2. Wesentliche Beteiligte
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Das Verfahren, in dem in Deutschland Unternehmen gekauft und verkauft werden, entspricht, wie gesehen,158 inzwischen professionellen internationalen Standards, an dem oft eine Vielzahl professioneller Beteiligte mitwirken.
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Beteiligte an M&A-Projekten sind, neben dem Verkäufer, dem Käufer und der Zielgesellschaft, oft auf beiden Seiten
– deren Finanzberater (regelmäßig Investmentbanken),
– finanzierende Banken,
– (immer häufiger) W&I-Versicherungen,
– Wirtschaftsprüfer und
– Steuerberater.
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Regelmäßig betrauen Verkäufer und Käufer außerdem jeweils einen externen Rechtsanwalt (oft ausgestattet mit den notwendigen Ressourcen, um bei Bedarf das erforderliche Spezialistenwissen, auch in ausländischen Rechtsordnungen, beizutragen und um auf die etwa im Rahmen einer Due Diligence oder Closing-Vorbereitung phasenweise erforderliche „Man Power“ zurückgreifen zu können), um sie bei der Transaktion zu beraten.
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Die Rolle dieses M&A-Anwalts ist anspruchsvoll und erfordert einen Strauß von unterschiedlichen Fähigkeiten und Eigenschaften:
– Persönlichkeit: Als M&A-Anwalt führt man – projektbezogen – intern oft große Teams mit hoch spezialisierten Berufskollegen, nicht selten aus unterschiedlichen Jurisdiktionen, fast immer aus unterschiedlichen Rechtsgebieten. Der M&A-Anwalt ist „Schnittstelle“ zu den internen Fachabteilungen des Mandanten, aber auch zu den Leitern der Teams, die die zahlreichen weiteren „Work Streams“ organisieren (Steuern, Accounting, Pensions, HR etc.), und ihm obliegt es oft, die Ergebnisse dieser Work Streams (etwa in dem Entwurf des Unternehmenskaufvertrags) zusammenzuführen. Manchmal begleitet er die unternehmerischen Entscheidungen der Gremien des Mandanten. Er ist zudem oft, jedenfalls im Stadium der Vertragsverhandlungen und des Vollzugs, „Hauptansprechpartner“ der Gegenseite. Dies erfordert Führungsqualitäten, gute Kommunikationsfähigkeiten, Überzeugungskraft, Verhandlungsgeschick und Flexibilität.
– Projektmanagement: Unternehmenskäufe und -verkäufe sind oft große, über Monate andauernde Projekte mit vielen Beteiligten und zahlreichen Unwägbarkeiten. Sie müssen effektiv und effizient geplant und „gemanaged“ werden. Dabei gewinnen die rechtlichen Aspekte (Vermeidung von Verstößen gegen das Datenschutzrecht während der Due Diligence,159 Vermeidung von Verstößen gegen das Kartellrecht (unzulässiger Informationsaustausch, vorzeitiger Vollzug entgegen einem Vollzugsverbot, sog. „Gun Jumping“160), Beobachtung verkäuferseitiger Aufklärungspflichten bei gleichzeitig sehr weitgehender Wissens- und Verhaltenszurechnung)161 weiter an Bedeutung. All das erfordert enormes Knowhow, sowohl in rechtlichen Themen als auch im Projektmanagement.162
– Juristische Fähigkeiten: Wenngleich M&A-Anwälte oft Gesellschaftsrechtler sind, sollte dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein breites juristisches Wissen (das eines Generalisten im besten Sinne) erforderlich ist. Das Recht des Unternehmenskaufs ist nicht primär Gesellschaftsrecht, sondern Kaufrecht mit einem besonders komplexen und sich ständig (oft dynamisch) verändernden Kaufgegenstand. Bei der Strukturierung spielen oft steuerrechtliche Aspekte und Finanzierungsaspekte eine Rolle, die man verstehen können muss. Aus der Due Diligence fließen Ergebnisse aus diversen Rechtsgebieten zusammen, die einzuordnen und im Unternehmenskaufvertrag zu berücksichtigen sind. Im M&A-Prozess spielen datenschutzrechtliche, kartellrechtliche und allgemein schuldrechtliche (z.B. eine mögliche Haftung des Verkäufers aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen) Aspekte eine Rolle, für die man die Beteiligten sensibilisieren und die man überwachen muss. Bei ausländischen Zielgesellschaften spielt deren lokale Rechtsordnung hinein. Insbesondere für die Gestaltung von Jahresabschlussgarantien163 oder Kaufpreisklauseln164 sind betriebswirtschaftliche Kenntnisse wichtig. Mit jeder weiteren Transaktion wächst das Erfahrungswissen, das den M&A-Anwalt dafür sensibilisiert, mögliche Probleme vorausschauend aus dem Weg zu räumen.
– Verhandlungen:165 Komplexe Verhandlungen erfordern Überblick (damit sind neben dem Überblick über die zahlreichen Themen und „Issues“ einer Transaktion auch Verständnis für die wirtschaftlichen Ziele des Mandanten und die richtige Einschätzung von Risiken gemeint166), Fairness,167 Verständnis für die Interessen der Gegenpartei, Kondition sowie gleichzeitig Durchsetzungskraft und Kompromissfähigkeit. Zudem die Fähigkeit, die Erwartungshaltung des Mandanten auf realistische Verhandlungsergebnisse einzustimmen, kulturelle Unterschiede von Verhandlungspartnern einzuordnen und ggf. „abzufedern“ und in der Verhandlungssituation kreativ verschiedene Regelungsoptionen, für die man Einigungschancen sieht, aufzuzeigen.
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Welche Rolle dem M&A-Anwalt zukommt, hängt allerdings nicht immer allein von der Persönlichkeit des Anwalts ab, sondern oft auch von äußeren Umständen, die er nicht beeinflussen kann.
158 Dazu oben Rn. 26–28. 159 Dazu unten Rn. 192ff. 160 Dazu unten Rn. 211, 672ff. 161 Dazu unten Rn. 228ff. 162 Ähnlich Rempp, in: Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 9. Aufl. 2019, Teil 1 Rn. 115.c: „Projektmanager statt Vertragstechniker“. 163 Dazu unten Rn. 906ff. 164 Dazu unten Rn. 762ff. 165 Vgl. zu verschiedenen Verhandlungsstrategien den knappen Überblick bei Hölters, in: Hölters, Handbuch Unternehmenskauf, 8. Aufl. 2015, Teil 1 Rn. 1.123ff. 166 Vgl. Schiessl, in: FS Wegen, S. 313, 320. 167 So zu Recht Schiessl, in: FS Wegen, S. 313, 320: „Das [Brücken zu bauen und den Blick auf die Einigung nicht aus den Augen zu verlieren] gelingt nur Anwälten, die bei aller Wahrnehmung der Interessen des Mandaten Verhandlungen stets fair mit dem Ziel einer allseits interessengerechten Lösung führen und gerade auch für die Gegenpartei glaubwürdig bleiben.“
3.1 Überblick
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Dem Abschluss eines Unternehmenskaufvertrags (Signing) und erst recht dessen Vollzug (Closing) geht ein in der Regel zumindest mehrmonatiger Prozess voraus. Wesentliche Projektschritte dorthin sind aus rechtlicher Perspektive:
– die Planungsphase,
– die Erstellung eines „Teasers“,