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Geschäftsabzeichen enthalten keinen namens- oder firmenartigen Hinweis und können damit erst aufgrund von Verkehrsgeltung unterscheidungs- und kennzeichnungskräftig werden (Baumbach/Hefermehl § 16 Rn 140). Auch die individualisierende Wirkung des Geschäftskennzeichens, die auf dessen Fähigkeit zur Kennzeichnung aufbaut und Grundlage ist für den immaterialgüterrechtlichen Schutz des Geschäftsabzeichens (vgl oben Rn 6), kann sich erst mit Verkehrsgeltung einstellen (OLG Hamburg WRP 1958, 340, 341 – Blumen in alle Welt). Als Geschäftsabzeichen ieS wurden Bildzeichen etwa in Form eines Logos (BGH GRUR 1957, 281 f – karo-as; OLG Stuttgart NJWE-WettbR 2000, 165 f – Kanzleilogo; LG Köln BeckRS 2013, 16800), Werbeslogans (Stollwerck ZUM 2015, 867, 873; OLG Hamburg WRP 1958, 340 f – Blumen in alle Welt; KG WRP 1980, 623 f – Jägernummer), Telefonnummern (BGH GRUR 1953, 290 f – Fernsprechnummer) oder Unternehmensfarben (BGH GRUR 1997, 754, 755 – grau/magenta) anerkannt; als sonstige betriebliche Unterscheidungszeichen kommen zB Fassadengestaltungen (Anm Fezer zu BGH GRUR 1977, 614 – Gebäudefassade; BGH GRUR 2005, 419, 422 – Räucherkate) oder die einheitliche Gestaltung von Arbeitskleidung in Betracht (Goldmann § 4 Rn 33 Nr. 11). Zur Verkehrsgeltung unten Rn 60 ff.
a) Allgemeines
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Der Schutz von Name, Firma und bes Geschäftsbezeichnung beginnt, deren originäre Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft vorausgesetzt, in dem Zeitpunkt, in dem die Benutzung dieser Kennzeichen aufgenommen wird (Ingerl/Rohnke § 5 Rn 32; ausführlich Günther WRP 2005, 975 ff). Weisen die Schutzobjekte des Abs 2 S 1 ursprünglich keine Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft auf, können sie diese nachträglich durch Verkehrsgeltung erwerben; erst damit beginnt der Schutz. Im Unterschied zu den Schutzobjekten des Abs 2 S 1 sind Geschäftsabzeichen immer erst dann geschützt, wenn sich das Geschäftsabzeichen im Verkehr als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen oder einen bestimmten Geschäftsbetrieb durchgesetzt hat (vgl Abs 2 S 2). In beiden Fällen ist der Schutz der Unternehmenskennzeichen von formellen Entstehungstatbeständen, wie etwa der Eintragung einer Firma im Handelsregister, unabhängig (Ingerl/Rohnke § 5 Rn 33; vgl zur Firma Rn 24). Neben den Anforderungen, die an die Benutzungsaufnahme und die Verkehrsgeltung zu stellen sind (dazu Rn 54 ff, 60 ff), ist daher insb der Aspekt der namensmäßigen Identifizierungskraft von zentraler Bedeutung für den Zeitpunkt der Entstehung des Schutzes der Unternehmenskennzeichen.
aa) Allgemeines
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Ein Unternehmenskennzeichen ist kennzeichnungskräftig, wenn es geeignet ist, bei einer Verwendung im Verkehr als Name eines bestimmten Unternehmens zu wirken (BGH GRUR 1996, 68, 69 – Cotton Line; GRUR 2005, 873, 874 – Star Entertainment; GRUR 2008, 1104 Rn 17 – Haus & Grund II; BGH BeckRS 2013, 06018 Rn 21 – XVIII Plus). Mitunter bestimmt die Rspr die Anforderungen, die an die Kennzeichnungskraft eines Unternehmenskennzeichens zu stellen sind, auch negativ dadurch, dass sie die Bezeichnungen, die keine hinreichende Kennzeichnungskraft aufweisen, in Gruppen einteilt und die Kennzeichnungskraft einer Bezeichnung dann bejaht, wenn diese unter keine der gebildeten Gruppen zu subsumieren ist (vgl BGH NJW 1956, 1595 f – Ihr Funkberater; BGH GRUR 1973, 265 f – Charme & Chic). Die Kriterien zur Bestimmung der Unterscheidungskraft von Marken (vgl § 8 Abs 2 Nr 1) können nicht unbesehen auf die Beurteilung der Kennzeichnungskraft von Unternehmenskennzeichen übertragen werden, so dass entspr Urt zur Marke im Recht