Zu konstatieren sind zwei Dinge: Die UN-Leitprinzipien sind weltweit anerkannt; zahlreiche Standards oder Dokumente, die sich mit der Verantwortung von Unternehmen für die Wahrung der Menschenrechte auseinandersetzen, nehmen auf sie Bezug. Beispiele sind die OECD-Leitsätze für internationale Unternehmen, deren Neufassung im Jahr 2011 an die UN-Leitprinzipien angepasst wurde, die „ICC Guidelines for International Investment“, der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte in Deutschland und der Schweiz. Sie haben Gesetze wie den UK Modern Slavery Act beeinflusst;86 das Konzept der „human rights due diligence“, das in den Leitprinzipien entwickelt worden ist, ist ein Kernelement vieler Richtlinien und Hinweise, die die Auswirkungen wirtschaftlicher Tätigkeit auf Menschenrechte zum Gegenstand haben,87 wie beispielsweise die OECD Due Diligence Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict Affected and High-Risk areas. Auch das LkSG entleiht wesentliche Konzepte und Anforderungen den UN-Leitprinzipien.
Andererseits hat sich herauskristallisiert, dass allein das Vertrauen auf die Selbstbindung der Wirtschaft keinen signifikanten Fortschritt gebracht hat.
77 Report of the Special Representative of the Secretary General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie, A/HRC/17/31, 21.3.2011, S. 3. 78 Report of the Special Representative of the Secretary General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises, John Ruggie, A/HRC/17/31, 21.3.2011, S. 3. 79 Human Rights Council Resolution 8/7. Mandate of the Special Representative of the Secretary General on the issue of human rights and transnational corporations and other business enterprises. 80 UN Doc A/HRC/RES/17/4 vom 16.6.2011. 81 Siehe General Principles der UN Guiding Principles “Nothing in these Guiding Principles should be read as creating new international law obligations, or as limiting or undermining any legal obligations a State may have undertaken or be subject to under international law with regard to human rights”. 82 Es handelt sich hierbei also nicht um die „international anerkannten drei Säulen des Risikomanagements“, wie Ruttloff/Wagern/Reischl/Skoupil, CB 2021, 369, meinen. 83 Khoury/Whyte, Corporate Human Rights Violations, S. 54. 84 Re-righting business: John Ruggie and the struggle to develop international human rights standards for transnational firms, S. 5. 85 Wettstein, Journal of Human Rights 2015, S. 14, 162, 163. 86 Good Business, Implementing the UN Guiding Principles on Business and Human Rights, Presented to Parliament by the Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs by Command of Her Majesty, Mai 2016 (https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/522868/Good_Business_Implementing_the_UN_Guiding_Principles_on_Business_and_Human_Rights_print_version.PDF). 87 Study on due diligence requirements through the supply chain, Final Report, S. 161.
VI) Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte
Im Koalitionsvertrag für die 18. Legislaturperiode vom Oktober 2013 bis zum Oktober 2017 vereinbarten CDU, CSU und SPD, darauf zu dringen, „dass transnationale Unternehmen soziale, ökologische und menschenrechtliche Standards einhalten“ und die UN-Leitprinzipien auf nationaler Ebene umzusetzen.88 Verschiedene Ministerien begannen unter Federführung des Auswärtigen Amtes mit der Abfassung eines „Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte“ (NAP). Er wurde im Dezember 2016 vom Bundeskabinett beschlossen. Im NAP kam die Erwartung der Bundesregierung zum Ausdruck, dass Unternehmen bestimmte Maßnahmen zum Schutz ergriffen. Zu diesen zählten vor allem die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung zum Schutz der Menschenrechte, die Durchführung von Verfahren zur Ermittlung tatsächlicher und potenziell nachteiliger Auswirkungen auf die Menschenrechte, die Umsetzung von Maßnahmen zur Abwendung negativer Auswirkungen und die Überprüfung dieser Maßnahmen, Berichterstattung über die Maßnahmen und die Einführung eines Beschwerdemechanismus.89 Der NAP sah darüber hinaus vor, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen durch die Unternehmen überprüft werden sollte; für den Fall, dass die Überprüfung ergeben sollte, dass die Unternehmen die Vorgaben des NAP nicht in hinreichendem Umfang umsetzten, sah dieser weitergehende Maßnahmen „bis hin zu gesetzlichen Vorgaben“ vor. Die Koalitionsparteien hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie national gesetzlich tätig werden und sich für eine EU-weite Regelung einsetzen würden, falls die Überprüfung des NAPs zu dem Ergebnis führe, dass die freiwillige Verpflichtung der Unternehmen nicht ausreiche.
Die Überprüfung der Umsetzung ergab, dass lediglich 13 – 17 % der betrachteten Unternehmen die Anforderungen des NAP erfüllten und sich weitere 10 bis 12 % auf einem guten Weg befanden.
Im Hinblick auf diese Ergebnisse befürworteten der Bundesarbeitsminister Heil und der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Müller die schnelle Einführung eines „Lieferkettengesetzes“. Die angekündigte Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs wurde jedoch mehrfach verschoben, weil es den beteiligten Ministerien nicht gelang, sich auf eine gemeinsame Linie zu verständigen. Der Bundeswirtschaftsminister fürchtete eine übermäßige Belastung der Unternehmen und Wettbewerbsnachteile. Umstritten war dabei vor allem die Frage, ob das Gesetz eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen wegen Verstößen gegen die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht vorsehen sollte; auch der Schwellenwert, ab dem das Gesetz auf Unternehmen anwendbar sein sollte und der Übergangszeitraum bis zum Inkrafttreten waren Streitpunkte.
Schließlich stellten aber die Minister Müller, Heil und Altmeier auf einer Pressekonferenz am 12.02.2021 einen gemeinsamen Gesetzesentwurf vor.
88 S. 125 des Koalitionsvertrages. 89 NAP, S. 8ff.
VII) Internationale Gesetzgebung zu menschenrechtlichen Pflichten von Unternehmen
1) Herangehensweisen
Wie ausgeführt, setzt sich zunehmend die Auffassung durch, dass die Selbstverpflichtung von Unternehmen auf menschenrechtliche Standards oder freiwillige Maßnahmen allein keinen effektiven Schutz der Menschenrechte im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Tätigkeit gewährleisten können. Es gibt daher in vielen Ländern Gesetze oder konkrete Gesetzgebungsvorhaben, die Pflichten von Unternehmen zur Achtung menschenrechtlicher Standards zum Gegenstand haben.
Grundsätzlich lassen sich dabei zwei Ansätze unterscheiden. Einer besteht darin, die Risiken, die mit der Geschäftstätigkeit von Unternehmen verbunden sind, sowie die Maßnahmen transparent zu machen, mit denen die Unternehmen diese Risiken zu minimieren versuchen. Den Unternehmen werden dazu Berichtspflichten auferlegt. Diese Herangehensweise zielt auf die Macht des Marktes. Konsumenten sollen in die Lage versetzt werden, bei ihren Kaufentscheidungen zu berücksichtigen, inwieweit Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden; die Angst um die eigene Reputation soll Unternehmen dazu bewegen, menschenrechtliche Risiken im Zusammenhang