Aus dem Matrosenleben. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Приключения: прочее
Год издания: 0
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an das was ihm, im Fall wirklich etwas passirt sei, selber bevorstand.

      Im »Logis« fand er denn auch nur zu bald seinen schlimmsten Argwohn bestätigt, und den armen Teufel von Zimmermann in der wirklich traurigsten Lage von der Welt. Als er ihm aber das Tuch vom Gesicht band und den Knebel aus dem Mund zog, war es gerade als ob er den Stöpsel aus einer Flasche Weißbier gezogen hätte, denn wie aus dieser der Schaum, so sprudelten aus dem endlich befreiten Munde des Gebundenen jetzt eine wahre Unzahl von Flüchen und Verwünschungen – die alle hier so lange festgestopft gesessen hatten – in solcher Schnelle und Kraft heraus, daß der Steward im ersten Moment wirklich vergaß seine Hände zu lösen, und nur ganz erstaunt und verdutzt neben ihm stand und ihn ansah.

      Durch den Lärm munter gemacht, wachte auch der Deutsche auf, und sah aus seiner Coye. Ueber diesen fielen sie nun Beide her und wollten von ihm erfahren, was aus den anderen geworden, und wo sie sich aufhielten. Er wußte von gar nichts – hatte keinen Menschen weggehen hören oder irgend etwas mitgetheilt bekommen, was die Absicht der Entlaufenen betreffen konnte. Er war spät an Bord gekommen, sehr müde gewesen, gleich eingeschlafen und in diesem Augenblick durch das gotteslästerliche Fluchen des Zimmermanns zum erstenmal aufgewacht.

      Aus ihm war auch nicht das mindeste herauszubekommen, und dem Steward lag jetzt die höchst unangenehme Pflicht ob, den Capitän von dem Vorgefallenen in Kenntniß zu setzen, damit dieser augenblicklich seine Maaßregeln darnach nehmen könnte. Er ging in die Cajüte hinunter, zog seine Jacke an, strich sich die Haare aus dem Gesicht und trat zu des Capitäns Coye.

      »Capitän Oilytt«, sagte er, als er ihn am Arm faßte und leise schüttelte.

      »Brandy hot«, antwortete der Capitän – »der Teufel soll das Ale holen, das brennt wie Feuer.«

      »Capitän Oilytt«, wiederholte der Steward. – Wär' er ein Zauberer gewesen, er hätte den Capitän einmal vor allen Dingen einige tausend Jahre so fortschlafen, und nachher in einer kühlen Grotte mit einer wunderschönen verwunschenen Prinzessin wieder aufwachen lassen. So aber konnte er das nicht, und schüttelte ihn noch einmal etwas stärker als das erstemal.

      »Sieben Schilling Sixpence« lautete diesmal die hartnäckige Antwort, die sich wahrscheinlich auf irgend eine gestern bezahlte Zeche bezog – »lieber Gott!« – und ein tiefer Seufzer folgte.

      »Ja jetzt ruft er den lieben Herrgott an, wenn er nicht weiß was er spricht« – brummte der Steward leise vor sich hin, »und wenn er nachher aufwacht und zur Besinnung kommt, flucht er wie ein Heide. – Und wenn er nur blos noch fluchte. – Ich muß ihn aber wahrhaftig wecken.«

      Diesmal wich der tiefe Schlaf dem stärkeren und entschlossenen Schütteln des Dieners, und der Capitän fuhr, die Augen weit aufgerissen, in seinem Bett in die Höhe.

      »Was zum Donnerwetter gibts nun?« rief er ärgerlich aus – »kann man denn in des drei Teufels Namen nicht einmal ruhig schlafen bis es Tag ist, daß du Einen mitten in der Nacht herausrütteln mußt? – was ist los? – na? – wird's bald?«

      Der Steward, der bis dahin gar nicht hatte zu Wort kommen können, sagte jetzt schnell:

      »Capitän Oilytt, die ganze Mannschaft ist fortgelaufen – der Koch und der ganze andere Schwarm. – Nur der Zimmermann und Hans – der eine Deutsche – sind noch an Bord.«

      Der Capitän war mit einem Satz aus seinem Bett und mit einem zweiten in seinen Hosen, während er eine wahre Sündfluth von Flüchen ausströmte. Damit wurde die Sache aber um kein Haarbreit geändert. Natürlich hatten der Zimmermann und der Steward die alleinige Schuld, und der zurückgebliebene Deutsche, als der Capitän wie ein Wüthender nach vorn gefahren war, sollte nun gezwungen werden zu beichten. Er wußte aber, dabei blieb er trotz allen Drohungen und Versprechungen – von gar nichts. Er hatte die ganze Nacht, wenigstens von der Zeit an wo er an Bord gekommen, bis zu der wo der Steward den Zimmermann losband, geschlafen. Früher sei, wie er weiter erzählte, allerdings vom Fortlaufen die Rede gewesen, da er aber stets fest erklärt habe daß er nicht mit ginge, hätte man ihm diesmal, wie es schiene, gar nichts davon gesagt.

