1.4 Anglo-amerikanische Vertragstechnik und Konzepte; Englisch als Vertragssprache
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Der wachsende Einfluss anglo-amerikanischer Vertragstechnik und Konzepte sowie der zunehmende Gebrauch der englischen Sprache für dem deutschen Recht unterliegende Unternehmenskaufverträge ist allerdings auch mit Gefahren verbunden, denen sich der vertragsgestaltende deutsche Jurist bewusst sein sollte.
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Die Verwendung der englischen Sprache bei Anwendung deutschen Rechts kann besondere Unsicherheiten verursachen. Die in einem Vertrag verwendeten Begriffe werden selten isoliert und autonom verwendet, sondern regelmäßig vor dem Hintergrund der – eigenen – Rechtsordnung. Fremde Rechtstermini sind in der Regel Funktionsbegriffe, die sich aus dem Kontext ihres Heimatrechts nicht ohne weiteres lösen lassen, ohne Bedeutungsveränderungen zu unterliegen.104 Drei banale Beispiele mögen dies verdeutlichen: Spricht ein deutscher Jurist vom „Kauf“, meint er regelmäßig nur das schuldrechtliche Rechtsgeschäft, nicht auch die dingliche Einigung. Spricht er von der „Veräußerung“, meint er das dingliche Rechtsgeschäft.105 Verwendet er das Wort „unverzüglich“, so wird er auch außerhalb des Anfechtungsrechts (dort legal definiert in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) damit „ohne schuldhaftes Zögern“ meinen. Der deutsche Vertragsjurist denkt in die von ihm verwendeten Begriffe den ihm geläufigen „Begriffshimmel“ hinein. Ein Jurist aus einer Common-Law-Jurisdiktion verfährt ähnlich, nur eben aus anderer, seiner Perspektive und unter seinem „Begriffshimmel“. Um sicher zu sein, dass sich die vom deutschen Juristen gewünschte Interpretation als maßgeblich durchsetzt, ist dringend zu empfehlen, hinter bestimmten englischen Begriffen in Klammerzusätzen die deutschen Fachtermini zu nennen und ausdrücklich vertraglich zu vereinbaren, dass im Zweifel die deutschen Fachtermini maßgeblich sind.
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Im Common Law besteht die Notwendigkeit, Verträge detaillierter auszuarbeiten. Dort gibt es kein dem deutschen Recht entsprechendes nachgiebiges Recht als Auffangnetz und keine „typischen Schuldverhältnisse“ als Auffangregelung, die eingreifen, wenn der Vertrag schweigt.106 Gebote wie das von „Treu und Glauben“ (§ 242 BGB) sind jedenfalls dem englischen materiellen Recht fremd. Die angloamerikanischen Auslegungsregeln sind starr und wortgläubiger als die deutschen. Grundsätzlich kommt es auf den Vertragswortlaut an, Sinn und Zweck treten dahinter zurück.107 Die Verhandlungsgeschichte darf z.B. nach englischem Prozessrecht bei der Vertragsauslegung nicht berücksichtigt werden, wenn dies zur Änderung, Ergänzung oder Widerlegung des schriftlichen Vertragstextes führt. US-amerikanische und englische Parteien scheuen Auseinandersetzungen vor staatlichen Gerichten. Denn das anglo-amerikanische Prozessrecht ist in besonderem Maße zeit- und kostenaufwendig. Die dadurch verursachte Tendenz zur detaillierten, genauen und präzisen (dafür aber auch längeren, auf „enzyklopädische Vollständigkeit“108 bedachten) Vertragsgestaltung birgt auch Risiken: Der Rückgriff auf deutsches nachgiebiges Recht kann dadurch – oft auch unbewusst – aus den Angeln gehoben werden. Denn man kann aus der detaillierten vertraglichen Regelung u.U. den Umkehrschluss ziehen, dass der gesamte Regelungsbereich nun abschließend durch die detaillierte vertragliche Klausel geregelt werden, ergänzendes deutsches nachgiebiges Gesetzesrecht also abbedungen sein soll. Zudem verleitet die Länge und Komplexität in Verbindung mit Textverarbeitungsprogrammen zu einem gedankenlosen „Copy and Paste“ sowie oberflächlicher Textanalyse.109 Dabei versteht es sich von selbst, dass es gerade bei detaillierten Vertragsklauseln und Vertragsdokumentationen auf jedes einzelne Wort sowie die Systematik besonders ankommt. (Nur) Wenn man sich dessen bewusst ist und danach handelt, erweist sich die Verwendung anglo-amerikanischer Dokumentationsstandards und der englischen Sprache als sachgerecht.
