Mir graut nicht vor dem, was kommt; die Kräfte müssen drauf losstürmen; so lange die Reichen ihr Recht so fürchterlich mißbrauchen, wie sie es tun, müssen die Vernichtungskräfte arbeiten. Aber ich weiß, welches die Fortschrittslinie ist, und daß die Menschen niemals darüber hinauskommen. – Du solltest Mutter in diesen Tagen unten im Mistkeller stehen sehen, wie sie ihren Mistprinzen Mist aufladen sieht! Nun ja, er ist auch tüchtig, das finden alle; aber Mutters Schwärmerei für ihn kennt keine Grenzen; wenn sie wieder hereinkommt, geht ein Duft von ihr aus, daß wir lachen müssen. – Denk Dir, der Mist im Keller war so eingefroren, daß wir ihn mit Sprengschüssen sprengen mußten und wegfahren wie Steine. Jetzt ist er fort. Noch nie ist es so rasch gegangen mit so wenig Hilfe. Wir sind Nummer eins im Dorf, und das ist Erlings ganzer Ehrgeiz. – Die neue Haushälterin ist eine prächtige und tüchtige Person; ich habe sie Even Toft zur Frau bestimmt. Paß nur auf! – Der Nordrum kalbt jeden Tag, wir essen Biestermilchkäse, Mädel, wie andere frische Milch trinken. Und Kalbfleisch und Kalbfleischsuppe natürlich. – Es ist möglich, daß Du jetzt einen Monat lang keinen Brief von mir bekommst, der Erzählung wegen; ich muß jeden Augenblick ausnutzen. Aber andere werden Dich schadlos halten.
Liebe Bergliot, Mutter hat sich im Liegen die Hand verstaucht – hast Du schon so was gehört? – Sie kann nicht schreiben. – Jenny ist hier und hat Anna Finsen mit, gestern große Umkalfaterung im Garten, die alten Stachelbeerbüsche weg usw. Neues dafür. – Noch kein Frühling ist, so lang’ ich denken kann, so schön gewesen in Norwegen wie dieser. 16 und 17 Grad Réaumur jeden Tag. Die Hühner im Sommerstall (wir haben fast keine mehr, Erlings Hunde haben sie gefressen; neulich fraß „Han“ noch eines!), die Frühjahrsbestellung fast fertig. – Wir haben die Mitte des Altans wegnehmen müssen und sind auf diese Weise in der Lage, sie reichlich eine Elle vorrücken zu können, so daß wir nun Platz für einen Tisch und doch noch reichlich Platz zum Spazierenlaufen haben. —
Letztesmal schriebst Du einen netten, langen Brief. Nein, daß Du tanzt und Dich amüsierst, dagegen habe ich gar nichts; aber dagegen, daß Du an den öffentlichen Vergnügungen der Skandinavier teilnimmst; davon hat man nichts als Kritik und Undank; bist Du glücklicher dran – um so besser!
Nein, Du sollst Deine Zeit in Paris bleiben und keinerlei Rücksichten nehmen, weder jetzt noch später, wenn es gilt, vorwärts zu kommen.
Hör’ nun auf, Dich um mich zu ängstigen; ich werde schon den Mund auftun, wenn es notwendig ist. Aber ich denke, wir schaffen’s.
Wenn ich jetzt ein Bild vom norwegischen Frühling geben könnte, so wie er in diesem Augenblick durchs Fenster zu mir hereinschaut; und wenn Du’s Werenskjold vorläsest, so käm’ er vielleicht doch hierherauf. Er hätte hier freie Wohnung in selbigem norwegischen Frühling, und falls er es obendrein bleiben lassen wollte, mich zu malen, so wäre mein Glück, ihn und seine Frau hier zu haben, vollkommen. Das Bild der Schnitter den Hang hinauf, – es steht vor mir, o Gott, – wie herrlich das wäre! – In ein paar Tagen lassen wir das Vieh wieder auf die Weide; den Anblick mußt Du einmal wieder genießen. Björn kommt auf eine Spritztour hierherauf und wird es dann sehen. Neulich kamen die kleinen Mädels, die die fremden Schafe wegjagen, bis an den Kuhstall und schrien und lachten, als man just Mittag läutete. Die Kühe fuhren – 40 bis 50 große und kleine – auf hinter den Raufen; aber der Lärm weckte den Stallhund, und der Hund und der Lärm und die Glocke und die Frühlingswärme stiegen den Kühen zu Kopf, erst sprang die eine, dann die andere auf – alle brüllten der Stunde der Befreiung entgegen; ich war in der Nähe; ich dachte, es sei was los; aber es war nichts weiter, als daß alle die Köpfe über die Raufen streckten und nach dem Engel und der Stunde der Befreiung ausschauten, während sie dabei brüllten, was ihre Lungen halten wollten! Die im Kuhstall geborenen, die noch keine Ahnung von Frühling und Weide haben, drängten sich ängstlich aneinander; sie begriffen die Erinnerungen und Hoffnungen ihrer Mütter und Väter nicht und ebensowenig ihre wilden Gebärden. – Meine Lektüre ist zurzeit: die Entwicklungsgeschichte der Moral von Ch. Letourneau, übersetzt von Boye (Schubothes Verlag). Das mußt Du lesen, wenn Du heimkommst; Werenskjold sollte es auch lesen. Danke W. für die Mitteilung von der Geburt seiner Tochter; hol’ mich der Teufel – ich werd’ ihm schreiben. – Hier soll auf Solbakken großes 17. Maifest sein. Arvesen und Björn kommen. Leb’ wohl, süße Bergliot.
Mein Liebling, daß Du so ganz mißverstanden hast, was ich von Deinem Gesang erwarte? Ich habe mich ja gewehrt gegen den Glauben, Du könntest eine Bühnensängerin oder Weltberühmtheit werden oder alles so was; aber ich erwartete, daß Dir etwas von dem geschenkt würde, was keine norwegische Sängerin bisher gehabt hat; die Gabe, uns zu packen und hinzureißen, d. i. die Macht der Persönlichkeit in der Stimme, lieblich, stark, jubelnd oder klagend, so daß wir den lieblichen Sommertag, die starke Lebensfreude, die nordische Wehmut fühlten. All die anderen sind gute Stimmen – weiter nichts. Ein bißchen Leidenschaft, ein bißchen Zärtlichkeit, ein Hauch von Energie, aber keine tiefere Persönlichkeitsbotschaft für uns. Das glaube ich, wird Deine Stimme haben; ja, hat es bereits.
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