicht mancher andere in seiner Stelle ebenfalls gethan haben würde, zu seinem Vorteile deutete.

      »Willst Du mich in den Tod jagen, Fania?« sagte er. »Siehe, Fania, Himmel und Erde umfassen nichts, was ich mit solcher Liebe und Hingebung anbete, wie Dich. Stoße mich nicht von Dir, denn Du stoßest mich aus der Welt und aus dem Leben. Willst Du meine Mörderin sein?«

      »Gideon, könnte ich das wollen!« stammelte sie. »Du jedoch wirst mein Mörder, wenn Du mich nicht von Dir lässest. Ich wollte, Du hättest mich nie gesehen, denn Du willst mich in den höllischen Abgrund reißen.«

      »Fania,« rief er, »womit habe ich diesen schrecklichen Vorwurf verschuldet? Sieh mich an, Fania, ich bin Gideon, der jeden Augenblick zehntausend Tode für Dein Wohl sterben würde. Du sollst meine Gemahlin, Königin meines Lebens sein; ich will Dein Leibeigener bleiben für und für. Sprich, Abgott meiner Gedanken, welcher Verleumder hat mich verlästert? – Durch meine Rechtfertigung werde ich alsdann reiner vor Dir erscheinen, als das Licht des Himmels.«

      »Es hat Dich niemand verleumdet,« antwortete sie sanft, und ihr Blick überflog schüchtern die Gestalt des schönen Mannes, der in Trauer demütig vor ihr stand.

      »Und was hast Du gegen mich?« fuhr er fort. »Fania, von dieser Stunde hängt mein und Dein Schicksal ab. Ich erwarte, auf Leben und Tod gefaßt, Deinen Bescheid. Es gab eine Zeit. da glaubte ich Dir nicht gleichartig zu sein. Ich empfing von Dir freundliche Winke der Augen, Fania, ich hätte sie nicht gegen die Ewigkeit eines Seraphs vertauscht. Läugne nicht, Du hast mich geliebt; läugne nicht, ich bin Dir noch wert. Warum quälst Du Dich und mich?« Indem er dies sagte, legte er seinen Arm um sie und zog sie an seine Brust.

      Sie zitterte, sträubte sich und sagte: »Gideon, lässest Du nicht ab von mir, so kann ich zur Selbstmörderin werden. Ich hasse Dich, weil ich weiß, daß ich in Deiner Macht bin. Dein Atem vergiftet und berauscht mich; Dein Berühren betäubt meine Sinne und jagt alles Blut in den Adern stürmisch durcheinander. – Du Bösewicht, glaube nicht, daß diese Verwirrung meiner Sinne Liebe sei; mein Herz verabscheut Dich, und meine Lippen würden Dich im Kuß verfluchen, wenn Du sie je zwängest, Dich zu küssen. Du bist die Schlange des Paradieses, schön und verführerisch; selbst das Gebet kann Dich nicht bannen. Ich weiß nicht mehr, was ich rede; aber ich beschwöre Dich, glaube meiner Zunge nicht, wenn sie zärtliche Worte spricht. Sie ist ein treuloses Werkzeug, das mir nicht gehorcht, sondern Deiner Gewalt. Ich gebiete ihr, Schmähungen auszustoßen, und sie will Dir mit süßen Namen schmeicheln.«

      »Du liebst mich, Fania?« rief der Hauptmann entzückt.

      »Gideon, wie die Taube den Drachen liebt, dem sie mit ängstlichem Flügelschlage entgegenflattern muß, weil sein tötlicher Blick sie bannt und hinzieht. Mit Schaudern bekenne ich Deinen Sieg. – Gideon, schöner, lieber Gideon, gieb mich mir wieder. Fliehe! Meine Vernunft, meine Ruhe verlange ich wieder. Darum gehe, Lieber, nun gehe, nur einen Augenblick gehe von mir, daß ich mich sammle,«

