III. Gründungsverfahren
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In Abhängigkeit von den verschiedenen Gründungsformen weisen die einzelnen Gründungsverfahren teilweise erhebliche Unterschiede auf. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sollen sie deshalb im Folgenden getrennt behandelt werden; einzelne Wiederholungen sind dabei in Kauf zu nehmen. Sämtliche fünf Gründungsverfahren lassen sich in eine Vorbereitungsphase und eine Gründungsphase aufteilen. Die Gründung ist jeweils in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die SE nach Art. 16 Abs. 1 SE-VO mit Eintragung Rechtspersönlichkeit erlangt.
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Das Gründungsverfahren bei der SE ist – insbesondere im Falle der Verschmelzungs-SE und der Holding-SE – sehr komplex und beinhaltet zusätzliche Aspekte dadurch, dass das Unionsrecht sowie die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen beachtet werden müssen und dass mehrere Jurisdiktionen involviert sind. Der Vorbereitungsaufwand für eine SE sollte daher nicht unterschätzt werden und erfordert eine frühzeitige Erstellung eines genauen Zeitplans über den Ablauf der Gründung. Es empfiehlt sich, diese Vorbereitung unter rechtzeitiger Einbeziehung der juristischen Berater, Wirtschaftsprüfer/Steuerberater und Notare durchzuführen.
1. Verschmelzung
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Das Verfahren zur Gründung einer SE durch Verschmelzung[1] ist in Art. 17 ff. SE-VO geregelt. Soweit das Verfahren der Gründung nicht oder nur in Teilbereichen in der SE-VO geregelt ist, finden nach Art. 18 SE-VO auf jede Gründungsgesellschaft die jeweils einschlägigen nationalen Verschmelzungsvorschriften Anwendung, soweit diese mit dem Unionsrecht in Einklang stehen.
1.1 Verschmelzungsformen
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Art. 17 Abs. 2 SE-VO stellt zwei alternative Formen der Verschmelzung zur Verfügung.
1.1.1 Verschmelzung durch Aufnahme
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Die Verschmelzung durch Aufnahme nach Art. 17 Abs. 2 a SE-VO entspricht im deutschen Recht der Verschmelzungsform nach § 2 Nr. 1 UmwG. Bei der Verschmelzung durch Aufnahme erfolgt die Übertragung des Vermögens eines oder mehrerer Rechtsträger als Ganzes auf einen anderen bestehenden Rechtsträger gegen Gewährung von Aktien an diesem Rechtsträger. Das Wirksamwerden der Verschmelzung durch Aufnahme führt zum Erlöschen der übertragenden Rechtsträger. Als Besonderheit gegenüber dem deutschen Verschmelzungsrecht wird bei der Verschmelzung nach Art. 17 Abs. 2 a SE-VO die aufnehmende AG formwechselnd in eine SE umgewandelt.[2]
1.1.2 Verschmelzung durch Neugründung
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Die Verschmelzung durch Neugründung nach Art. 17 Abs. 2 b SE-VO entspricht im deutschen Recht der Verschmelzungsform nach § 2 Nr. 2 UmwG. Im Unterschied zur Verschmelzung durch Aufnahme besteht hier der übernehmende Rechtsträger noch nicht, sondern wird während der Verschmelzung als SE gegründet.[3]
1.2.1 Schlussbilanz
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Soweit übertragender Rechtsträger eine deutsche AG ist, muss für diese nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 17 Abs. 2 UmwG auf den Verschmelzungsstichtag eine Schlussbilanz aufgestellt werden, um sie später bei der Anmeldung der Verschmelzung beizufügen.[4] Sie muss nur bei prüfungspflichtigen Rechtsträgern geprüft werden.[5] Nach § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG muss sie auf einen höchstens acht Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt worden sein, da anderenfalls das Registergericht die Rechtmäßigkeitsbescheinigung nach Art. 25 SE-VO nicht ausstellt.[6] Wegen der Dauer der Verhandlungen zur Arbeitnehmerbeteiligung[7] und der Achtmonatsfrist des § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG wird es häufig notwendig sein, die Schlussbilanz erst nach Aufstellung des Verschmelzungsplans[8] während der weiteren Vorbereitungsphase aufzustellen, sodass die Schlussbilanz der Unternehmensbewertung[9] und dem daraus resultierenden Umtauschverhältnis[10] noch nicht zugrunde gelegt werden kann.