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Bei der Verwendung englischer Sprache in Verträgen sollten zunächst einige banale, aber wichtige Grundsätze beachtet werden:
– Für dieselbe Sache sollte immer derselbe Begriff verwendet werden. Das ist freilich keine Besonderheit der englischen Vertragssprache.
– Sachverständige werden „jointly“, nicht „mutually“ „appointed“.110
– Eine erschöpfende, abschließende Auflistung ist „exhaustive“ oder „comprehensive“,111 nicht „complete“.
– Angemessen in quantitativer Hinsicht (gerade noch genug/ausreichend) ist „adequate“, in qualitativer Hinsicht „appropriate“.112
– Ein Vertrag zwischen zwei Parteien wird „between the parties“ geschlossen, eine Auswahl aus mehr als zwei Optionen erfolgt „among“ diesen Optionen.113
– Um im englischsprachigen Vertrag, der deutschem Recht unterliegt, zweifelsfrei eine Verpflichtung auszudrücken, ist bevorzugt „shall“, „shall be obliged“ oder „undertakes“ zu verwenden. „Will“ drückt regelmäßig keine Verpflichtung, sondern ein Wollen oder eine Erwartung aus114 und bietet sich deshalb bei der Gestaltung von Letters of Intent oder anderen Vorfeldvereinbarungen115 an. Allerdings soll im Kontext von M&A-Transaktionen auch „will“ eine bindende Bedeutung zukommen.116 Falsch ist die Verwendung von „shall“ im Futur, wenn es etwa in Definitionen heißt „...shall mean...“ statt „...means...“. Denn sowohl im deutschen wie im englischen Recht stehen Verträge grundsätzlich im Präsens und nicht im Futur.117
– Verweise (Cross References) sind konkret vorzunehmen. Sind sie es nicht, erfüllen sie ihren Zweck nicht, sind regelmäßig unnötig und Ausdruck von Trägheit. Auch dies ist freilich keine Besonderheit der englischen Vertragssprache.
– „Hereby“ und „herewith“ werden oft falsch verwendet. „Hereby“ bedeutet „hierdurch“ („The parties hereby declare, ....“), „herewith“ bedeutet „anbei“.118
– „From 1 August“ kann missverstanden werden, besser formuliert man: „Starting on 1 August“ („ab Beginn des“). Dann ist klar, dass dieser Tag mitgezählt wird. „Until 1 August“ kann ebenfalls missverständlich sein, besser: „Until and including 1 August“ („bis einschließlich zum“).
– „And/or“ ist bequem und wird deshalb, wie auch im Deutschen („und/oder“), gern verwendet,119 letztlich aber nachlässig formuliert und kann fehlinterpretiert werden. Leider sind die alternativ vorgeschlagenen Formulierungen zwar unmissverständlich, aber umständlich: Erwägt man „and/or“ zu verwenden, um – wie beim lateinischen „vel-vel“120 – ein einschließendes „oder“ auszudrücken, wird empfohlen, „either A or B or both“ zu formulieren. Daher kann man die Verwendung von „and/or“ jedenfalls dann als lässliche Sünde ansehen, wenn das Gewollte ohne weiteres durch Auslegung des Vertragswortlauts ermittelt werden kann.
– „Whereas“ in einer Präambel ist überholt. Statt „Recitals“ sollte man die Präambel auch als solche (Preamble)121 benennen oder mit „Background“ überschreiben.
– „Now it is hereby agreed as follows“ oder „Whereby it is agreed as follows“ als Einleitung zum Hauptteil (Substantive Terms) eines Vertrags sind überholt. Es genügt die simple Überschrift „Agreement“.
– Nicht selten enthalten Vertragsklauseln den Zusatz „provided that“. Dies sollte, auch wenn dessen Verwendung bequem ist und häufig erfolgt, wenn möglich vermieden oder zumindest durch deutschen Klammerzusatz erklärt werden. Im englischen Recht, in dem sich die Gerichte seit dem Jahr 1430 mit der Auslegung des „provided that“ befassen,122 signalisiert es bei richtiger Verwendung eine nachfolgende Ausnahme, die eine allgemeinere Regel einschränkt oder qualifiziert.123 Ist dieser Bedeutungsgehalt gewünscht, lässt sich die gewünschte Regelung, nämlich die Einführung einer Einschränkung oder Ausnahme,