der Unternehmenskennzeichen nicht ohne Weiteres Geltung beanspruchen (Goldmann § 5 Rn 7–13 mwN). Nicht kennzeichnungskräftig sind jedenfalls bloße Gattungs- oder Artbezeichnungen (wie zB „Brauerei“ oder „Holzlager“; vgl RG GRUR 1931, 773 f – Bauhütte; BGH NJW-RR 1992, 1454 – Volksbank; OLG Hamm GRUR 1979, 862 – Flocktechnik), geographische Angaben und Bezeichnungen bekannter Gebäude in Alleinstellung (BGH GRUR 2013, 68 Rn 42 – Castell/VIN CASTEL; BPatG BeckRS 2014, 01359 – sailing chiemsee/CHIEMSEE; OLG Jena GRUR 2000, 435, 436 – Wartburg), lediglich tätigkeitsbeschreibende Kennzeichen (Beispiele in RG GRUR 1932, 1052, 1053 – Markenschutzverband; BGH GRUR 1953, 446 f – Verein der Steuerberater; BGH GRUR 2004, 514, 515 – Telekom; BGH GRUR 2005, 517, 518 – Literaturhaus) sowie solche Bezeichnungen, die innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als umgangssprachlich zu bezeichnen sind (RG GRUR 1940, 289 f – Hydraulik; BGH GRUR 1996, 68 f – COTTON LINE; OLG Hamm GRUR 1979, 67 – Chemotechnik; OLG Köln GRUR 2001, 525, 527 – Online). Den genannten Kennzeichengruppen, die sich vielfach überschneiden, fehlt die hinreichende Eigenart, im Verkehr als eindeutiger Hinweis auf einen bestimmten Kennzeichenträger aufgefasst zu werden (BGH GRUR 1976, 254, 255 – Management-Seminare; BGH GRUR 1988, 319, 320 – VIDEO-RENT). Unternehmenskennzeichen, die aus einer in dem maßgebenden Verkehrskreis üblichen, häufig gebrauchten oder geradezu Allgemeingut gewordenen Bezeichnung bestehen, können daher erst mit Verkehrsgeltung kennzeichenrechtlichen Schutz genießen (RG GRUR 1933, 160 f – Jungborn; BGH GRUR 1957, 281 f – karo-as). Auch fremd-, insb englischsprachige Angaben können in die Umgangssprache eingehen und dadurch ihre Kennzeichnungskraft verlieren (vgl BGH GRUR 1986, 245, 247 – India-Gewürze; BGH GRUR 1991, 556 f – Leasing Partner; BGH GRUR 1996, 68 f – COTTON LINE). Ist das Kennzeichen an allg bekannte, beschreibende Wörter angelehnt, so ist die Kennzeichnungskraft der Abwandlung davon abhängig, ob diese gegenüber der ursprünglichen Bezeichnung hinreichend eigenständig wirkt (BGH NJW 1985, 2760, 2761 – Indorektal I). Diese hinreichende Eigenständigkeit ist regelmäßig dann gegeben, wenn der neuen Wortschöpfung im Unterschied zum Ausgangsbegriff der klare Bedeutungsgehalt fehlt (BGH GRUR 1997, 468 f – NetCom/NETKOM). Phantasiebezeichnungen kommt idR originäre Kennzeichnungskraft zu (Ingerl/Rohnke § 5 Rn 39). Ein Unternehmenskennzeichen erlangt auch dann mit bloßer Ingebrauchnahme Schutz, wenn sie nur schwach kennzeichnungskräftig, also nicht nur beschreibender Art ist (Ströbele/Hacker/Thiering § 5 Rn 42). Während daher bei der Prüfung der Kennzeichnungskraft deren Grad unerheblich ist, kommt diesem für den Schutzbereich des Kennzeichens und damit für die Frage der Verwechslungsgefahr Bedeutung zu (BGH GRUR 1957, 281, 282 f – karo-as).
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Maßgebend für die Prüfung der Kennzeichnungskraft eines Unternehmenskennzeichens ist die Verkehrsauffassung, die zur Zeit der Entstehung des Verletzerzeichens herrscht (RG GRUR 1933, 160, 161 f – Jungborn). Sind damit die beteiligten Verkehrskreise für die Beurteilung der Kennzeichnungskraft eines Unternehmenskennzeichens maßgebend, so kann zur Bestimmung der Kennzeichnungskraft als Beweiserhebung auch eine Verkehrsbefragung notwendig sein (GK/Teplitzky § 16 Rn 197 ff mwN). Ändert sich die Verkehrsauffassung, kann die Kennzeichnungskraft auch nachträglich entfallen (Fezer § 15 Rn 83). Findet ein Unternehmenskennzeichen nach Benutzungsaufnahme Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch, entfällt dadurch die Kennzeichnungskraft dann, wenn nunmehr nur noch ein zu vernachlässigender Teil des Verkehrs in der