Karin Bucha Staffel 1 – Liebesroman. Karin Bucha. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karin Bucha
Издательство: Bookwire
Серия: Karin Bucha Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783959796712
Скачать книгу
muß sehr aufgeregt sein, die immer gelassene Ärztin, auf die er große Stücke hält.

      Wenn er auch mit Lob sparsam umgeht, er weiß genau, auf wen er sich verlassen kann und was er von seinen einzelnen Untergebenen zu erwarten hat.

      »Nun?« ermuntert er sie nochmals, da sie krampfhaft nach einem passenden Anfang sucht.

      Jetzt kommt ihr ihr übereiltes Handeln kindisch vor. Er wird sie auslachen und mit ein paar höflichen Redensarten gehen lassen.

      Aber es geht nicht um sie, es geht um den Mann, den sie liebt.

      »Was haben Sie eigentlich gegen Doktor Romberg?« stößt sie mit unsicherer Stimme hervor und erschrickt, als sie es über die Lippen gebracht hat. Gleich wird er sie heftig zurechtweisen. Doch das Gegenteil geschieht.

      Er nimmt seine Brille ab, holt aus der Brusttasche ein seidenes Tuch und beginnt die Gläser blank zu reiben.

      »Gegen Doktor Romberg?« sagt er gedehnt, setzt seine Brille wieder auf die Nase und betrachtet sie eingehend. »Gott, was soll ich haben.« Er zögert und fährt dann bedächtig fort: »Ich weiß es selbst nicht recht. Etwas steht zwischen uns, das ich nicht recht zu ergründen vermag. Doktor Romberg hat sich irgendwie verändert.«

      »Oder Sie – Herr Professor!« fällt sie ihm impulsiv in die Rede. Er zieht die Augenbrauen empor und bekommt dadurch ein hochmütiges Aussehen. Aber nun ist es schon gleich, was er von ihr denkt – überlegt sie.

      »Sind Sie eine so scharfe Beobachterin – oder wollen Sie Doktor Romberg in Schutz nehmen?«

      »Gegen was – oder gegen wen?« fragt sie mit angehaltenem Atem zurück.

      Keinen Blick läßt der Professor von dem schmalen Gesicht der jungen Ärztin. Was er aus ihren glänzenden Augen liest, ist mehr als kollegiale Anteilnahme.

      »Tja«, bemerkt er versonnen, »ich denke da an die Sache Stücker.«

      »Was hat das mit Ihnen und Doktor Romberg zu tun?« wirft sie hastig in seine Rede.

      »Ich überlege mir, ob Romberg die nötige Sorgfalt hat walten lassen.«

      »Herr Professor!« Sybilla steht im Nu auf den Beinen und in beinahe kampfbereiter Haltung vor dem Professor. »Ich war bei der Operation dabei. Doktor Romberg hat alles Menschenmögliche getan. Was werfen Sie ihm vor?«

      »Bitte, nehmen Sie wieder Platz«, Becker macht eine kurze Handbewegung, und Sybilla setzt sich wieder.

      »Waren Sie bei beiden Operationen dabei?«

      Sie wird verwirrt und schüttelt den Kopf. »Nur bei der ersten. Bei der zweiten hatte Doktor Müller Dienst.«

      »Doktor Romberg hätte sich das Röntgenbild genau ansehen müssen, dann wäre ihm der Milzriß nicht entgangen.«

      Sybilla macht eine fahrige Handbewegung. »Ich kann beschwören, daß das Röntgenbild, das Romberg vor der ersten Operation gezeigt wurde, keinen Milzriß aufwies. Außerdem hätten wir schon äußerlich die Symptome feststellen können.«

      Ein Schreck zuckt ihr zum Herzen. Hat sie auch die Wahrheit gesagt? Hat Doktor Romberg sich nicht nur für den Schädelbasisbruch interessiert? Aber das Röntgenbild hat er genau studiert.

      Der Professor wiegt den Kopf hin und her.

      »Ich verstehe das alles nicht.« Er richtet jetzt das Wort direkt an sie. »Stücker war der Mann meines Patenkindes Christiana Stücker. Ich glaube, ich muß Ihnen erklären, daß Christia-nas Vater und ich gute Freunde waren. Frau Stückers Mutter ist eine durch und durch ehrenhafte Frau, aber ihren Kindern gegenüber sehr schwach. Deshalb habe ich mich auch ihres Sohnes Martin angenommen. Er ist begabt.«

      »Leider aber sehr leichtsinnig«, unterbricht sie ihn bitter. »Er erlaubt sich Sachen als Arzt, die nicht geschehen dürfen.«

      Interessiert neigt der Professor sich vor. »Was wollen Sie damit sagen?«

      Sybilla nimmt allen Mut zusammen und erwidert tapfer: »An jenem Abend kam er betrunken in das Krankenhaus.

