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Vorsatz ist das Wissen und Wollen der Verwirklichung eines objektiven Tatbestands.542 Das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit, also aktuelles Unrechtsbewusstsein, ist nach herrschender Meinung (sog. Vorsatztheorie)543 im Zivilrecht (anders als im Strafrecht, in dem die sog. Schuldtheorie gilt544) ebenfalls Voraussetzung für den Vorsatz. Bedingter Vorsatz genügt.
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Er ist schon dann anzunehmen, wenn der als möglich erkannte pflichtwidrige Erfolg billigend in Kauf genommen wird.545 Vertraut der Schädiger andererseits darauf, der Schaden werde nicht eintreten („es wird schon gut gehen“), handelt er nur bewusst fahrlässig.546 Behauptungen „ins Blaue hinein“, d.h. ohne hinreichende Erkenntnisgrundlage (die etwa erlangt werden könnte durch Rückfrage bei dem, der es wissen könnte, die Durchsicht von Unterlagen etc.), sind vorsätzlich.547 Denn derjenige, der verschweigt, dass ihm die zur sachgemäßen Beurteilung des Erklärungsgegenstands erforderliche Kenntnis fehlt, rechnet regelmäßig mit der Möglichkeit, dass seine Angaben nicht der Wahrheit entsprechen. Gleiches gilt für „Verschweigen auf gut Glück“.548
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Vorsätzliches Verhalten liegt erst recht in einem bewussten „Stehenlassen“ oder gar Fördern eines erkennbaren Irrtums des Käufers.549
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Arglist – als eine Ausprägung des Vorsatzes, die Rechtsprechung zum Verschulden bei Vertragsverhandlungen unterscheidet nicht immer zwischen beiden Begriffen550 – ist das Wissen, dass gemachte Angaben unzutreffend sind, obwohl sie für die Entschließung des Vertragspartners bedeutsam sind.551 Arglist erfordert Vorsatz, aber keine Absicht.552 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt ein Verkäufer auch arglistig, wenn er zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kaufentschluss seines Kontrahenten hat, ohne tatsächliche Grundlagen „ins Blaue hinein“ unrichtige Angaben macht.553 Der (bedingte) Vorsatz muss sich dabei auf die zu offenbarenden Umstände und die Tatsachen beziehen, die dazu führen, dass der Käufer den Vertrag in Kenntnis dieser Umstände nicht geschlossen hätte, nicht aber auf die Existenz der Aufklärungspflicht.554
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Abzustellen ist bei alledem nicht nur auf den Verkäufer (bei natürlichen Personen auf diese selbst, bei juristischen Personen auf das Organ der juristischen Person), sondern auch auf Personen, deren Verhalten sich der Verkäufer zurechnen lassen muss. Dies sind seine Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB) und seine Wissensvertreter (§ 166 BGB analog).555 Zudem muss er sich das üblicherweise aktenmäßig oder in elektronischen Dateien556 festgehaltene Wissen in seinem Unternehmen zurechnen lassen557 und es kommt zu einer Wissenszusammenrechnung. Mit anderen Worten: Dass „der Verkäufer selbst“ die offenzulegende Informationen kennt, was ja denklogische Grundvoraussetzung einer Aufklärungspflicht ist (man kann nicht über etwas aufklären, das man selbst nicht weiß), ist im Rahmen der Aufklärungspflichten irrelevant, weil Kenntnis nach der Rechtsprechung anzunehmen ist, wenn Wissen dem Verkäufer nach diesen Grundsätzen zuzurechnen ist.558 Darauf wird näher einzugehen sein.
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Kommt es zu Post-M&A-Streitigkeiten und stehen Aufklärungspflichtverletzungen im Raum, spielen Fragen der Beweislast regelmäßig eine große Rolle. Den Käufer, der eine Aufklärungspflichtverletzung behauptet, trifft die Darlegungs- und Beweislast dahingehend, dass eine Aufklärungspflicht bestand, aber die Aufklärung unterblieben ist.559 Nicht darzulegen und zu beweisen hat der Käufer hingegen den subjektiven Tatbestand, also das zumindest bedingt vorsätzliche Verhalten des Verkäufers.560 Insoweit muss sich nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB der Verkäufer entlasten. Auch die Kausalität (zwischen Aufklärungspflichtverletzung und Vertragsschluss) muss der Käufer nicht darlegen und beweisen. Hinsichtlich der Beweislast bei der haftungsausfüllenden Kausalität hilft dem Käufer ebenfalls die Rechtsprechung, weil der Käufer im Regelfall nicht in der Lage sein wird, nachzuweisen, wie sich die Parteien bei ordnungsgemäßer Aufklärung verhalten hätten.561 Wenn er am Vertrag festhält, ist er so zu behandeln, als wäre ihm bei Kenntnis der Sachlage gelungen, den Kaufvertrag zu einem günstigeren Kaufpreis abzuschließen.562 Der Käufer muss also nicht beweisen, dass sich die Parteien bei zutreffender Aufklärung auf einen niedrigeren Kaufpreis oder sonstige günstigere Bedingungen geeinigt hätten. Deshalb kann sich der Verkäufer auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass er den Kaufvertrag zu einem niedrigeren Preis oder sonstigen günstigeren Bedingungen nicht abgeschlossen hätte.563
(b) Falschangaben
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Falschangaben (die zur besseren Abgrenzung zu Aufklärungspflichten regelmäßig aber redundant als „positive Falschangaben“ bezeichnet werden) führen, trotz ihres hohen Risikoprofils, in Rechtsprechung und Literatur zum Unternehmenskauf ein Schattendasein.564 Sie können auch bei formbedürftigen Verträgen außerhalb der Vertragsurkunde gemacht werden, auch bloß mündlich.565 Für Ansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen ausreichende Falschangaben können etwa im Rahmen der Q&A, der Management-Präsentation, der Expert Sessions, bei den Verhandlungen aber auch bei bloß formlosen „Pausengesprächen“566 während einer Verhandlungsunterbrechung gemacht werden.
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Macht der Verkäufer falsche Angaben über das Zielunternehmen, ist darin eine Verletzung der aus dem vorvertraglichen