Die wichtigsten Werke von Richard Voß. Richard Voß. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Richard Voß
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027223008
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sollte, ließ er uns sogar die Nachricht von seinem Tode zugehen, eine Nachricht, die uns nie erreichte. Dann vernahm er nichts mehr von uns. Leidenschaftliche Sehnsucht trieb ihn wieder nach Europa zurück. Er ging nach Frankreich, stürzte sich in die Revolution, wurde verwundet. Kaum genesen, begab er sich durch die Schweiz nach Tirol, wo er in dem Tale leben wollte, darin er für sich und Rolla so stolze Luftschlösser gebaut. Hier war ihm die Geliebte entgegengetreten.

      Rollas Zustand grenzte an Verzückung. Zum erstenmal in ihrem Leben war sie menschlich schwach; sie sagte ihm nicht, was sie ihm geworden sei. Auch Frank wagte nicht, nach mir zu fragen. Die armen Menschen!

      Sie stehen auf, fassen sich bei der Hand, gehen auf der Landstraße zurück und auf dieser dem Dorfe zu. Bei einer Wendung des Weges sieht Frank das Schloß. Er glaubt zu träumen. Rolla bricht in ein fröhliches Lachen aus und führt den Sprachlosen weiter. Sie passieren das Dorf, sie kommen dem Schloß näher und näher. Frank fragt nicht, Rolla sagt nichts. Frank sieht alles fertig dastehen, wie es von ihm gedacht worden. Es ist wie ein Wunder! Sie steigen die Anhöhe hinan, treten durch das hohe, gotische Portal unter die Tannen des Schloßhofes, in die Halle. Sie gehen die Treppen hinauf. – Frank erkennt alles. Lange sitzen sie in Rollas Zimmer, wo sie ihm jeden Gegenstand zeigt. Dann führt sie ihn ans Fenster und deutet auf die Landstraße hinab.

      »Diesen Weg bist du gekommen. Ich habe darauf gewartet – wie viele Jahre wohl?«

      Auch zum Spiegel tritt sie mit ihm, legt ihre Wange an seine und steht lange in das Anschauen der beiden Gesichter versunken.

      »Was ist aus uns geworden?« sagte sie leise. Darauf küßte sie ihn.

      Wortlos holt sie sodann einen Schlüssel, bedeutet den Geliebten, ihr zu folgen, schließt eine Tür auf, die sie noch niemals geöffnet und tritt mit Frank in das Gemach ihrer Erinnerungen ein. Sie öffnet das Fenster und läßt das trübe Tageslicht hineinscheinen, auf die verwelkten Lorbeerkränze, auf das todbleiche Haupt der Niobe.

      Sie sieht sich alles mit ihm an, dann heißt sie ihn sich niedersetzen, bleibt vor ihm stehen und sagt ihm: »Dies alles hat dein Freund für dich und mich getan. Seit einem Monat bin ich sein Weib. Mit dem Kuß, den ich dir vorhin gab, habe ich die Ehe gebrochen.«

      Darauf setzte sie sich ihm gegenüber, wendet kein Auge von ihm, antwortet ihm auf nichts, bleibt selbst bei seiner Verzweiflung einer Statue gleich.

      Nur einmal sagt sie: »Ich bin wahnsinnig gewesen und kann es wieder werden. Daran denke.«

      Er wirft sich vor ihr nieder, preßt seinen Kopf in ihren Schoß und umfaßt sie. Sie legt ihre Hand auf sein Haupt und streichelt sein Haar. Wieder vergehen Stunden; da schrecken beide auf. Im Dorf wird die Sturmglocke geläutet. Sie hören Schüsse.

      »Der Fluß hat den Damm durchbrochen, der Jesuitenpater den Pfarrer überfallen.«

      »Wir müssen hin,« sagte Rolla.

      Sie gehen und lassen alles offen. Die Kammerfrau kommt ihnen nachgestürzt: die Beamten seien mit den Leuten in das Dorf dem Pfarrer zur Hilfe gezogen, die Mägde sämtlich ins Gebirge gelaufen. Rolla befiehlt der Jammernden, den Geflohenen zu folgen.

      Als sich die beiden auf der Landstraße befinden, glaubt Frank zu erkennen, wie vom Gebirge her sich ein Trupp dem Schlosse nähert. Er sucht Rolla zu bewegen, mit ihm zurückzukehren, sie jedoch will nicht.

      »Aber das Haus – –«

      »Laß sie damit tun, was sie wollen. Was geht das dich und mich an?«

      Sie gehen weiter, sich mühsam durch den Sturm kämpfend, sie hören im Dorf den Kampf toben und sehen den Fluß übergetreten. Eine wilde Aufregung bemächtigt sich beider.

      Bald wird die Flut sie erreicht haben.

      »Wir wollen sterben!« ruft Rolla.

