Aus dem Matrosenleben. Gerstäcker Friedrich. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Gerstäcker Friedrich
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Приключения: прочее
Год издания: 0
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rosigen Lippen – »sagst du ja?«

      »Komm nur erst an Land«, flüsterte Polly, und ehe er es sich versah, war sie ihm unter den Händen fort und ins Haus geschlüpft. Mit leuchtenden Augen folgte ihr aber Jean, und war auch gar nicht böse darüber, daß sie seinen suchenden Blick im Anfang vermied und sich mit ihrer Arbeit eifrig beschäftigte, während sie Mrs. Mac Carther ausschalt, was sie draußen herumzustreifen habe, indessen in der Stube alles drunter und drüber ging.

      In derselben Zeit übrigens, in der Jean draußen zu einem Entschluß gekommen war, hatte sich auch in der Stube selber manches geändert. Die beiden Polizeidiener, welche Mrs. Mac Carther ebenso gut kannte als ihr Mann das Vorsichtszeichen mit dem klirrenden Glas, waren, als sie sahen, daß sie weiter nichts Besonderes hören und erfahren konnten, weiter gegangen. Dafür aber war ein neuer Besuch gekommen, und zwar der Steward vom Pelican, der früher mit einem der Engländer auf ein und demselben Schiff gefahren, und heute Abend noch einmal in die Stadt gemußt hatte, mehreres Vergessene an Gemüsen und Früchten für das morgen früh in See gehende Schiff einzukaufen. Er wußte wo die Leute vom Boreas heute zusammenkamen, und schien sie dort aufgesucht zu haben. Als Jean hereinkam, waren sie im eifrigsten Gespräch. – »Und ich sage Euch«, behauptete der Steward auf einen der Gegeneinwürfe Bills, »daß ich heute morgen mit meinen eigenen Ohren und aus dem eigenen Munde Eures Capitäns gehört habe, wie er morgen früh um sechs Uhr mit dem kleinen Dampfschiff The Brothers in die Bay hinauslegen will. – Dasselbe Boot soll ihm auch dann am Montag Morgen die noch fehlenden Pferde hinausbringen und dann geht er auch wahrscheinlich noch den Montag Mittag in See. Euer Capitän war heut zweimal bei uns an Bord – das erstemal that er furchtbar dick, das zweitemal schien er sich aber doch besser besonnen zu haben, und will Euch vor allen Dingen in Sicherheit bringen. Ihr seht also daß Ihr keine Zeit mehr zu verlieren habt.«

      »Seeschlangen und Schildkröten!« brummte der eine Engländer – »das wäre ein verdammter Streich. Deshalb wollte uns also der alte schlaue Fuchs morgen erst das Geld geben. Nachher hatte er uns alle sicher an Bord, und setzte uns am Ende gar noch ein paar von den Polizeiknechten oben drauf.«

      »Und Ihr wißt uns einen Platz, Mac Carther«, sagte der eine von den Franzosen, »wo Ihr uns sicher unterbringen könnt? – Wahrhaftig ich komme heute Abend mit Sack und Pack an Land.«

      Mac Carther ging fort als ob er die Frage nicht gehört hätte, seine Frau aber, die indessen zum Tisch getreten war, sagte mit halb unterdrückter Stimme auf französisch:

      »Laßt ihn gehen – er darf sich mit den Geschichten nicht befassen, denn kommt so etwas vor Gericht, so muß er am Ende schwören, und wenn er nichts davon weiß, kann er das auch mit gutem Gewissen. Ich werde dafür aber schon sorgen. Bringt nur heute Abend spät Eure Kleidungsstücke her – die Hinterthüre kennt Ihr ja, wenn die vordere Thür geschlossen sein sollte, und mit Tagesanbruch schaff ich Euch aus der Stadt. Es ist ein Arbeiter von meinem Schwager über der Bay drüben gerade hier, und mit dem könnt Ihr Holz schlagen oder Segel machen, zu was Ihr Lust habt, bis das Schiff fort ist.«

      »Was zum Teufel ist das für ein Gewälsch,« brummte Bill. – »Redet englisch, daß ein anderer auch ein Wort verstehen kann.«

      »Seid ruhig, Jean wird es Euch übersetzen«, flüsterte Mrs. Mac Carther, »es sind hier noch andere Ohren, die gerade nicht zu wissen brauchen, über was wir gesprochen haben.« Damit wandte sie sich vom Tisch ab, und trat hinter ihren Schenkstand zurück. Die Leute vom Boreas flüsterten aber noch eine Weile miteinander, und verließen dann die Schenke. Jean selbst hatte mit Polly keine weitere Abrede nehmen können.

      Viertes Capitel.

      Die Flucht von Bord

      Der Boreas, ein volles Schiff, lag dicht am Patent Slip – eine Art Dock, wo hinauf die Schiffe durch Maschinerie gezogen werden, bis sie vollkommen trocken zu liegen kommen, und bis zum Kiel hinunter nachgesehen und ausgebessert werden können. Nach dem Herunterlassen hatte der Boreas dicht daneben angeholt, seine Takelage nachgesehen, Ballast, Wasser, Mais, Heu und Pferde eingenommen, und lag nun dort dicht an dem abgebauten Werft vor einem Anker, der nach der Bay zu ausgeworfen war. Zwei starke Taue hielten noch außerdem das Schiff am Land befestigt, und man stieg an der Fallreepstreppe gleich von Bord auf das Werft hinunter.