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Wird der Verschmelzungsplan oder sein Entwurf erst sechs Monate nach dem Stichtag des letzten Jahresabschlusses aufgestellt, ist nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 63 Abs. 1 Nr. 3 UmwG für die betroffenen deutschen Rechtsträger eine Zwischenbilanz aufzustellen, deren Stichtag nicht vor dem ersten Tag des dritten Monats liegen darf, der der Aufstellung vorausgeht.
1.2.2 Unternehmensbewertung
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Als Basis für die Festlegung des Umtauschverhältnisses sind die an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger zu bewerten. Das Umtauschverhältnis und damit die Unternehmensbewertungen sind auch Gegenstand des Verschmelzungsberichts und der Verschmelzungsprüfung.[11]
1.2.3 Verschmelzungsplan
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Nach Art. 20 Abs. 1 SE-VO haben die Leitungs- oder die Verwaltungsorgane der sich verschmelzenden Gesellschaften – im Falle der Beteiligung einer deutschen AG also deren Vorstand – einen Verschmelzungsplan aufzustellen. Dieser Verschmelzungsplan ist Kernstück und wesentliche Grundlage der Verschmelzung. Er tritt an die Stelle des nach deutschem Recht erforderlichen Verschmelzungsvertrags nach §§ 4 ff. UmwG. Da Art. 20 SE-VO insoweit abschließenden Charakter hat und vergleichbare Regelungen der nationalen Rechtsordnungen verdrängt, ist bei Gründung einer SE ein Verschmelzungsvertrag auch bei Beteiligung einer deutschen AG nicht erforderlich.[12] Es muss sich also inhaltlich um einen von allen beteiligten Rechtsträgern gemeinsam aufzustellenden Verschmelzungsplan handeln.[13]
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Fraglich ist, inwieweit über Art. 18 SE-VO das Beurkundungsgebot des § 6 UmwG gilt, also eine Beurkundung des Verschmelzungsplans erforderlich ist. Da der Verschmelzungsplan den Verschmelzungsvertrag ersetzt und ihm inhaltlich im Wesentlichen entspricht und weil der Verschmelzungsplan nach Art. 20 Abs. 1 S. 2 h SE-VO die festzustellende neue Satzung der SE enthält, sprechen die besseren Gründe dafür, bei Beteiligung einer deutschen AG auch von einer Beurkundungspflicht für den Verschmelzungsplan auszugehen.[14] Konsequenterweise muss es dann allerdings auch zulässig sein, den Verschmelzungsplan der Hauptversammlung noch als Entwurf zur Beschlussfassung vorzulegen und erst nach der Hauptversammlung beurkunden zu lassen, da anderenfalls die Beurkundungspflicht des § 6 UmwG zeitlich vorverlagert würde.[15] Weiter stellt sich die Frage, ob die an der Verschmelzung beteiligte deutsche AG den Verschmelzungsplan im Ausland beurkunden lassen kann. Im deutschen Gesellschaftsrecht ist die Auslandsbeurkundung in Angelegenheiten, die die Verfassung der Gesellschaft betreffen, nach richtiger Ansicht unzulässig, weil diese mangels Anwendbarkeit des Art. 11 Abs. 1 EGBGB nicht dem Ortsstatut unterliegen und in diesen Fällen die Beurkundung durch einen ausländischen Notar der nach dem Gesellschaftsstatut notwendigen deutschen Beurkundung mangels der erforderlichen materiellen Richtigkeitsgewähr nicht vergleichbar ist.[16] Da im Falle der SE-Gründung der Verschmelzungsplan jedoch auf Unionsrecht beruht, ist die materielle Richtigkeitsgewähr und damit die Vergleichbarkeit