      Der Capitän schäumte vor Wuth. – »Das kommt davon«, rief er, »daß ich mich mit dem verdammten fremden Gesindel eingelassen habe. – Hätte ich lauter Engländer gehabt, wäre das nicht geschehen. – Aber wartet, wartet Canaillen, Euch will ich ein Gericht einbrocken, auf das Ihr nicht gerechnet haben sollt, und hab ich Euch erst wieder, dann Gnade Euch Gott. Dann geb ich Euch mein Wort drauf, Ihr sollt Euch lieber in der Hölle als bei mir an Bord wünschen. – Und du Steward, vor allen andern, du verdientest überhaupt, daß ich dich an die Railing binden und dir 25 aufzählen ließ – du – Holzkopf du.«

      Und damit schoß er wie ein Pfeil in seine Cajüte hinunter, in seine Kleider hinein und dann an Land, die Anzeige bei der Wasserpolizei von den Entflohenen zu machen und eine Belohnung auf ihren Fang zu setzen.

      Kaum war er aber fort, und ehe sich der Steward noch von dem ersten Erstaunen über die entsetzliche Drohung erholen konnte, so kam der erste Mate schon auf ihn zu, faßte ihn am Kragen und überschwemmte ihn mit einer wahren Fluth von Schimpfreden.

      »Du Lump!« – rief er, »bist der einzige der die ganze Geschichte zu verantworten hat. – Warum hast du nicht aufgepaßt, – heh? – was zum Donnerwetter hast du denn sonst auf der Welt zu thun? – wozu bist du nütz?« –

      Nach diesem Ausbruch innerer Gefühle stieg er an Deck und lief eine gute Stunde das Quarterdeck auf und ab. Der Steward fing indessen an die Tische unten abzuwischen. Er hatte aber noch nicht einen fertig, als der zweite Mate ebenfalls den Kopf hereinsteckte.

      »Du bist doch das nichtsnutzigste miserabelste Stück Takelwerk am ganzen Bord«, sagte er, und sah den Steward an als ob er ihn mit Haut und Haaren, und ohne Pfeffer und Salz verschlingen wolle. – Damit schlug er die Thür wieder zu und ging ebenfalls an Deck. Er war die halbe Nacht an Land gewesen, und erst um Mitternacht an Bord gekommen.

      Der Steward aber setzte sich mit dem Abwischtuch in der Hand am Tische nieder, schüttelte in einem fort mit dem Kopf und murmelte leise vor sich hin.

      »Na, nu wird's Tag – ich habe die Schuld – ich bin die alleinige Ursache, daß die anderen fortgelaufen sind. – Natürlich – wenn ich nicht meine zwei Stunden geschlafen hätte, wo die anderen auf Wacht waren, hätte das alles nicht geschehen können. Na, das wird eine schöne Reise werden – ich glaube wahrhaftig, es wäre das Beste ich liefe auch fort – nachher wär ich denn doch neugierig wer die Schuld davon hat – ich wieder; natürlich. Und wieder kriegen? – wenn sie die wieder kriegen freß' ich sie – alle zusammen.« Und mit diesem kannibalischen Entschluß stand er auf und begann seine Arbeit auf's neue.

      Sechstes Capitel.

      Sydney im Dunkeln

      Eine ganze Woche war verflossen, und noch immer lag der Boreas an seinem alten Platze am Werft, ohne, trotz der darauf gesetzten Belohnung, einen einzigen von seinen Leuten wieder bekommen zu haben. Natürlich konnte er, mit einem Mann an Bord, auch nicht in See gehen, und andere Matrosen waren ebenfalls nicht zu bekommen. Der Capitän hatte schon, der schlechten Behandlung seiner Leute wegen, einen solchen Namen in Sydney bekommen, daß niemand mit ihm segeln wollte und der Goldschwindel machte überdies die Leute die extravagantesten Preise fordern.

      Natürlich mußte er unter der Zeit Arbeiter annehmen, die an Bord nothwendigen Geschäfte zu verrichten, und an diese ebenfalls sehr theuren Lohn bezahlen; das ging aber freilich alles aus der Tasche der weggelaufenen Leute und zwar von dem ihnen gut stehenden Geld was sie an Bord zurückgelassen – vorausgesetzt, natürlich, daß man sie wieder bekam. Wurden sie wieder eingefangen, so hatten sie die Arbeiterkosten für fremde Hülfe, wie selbst den auf ihr Einfangen gesetzten Preis von dem ihnen noch gut stehenden Geld, oder von ihrer nächsten Reise – und wenn die nicht zulangte, von der nächstfolgenden – zu bezahlen.

      Die Wasserpolizei war indessen, wie sie sagte, sehr thätig gewesen die Leute wieder einzubringen, oder wenigstens auf ihre Spur zu kommen, doch ohne Erfolg. Es war erst ein Pfund Sterling auf den Kopf gesetzt, und man konnte nicht gut erwarten, daß sie sich den Preis muthwillig verderben sollten, da er mit der Zeit von selber steigen mußte.

      Der