      Sie hatte ihr Haupt an seine Brust gelehnt und sprach, was sie sagte, leise, in gewaltsamer Anstrengung, mit weichem Schmeichelton. Gideon drückte seine Lippen auf ihr gescheiteltes Goldhaar und sagte. »Dich verlassen? Lieber möchte ich von den himmlischen Pforte scheiden und den Schwefelpfuhl der Verdammten aufsuchen. Wie kannst Du mich hassen und lieben zugleich, Du überfrommer Engel? Sage es mir noch einmal, Du seiest in meiner Gewalt; löse alle Widersprüche; bekenne, was Dein jungfräulicher Eigensinn läugnen will: daß Du die Meine sein wollest.«

      »O sage nichts, nichts! O was würde ich sagen müssen,« seufzte sie. »Ich bin wahnsinnig; ich weiß nicht, wie mir ist; ich verwünsche Dich und Deine Höllenmacht. Fliehe!« Sie machte einen schwachen Versuch, sich von ihm loszuwinden, und lehnte sich doch wieder sanft und zitternd an ihn.

      »Willst Du Dich befreien, so gieb zum Lösegelde Herz und Hand,« flüsterte er ihr zu. »Gieb, gieb!«

      »Gideon,« antwortete sie bebend, »mißbrauche meine Verwirrung nicht, Unmensch, denn ich würde jeden Eid brechen, den ich Dir schwöre, und darum doch nicht meineidig sein. Ich sterbe, ich vergehe in einem bösen Feuer an Deiner Brust. Ich verabscheue mich, und kann mich nicht ermannen. Ich fühle die Hölle des Entzückens, und mag ihr doch nicht entkommen. O Du bist nicht ehrlich mit mir zu Werke gegangen; Du bist liebenswürdig genug, warum denn hast Du mirs noch angethan durch verbotene Künste?«

      »Fania, Du redest lästerlich und gottlos,« sagte Gideon. »Ich bin ein ehrlicher Mann und in reinster Zuneigung Dir zugethan. Ich rufe den Himmel zum Zeugen!«

      »Ja, Du hast mich mit einem Liebestranke vergiftet, Gideon . . . verzeihe Dirs Gott! Und wenn Dich meine Arme fester umschlängen als Ketten, mein Herz stieße Dich Dennoch zurück. Du bist ein anderer als andere Menschen. Ich fühle mich an Dich gebannt; sobald ich in Deine Nähe trete, wird mein Inneres dunkel, wie verschlungen von einem Nebel, wie verzehrt von einer Glut, von einer . . . o ich muß schweigen, ich vergesse Pflicht und Würde. Selbst das Gebet rettet mich nicht.«

      »Verkenne Dein Herz nicht, holdselige Fania. Du liebst mich, das ist die süße, die allgewaltige Macht einer Leidenschaft und keine nekromantische Kunst.«

      »Rede nicht, Gideon, o nichts mehr! Du könntest mich auch zum Altar schleppen: aber ich würde Dich doppelt verabscheuen. Du würdest Dein Opfer nur vollenden: ich würde zur Leiche. Meine Schmach bringt Dir keinen Ruhm; nicht Deine Tugend oder Deine äußere Schönheit, nein, Dein Liebestrank hat mich bis zum Wahnsinn vergiftet.«

      »Nun, beim Himmel!« rief Gideon. »Hier erlischt das Licht meines eigenen Verstandes. Was redest Du von einem Tranke? Ich will eher glauben, ein neidischer Belialsbruder habe sympathetische Mittel an Dir versucht, um mir einen schlechten Dienst zu erweisen und Dein liebes Herz von mir abwendig zu machen; denn so feindlich bist Du doch sonst nicht gesinnt gewesen. Wenn Du mich auch zuweilen mit Deiner spröden Laune zurückwiesest, dennoch kam es nie zum völligen Bruche. Du liebst mich. Beruhige Dich, mein einziges und schönstes Leben.«

      »So entlaß mich aus Deinem Arme, so fliehe dies Haus, dies Thal; so meide mein Angesicht ewig; so erscheine mir auch sündlicherweise nicht mehr in Träumen, die Du durch gottlose Kunst hervorbringst. Du willst mich zum Kinde der Verdammnis machen, ich weiß es wohl. Gott wird es verhüten. Mein guter Engel hat mich nur auf eine kleine Weile verlassen . . . Du bist mein böser!«

      Indem sie