      Die Mannschaft des Boreas kam in einzelnen Gruppen, zu zweien und dreien, an Bord zurück. Der Zimmermann, ein Engländer, hatte die Wacht als sie kamen, und die Leute gingen rasch in das Vorcastle hinunter, diese Zeit zu benutzen und ihre Sachen zusammenzupacken.

      Den Zimmermann und Mate durften sie natürlich nichts merken lassen; der Mate schlief aber gewöhnlich um diese Zeit schon. Einer von ihnen blieb bei dem Zimmermann an Deck, um, wenn irgend einer der Officiere Miene machen sollte hinunter zu ihnen zu steigen, das verabredete Zeichen zu geben, d. h. irgend etwas Schweres auf Deck fallen zu lassen. Es konnte das ohne Aufsehen geschehen.

      Jean war an Deck und schlenderte mit dem Zimmermann langsam den Gangweg auf und nieder. – Er erzählte ihm Geschichten aus der Provence, um ihn beschäftigt zu halten, und es gelang ihm auch so weit, daß er seinen Cameraden vollständig Zeit verschaffte sich zu rüsten. Die einzige Schwierigkeit war jetzt ihre Sachen an Deck zu bringen und von hier damit an Land zu kommen, ohne daß Lärm geschlagen wurde. In dem Fall befanden sie sich nämlich in einer höchst fatalen Lage, da nur ein ganz schmaler langer Weg von dem Werft an dem sie lagen nach Sussexstreet hinaufführte, und eine Masse von Constablern in der Gegend fortwährend auf und ab gingen. Der geringste Lärm konnte einen davon an den Eingang der Straße führen und dann hatte er, wenn er wollte, zwanzig Andere mit Blitzesschnelle zu seiner Hülfe herbeigezogen.

      Am besten wäre es gegangen, wenn sie eines der an den Pfählen befestigten Boote geborgt hätten, und damit an das gegenüber liegende Ufer der Bay gefahren wären. Auf jeden Fall konnten sie solcher Art ihre Sachen am leichtesten in Sicherheit bringen. Dort drüben standen auch noch keine, oder nur wenige Häuser, keinenfalls waren Polizeidiener dort. Sie selber brauchten nur bis Georgestreet hinaufzugehen, wo sie die dort einlaufende Bay umgangen hatten, und konnten dann ihr ganzes Gepäck leicht und ohne Verdacht zu erregen quer über Georgestreet in das Wirthshaus zum goldenen Kreuz schaffen.

      Es war noch nicht zwölf als der zweite Mate vom Land an Deck kam und nach vorne ging. Jean stand mit dem Zimmermann gerade an der Cambuse, und als er die dunkle Gestalt auf sich zukommen sah, stieß er mit dem Fuß an eine dort zufällig liegende Handspake, nahm sie auf und warf sie von sich, daß sie mit lautem Gepolter auf Deck niederschlug.

      »Gott verdamme das verwünschte Holz«, fluchte er dabei, und hielt sich den Fuß – »stößt man sich auf dem sakermentschen Deck auch noch die Gliedmaßen zu Schanden.«

      »Was für ein Heidenlärm ist denn das da drüben?« rief der Mate ärgerlich und kam herüber nach Backbord. – »Wer ist da? Jean? kommt Ihr eben erst von Land?«

      »Nein, ich bin schon fast eine Stunde mit dem Zimmermann hier auf- und abgegangen.«

      »Chips«3 sagte der Mate, und zog den Zimmermann etwas bei Seite – »haltet Eure Augen offen. – Im Vorcastle war eben, als ich auf Deck kam, noch Licht – jetzt ist's aber aus. Sind die Leute schon lange an Bord?«

      »Die letzten kamen vor etwa einer halben Stunde – ich denke sie sind jetzt wohl zu Coye gegangen«, sagte der Zimmermann. »Wie viel Uhr ist's? – es muß bald Mitternacht sein.«

      »In fünf Minuten etwa ist's zwölf«, sagte der Mate – »ich will den Steward jetzt wecken, um zwei Uhr löst Ihr ihn wieder ab. Beim geringsten Verdächtigen was Ihr seht, ruft Ihr mich. Ihr könnt zu Bett gehen, Jean«, wandte er sich dann lauter an den indessen weiter nach vorne gegangenen Matrosen. – »Es wird gleich 12 Uhr sein.«

      »Soll ich Bill rufen?« frug Jean, der stehen blieb – »ich glaube Bill hat die nächste Wacht.«

      »Nein, ist nicht nöthig«, lautete die Antwort. – »Ihr könnt alle zu Coye gehen.«

      »Das ist eine schöne Geschichte«, dachte Jean, als er in das Logis hinabstieg, die übrigen mit dem neuen Befehl bekannt zu machen. Vorher lauschte er aber noch eine Weile unter der Logiscap, zu sehen ob ihm auch niemand folge.


<p>3</p>

Chips, Spähne, wird der Zimmermann gewöhnlich auf den Englischen Schiffen genannt.