      Er hätte um zweiundzwanzig Uhr seinen Dienst antreten müssen.«

      »Er ist – betrunken – zum Dienst gekommen?« wiederholt Becker ungläubig. »Aber – aber das weiß ich doch gar nicht. Man hätte es mir melden müssen, dann hätte ich ihm die Leviten gelesen.«

      Als sie schweigt, spricht Becker beunruhigt weiter: »Wenn Freytag auch sozusagen unter meinem Schutz steht, Unkorrektheiten lasse ich auch bei ihm nicht durchgehen.«

      »Wer sollte es Ihnen wohl sagen?« Sie spricht jetzt im Namen aller Kollegen. »Alle sind der Meinung, Sie würden Doktor Freytag schützen.«

      »Unsinn«, unterbricht er sie grob. »Sind wir hier in einem Kindergarten oder in einem Krankenhaus? Muß hier nicht jeder seine Pflicht tun und die Arbeit über das eigene Ich stellen?«

      Mit Bewunderung sieht Sybilla ihn an. »Das haben alle getan, getreu Ihrem Vorbild, Herr Professor, nur…«

      Sie stockt, und Becker fährt grimmig fort: »Nur Doktor Freytag hat eine Ausnahme gemacht. Nicht wahr, das wollten Sie doch sagen?«

      »So ähnlich«, gibt sie kleinlaut zu.

      »Unbegreiflich – unbegreiflich«, murmelt er vor sich hin. Nach einer Weile hebt er den Kopf. Das Licht fällt direkt auf seine Brillengläser und wirft es grell zurück, so daß Sybilla vorübergehend die Augen schließt. »Jetzt werde ich der Angelegenheit nachgehen. Vielleicht ist Doktor Romberg doch nicht so schuldig.«

      »Vielleicht sagen Sie? Überhaupt nicht«, verteidigt sie den Kollegen heftig, was Professor Becker zu einem kleinen Lächeln reizt. Sie findet ihn so noch viel sympathischer.

      »Sie setzen sich sehr warm für Romberg ein«, meint er mit einem kleinen spöttischen Unterton. »Na ja, man sieht Sie ja auch immer zusammen.«

      Sybilla richtet sich steif auf. »Nicht mehr, als es unser Dienst verlangt«, widerspricht sie, und jetzt sind ihre Züge verschlossen und ablehnend. Sie steht auf, streicht unschlüssig ihre Hände an ihrem Kittel hinab.

      Mit unverhohlener Bewunderung betrachtet er sie. Beide sind sie tüchtig in ihrem Fach, und ihr häufiges Zusammensein hat er zuerst für gemeinsames berufliches Interesse gehalten. Jetzt sieht er tiefer. Wie sie in dieser hilflosen Haltung vor ihm steht, ist sie nicht die zielbewußte Ärztin, sondern eine liebende Frau, die ihre wahren Gefühle nicht einmal zu verbergen versteht, weil sie aller Wahrscheinlichkeit nach sich selbst nicht genau über ihre Gefühle klar ist.

      Kann man eine liebende Frau ernst nehmen? überlegt er. Aber auf der anderen Seite gibt es keinen Grund, seinen Schützling Martin zu belasten. Dazu hält er eigentlich beide für zu fair, diese in diesem Augenblick sehr jung und anmutig aussehende Ärztin und den Oberarzt, der ein Arbeitstier und sein bester Mitarbeiter ist.

      Was hat Martin mit diesen recht unklaren Andeutungen bezweckt? Und warum hat Christiana ihn mit den heftigsten Vorwürfen überschüttet, weil er sich nicht selbst um ihren schwerverletzten Mann gekümmert hat?

      Überhaupt Christiana! Sie hat doch mit Stücker, von dem man sich erzählte, daß er mehr als eine Nebenfrau hätte, keine besonders harmonische Ehe geführt. Wenn es zwischen ihnen auch nicht gerade zu heftigen Szenen gekommen ist, dann nur deshalb, weil in dieser Ehe jeder getan hat, was er wollte.

      Und dann dieses Theater? Ja, sie hat ihm Theater vorgemacht! Ganz klar und sachlich beurteilt er alles. Er hätte sich längst damit eingehend befassen und nicht den Eingebungen Martins und Christianas ein offenes Ohr schenken sollen.

      Er sieht plötzlich alt und müde aus. Er hat nicht geheiratet, war immer nur mit seinem Beruf verheiratet. Er hat keinen Sohn, der sein Nachfolger werden könnte. Er hat gehofft, Martin würde einst diese Nachfolge antreten.

      Jetzt zweifelt er plötzlich! Unsicher blickt er zu Sybilla auf, die unschlüssig verharrt.

      »Wann tritt Doktor Freytag seinen Dienst an?« erkundigt er