Wann genau die irreversible, zum Tode führende Hirnschädigung durch Sauerstoffunterversorgung nach der Wiederbelebung in der Praxis des Angeklagten eingetreten war, konnte nicht sicher geklärt werden. Jedenfalls litt die Patientin zum Zeitpunkt ihrer Ankunft im Krankenhaus bereits an einer schweren posthypoxischen Hirnschädigung, die, wie eine Auswertung computertomographischer Aufnahmen vom 30. und 31. März 2006 in Zusammenschau mit den bekannten Tatsachen zur Entwicklung des Zustands der Patientin ergab, in den Nachmittagsstunden des 30. März 2006 entstanden war. Bei einer sofortigen Verlegung in ein Krankenhaus nach der Reanimation hätte die Patientin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überlebt.
Aus dem Geschehensablauf und der Interessenlage hat das LG Berlin zum subjektiven Tatbestand gefolgert, »dass der Angeklagte zumindest unter anderem deswegen Sch. erst am Abend des 30. März 2006 in ein Krankenhaus verbringen ließ, weil er bei Bekanntwerden des Zwischenfalls einen drohenden Ansehensverlust sowie um seine wirtschaftliche und berufliche Existenz fürchtete. Darüber hinaus wusste er, dass die vorgenommene Operation ohne Anästhesist nicht dem ärztlichen Standard entsprach und er seine Patientin nach dem Herzstillstand nur unzureichend weiterbehandelt hatte«. Er habe das Geschehen fortan heruntergespielt und versucht, den Sachverhalt zu verschleiern. »Dabei ging er so weit, dass er selbst seinen Kollegen im S. Krankenhaus völlig unzureichende Informationen gab und keine aussagekräftigen Patientenunterlagen übergab.« Die Schwurgerichtskammer nahm systematische Vertuschungs- und Verharmlosungshandlungen an, die belegen, dass der Angeklagte aus sachfremden Motiven keinen Rettungswagen angefordert hatte. Solches führe zur Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes ab 15.00 Uhr, als der Angeklagte die für seine Patientin eingetretene Lebensgefahr erkannt hatte. Im Hinblick auf die zeitliche Unsicherheit des Eintritts der irreversiblen Gehirnschädigung begründe dies im Zweifel eine Strafbarkeit als untauglicher Totschlagsversuch. Das LG Berlin verurteilte den Angeklagten daraufhin wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit versuchtem Totschlag zu einer Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren und einem vierjährigen Berufsverbot.
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Der BGH bestätigte zwar die Einschätzung, dass die Patientin unzureichend aufgeklärt war und hielt die getroffenen Feststellungen und medizinisch-rechtlichen Bewertungen aufrecht; er hob das Urteil bezüglich des Totschlagsvorwurfs aber auf, weil das notwendige Willenselement des Vorsatzes nur lückenhaft belegt worden sei:[15]
„Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten nur gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der Tod werde nicht eintreten (st. Rspr. […]). Da beide Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, ist bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (st. Rspr. […]).
Diese hat das Landgericht nicht in dem gebotenen Umfang vorgenommen. Zwar hat es […] zutreffend angenommen, dass eine ausdrückliche Erörterung der Frage, ob ein Arzt einen Patienten vorsätzlich am Leben oder an der Gesundheit geschädigt hat, geboten ist, falls nach Eintritt von Komplikationen der Arzt aus sachfremden Motiven keinen Rettungswagen angefordert hat. Das Vorliegen solcher Motive beschreibt indes keinen Erfahrungssatz, aus dem auf das Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes zu schließen wäre, sondern diese bedürfen ihrerseits wertender Betrachtung im Rahmen der gebotenen Gesamtschau.
Die Schwurgerichtskammer hat […] nicht auf Äußerungen des Angeklagten selbst und offensichtliche, absehbar dramatisch verlaufende lebensbedrohende Verletzungen abstellen können, aus denen weitergehend auf sachfremde Beweggründe seines Handelns zu schließen war.[16] Sie hat allein den Vertuschungshandlungen […] das Motiv entnommen, zum Schutz seiner eigenen Interessen eine Aufdeckung seines ärztlichen Fehlverhaltens zu verhindern; dieserhalb habe er sich mit dem Tod der Patientin abgefunden. Diese Schlussfolgerung entbehrt indes der argumentativen Auseinandersetzung mit gegenläufigen, im Urteil festgestellten Umständen, die vielmehr die Annahme bewusster Fahrlässigkeit rechtfertigen könnten.
Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass ein rational verankerter Zusammenhang zwischen dem angenommenen Handlungsmotiv – Vertuschung von Fehlern zur Schonung eigener Interessen – und dem Tod der Patientin wenigstens bei zu erwartendem Todeseintritt in der Tagesklinik des Angeklagten schwerlich bestehen kann: Dass die Operation ohne Anästhesist, aber mit Komplikationen vorgenommen worden war, konnte keinesfalls – schon gar nicht gegenüber dem ständig auf Aufklärung dringenden Ehemann der Patientin – längere Zeit verborgen werden. Ein Todeseintritt in der Tagesklinik hätte bei der zur Wahrung zivilrechtlicher Ansprüche des Nebenklägers sicher zu erwartenden Obduktion die Erkenntnis der wahren Todesursache, der ärztlichen Fehler des Angeklagten, ergeben. Zudem erwägt das Landgericht im Rahmen von Überlegungen zu einem Rücktritt vom Totschlagsversuch, dass der Angeklagte »es für möglich hielt, dass Sch. ohne Verlegung auf eine Intensivstation sterben würde«; hiernach hielt er sogar zu einem relativ späten Zeitpunkt noch eine Rettung der Patientin im Krankenhaus für möglich. Einer starken Skepsis am Überleben der Patientin und einer damit einhergehenden Billigung ihres Todes wenigstens bis zum Transport ins Krankenhaus widerstreiten namentlich die […] festgestellten Antriebe für das pflichtwidrige Handeln des Angeklagten, nämlich »Eigenüberschätzung und Verbohrtheit«.
Die Annahme des Willenselements des Tötungsvorsatzes vor dem Entschluss des Angeklagten, die Patientin in ein Krankenhaus zu verlegen, hat demnach keinen Bestand.“
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Zugleich kritisierte der BGH eine verfehlte Abgrenzung von Tun und Unterlassen hinsichtlich der unzureichenden postoperativen Versorgung,[17] für die er allerdings auch die Möglichkeit eines Verdeckungsmordes durch Unterlassen hervorhob:[18]
„Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte den lebensbedrohlichen Zustand seiner Patientin erkannte, und hat angenommen, dass – freilich ohne Begründung im Einzelnen – er an eine noch mögliche Rettung im Krankenhaus geglaubt hat. Unter diesen Prämissen hat es das Landgericht unterlassen zu erwägen, ob ein untauglicher Unterlassungsversuch der Tötung zur Verdeckung der zuvor erfolgten Körperverletzung vorliegen kann […]. Solches anzunehmen kommt […] für das neu berufene Tatgericht in Betracht, falls sich feststellen lassen sollte, dass der Angeklagte nach Erkennen der Todesgefahr geplant hat, mit der Einlieferung so lange zu warten, bis die Patientin im Krankenhaus sicher versterben würde. Hierdurch hätte möglicherweise ein Nachweis seiner eigenen Verursachung erschwert oder gar unmöglich gemacht werden können.
Ein weiterer Anknüpfungspunkt der neu vorzunehmenden Beweiswürdigung und Bewertung unter diesem Aspekt könnte sein, dass der Angeklagte in Kenntnis der Gefahr eines tödlichen Verlaufs der Erkrankung seiner Patientin bei angenommener Rettungsmöglichkeit gegen 18.30 Uhr – gerade in der Intensivstation – ein Bett bestellt hat und dabei die nachfolgende sachwidrige Verzögerung dieser Rettungschance auf den Willen des Angeklagten zurückzuführen sein könnte, um das Versterben der Patientin im Krankenhaus zur Schonung eigener Interessen zu fördern […].“
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Im Anschluss an das Revisionsurteil wurde der angeklagte Arzt im neuen Verfahren vor dem LG Berlin zu einer Freiheitsstrafe von 7 ½ Jahren wegen versuchten Mordes und einem sofortigen Berufsverbot von 5 Jahren verurteilt. Dieses Urteil hob der BGH[19] abermals infolge einer unzureichenden Darlegung des Tötungsvorsatzes auf. Die Beweiswürdigung krankte insbesondere daran, dass das Tatgericht ein Tötungsmotiv unschlüssig