      »Du mußt leben bleiben,« erwidert ihr Frank. »Denke an deinen Gatten.«

      »Er kann nicht mehr mein Gatte sein; er ist es nicht mehr. Mit uns dreien ist es vorbei.«

      Sie sind im Dorfe angelangt und müssen lange suchen, bis sie einen Weg finden, wo sie nicht von den Fluten zurückgedrängt werden. Lautlos, ein schweigend mordendes Ungeheuer, steigt das Wasser an den Häusern hinauf. Wo es einbricht, gerät es in wilde Strudel. Es schluchzt und ächzt, wie ein ertrinkender Mensch.

      Der Kampf hat sich ganz nach der höher gelegenen Kirche zu und auf den Platz vor den Pfarrhof hingezogen. Durch das Geknatter der Büchsen ist Geschrei und Weibergeheul hörbar. Ein Haus brennt – es brennt das Dorf. Der grelle Schein flackert über die Gruppen der Kämpfenden und die anschwellenden Wasser. Diese haben bereits den Platz erreicht und werden denselben sogleich überfluten. Vor der entfesselten Wut des Elementes muß die der Menschen flüchten. Der Kampf zieht sich in die Kirche hinein, die jetzt auch zu brennen beginnt. Durch beide Türen drangen die Parteien in das Heiligtum; an der Spitze der einen der Pfarrer, an der anderen der Pater. Frank und Rolla suchen gleichfalls hineinzukommen und zu dem Pfarrer zu stoßen. Erstickender Qualm und Dampf schlägt ihnen entgegen. Weiber drängen heraus, die sich vor dem Kampf und dem Feuer retten; aber sie hören die mächtige Stimme des Pfarrers und Frank schafft für sich und Rolla Bahn.

      Sie dringen durch.

      Wo sich der Altar befindet, steht alles in Flammen, Aus den lodernden Gluten steigt noch immer Augustins Kreuz auf.

      Um den Altar tobt der Kampf. Der Pfarrer mit den Seinen sind die Weichenden. Mit verbranntem Gewand und blutigem Antlitz hetzt der Pater die Zaudernden auf den Priester. Dieser erwartet sie. Seine Leute fliehen. – Der Pfarrer steht ganz allein.

      Da keiner der Männer das Herz hat, den Priester in seinem Heiligtum niederzuschlagen, so dringt der Pater allein auf ihn ein. Er wirft sich auf ihn. Frank erkennt die Todesgefahr, aber es ist nicht möglich, durch die Scharen des Paters zu dem Verlorenen zu dringen.

      Da sieht er dicht beim Altar ein Weib auftauchen, wie aus den Flammen empor. Es ergreift das brennende Kreuz, reißt dasselbe vom Altar herab, schwingt es. – – Ein schrecklicher Schrei, darauf alles in Flammen und Qualm, darauf allgemeine wilde Flucht.

      Aber sie leben!

      Frank hat Rolla aus der Kirche getragen, der Pfarrer seine Schwester. Kaum hat Veronika den Boden berührt, als sie sich von ihrem Bruder losreißt und davonstürzt. Rolla sieht es und ruft Frank zu: »Es ist Veronika. Sie will sterben. Rette sie.«

      Darauf ein wilder Lauf dem Strome zu. Der Feuerschein beleuchtet den Weg.

      Der Pfarrer sieht Frank und Rolla seiner Schwester nacheilen und kann ihnen nicht folgen, denn er muß den Kampf entscheiden.

      Rolla steht auf einem Damm, dem einzigen, der dem Wogenandrang noch Widerstand leistet. Sie starrt auf die Stelle hin, wo sie Frank dem Mädchen sich nachstürzen gesehen. Dort ist alles gelbe, wirbelnde Flut. Sie weiß, er wird sie retten, aber dabei untergehen.

      Sie wartet darauf.

      Endlich glaubt sie etwas weiter unten, wo die Brücke zusammengebrochen ist, einen Körper auftauchen zu sehen. Er wird von zwei Armen gewaltig über die Fluten emporgehalten.

      Rolla schreit auf: »Hierher!«

      Zwischen Mensch und Element entspinnt sich ein grausiger Kampf; aber der Mensch ist der Stärkere. Frank entreißt Veronika den Fluten, dringt vorwärts und vorwärts, bis zu der Stelle, von wo aus er sich immerfort rufen hört.

      Mit beiden Armen faßt Rolla Veronikas Leib und zieht sie zu sich empor. Noch einmal sieht sie über dem Wasser das geliebte, schöne Haupt, vom Schein der Flammen beleuchtet. Dann sinkt es unter.

      Der Pfarrer kommt. Rolla übergibt ihm seine Schwester und sagt ihm, wer sie gerettet. Der Pfarrer stürzt fort und kehrt mit Männern zurück. Es gelingt ihnen, ein Boot aufzutreiben. Der Pfarrer und zwei Männer schiffen sich ein. Sie entzünden Kienspäne und wollen abstoßen. Im letzten Augenblick besteigt auch Rolla den Nachen. Unterdessen bringt man Veronika ins Dorf zurück, daraus die Partei des Paters entflohen.

      Mit größter Lebensgefahr suchen sie