Vgl. dazu auch den Evaluierungsbericht der Kommission über die Anwendung der SE-VO nach Art. 69 SE-VO v. 17.11.2010 KOM(2010) 676, S. 7 f., sowie den Reformvorschlag des Arbeitskreises Aktien- und Kapitalmarktrecht (AAK) ZIP 2009, 698 zur Streichung des Mehrstaatlichkeitsgebots.
Neben dem engen numerus clausus der Gründungsmöglichkeiten erweitert die zulässige Verwendung von Vorratsgesellschaften in der Rechtsform der SE die Handlungsspielräume (siehe hierzu Rn. 304 ff.).
Allerdings beabsichtigt die Europäische Kommission trotz der breiten Unterstützung für eine Überarbeitung des SE-Statuts ausweislich einer im Jahr 2012 durchgeführten öffentlichen Konsultation kurzfristig keine Revision, „da die erwarteten Vorteile einer Überarbeitung im Sinne einer Vereinfachung und Verbesserung […] die potenziellen Herausforderungen bei einer Neueröffnung der Diskussion nicht aufwiegen würden“, KOM/2012/740/2, S. 16; hierzu Hopt ZGR 2013, 165, 194 ff.
Bspw. Art. 18, 32 Abs. 4, 36 SE-VO.
Theisen/Wenz/Neun S. 50 ff.; Teichmann ZGR 2002, 383, 415.
Den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft in diesem Sinne gleichgestellt sind auch die EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen – vgl. Anh. XXII – 10a.01 des EWR-Abkommens i.d.F. des Beschl. des Gemeinsamen EWR-Ausschusses Nr. 93/2002 v. 25.6.2002.
Soweit sich hierbei Einschränkungen für Staaten ergeben konnten, deren Rechtsordnung der Sitztheorie und nicht der Gründungstheorie folgten (vgl. etwa Teichmann ZGR 2002, 383, 414; ders. ZIP 2002, 1109, 1111), ist nach der Rspr. des EuGH zur Niederlassungsfreiheit gegenüber dem Aufnahmestaat (vgl. ZIP 1999, 438 ff. – Centros; ZIP 2002, 2037 ff. – Überseering; ZIP 2003, 1885 ff. – Inspire Art) jedoch ein Umdenken in den bisher noch der Sitztheorie folgenden Rechtsordnungen erfolgt. Gesellschaften aus anderen EU-Mitgliedstaaten sind danach jedenfalls im Ergebnis auch als solche anzuerkennen und gemäß ihrer Gründungsrechtsordnung zu behandeln (vgl. aus Sicht des deutschen Rechts BGH NJW 2003, 1461; NJW 2005, 3351; NJW 2005, 1648).
BGBl I 2004, 3675 – s. Anh. I.3.
Zur Begr. Neye/Teichmann AG 2003, 169, 171; infolge der durch das MoMiG (BGBl I 2008, 2026) jedenfalls für Gesellschaften in der Rechtsform einer AG oder GmbH eingeführten Möglichkeit zur Wahl eines vom inländischen Satzungssitz abweichenden ausländischen Verwaltungssitzes halten dies für überprüfungsbedürftig Lutter/Hommelhoff/Bayer Art. 2 SE-VO Rn. 27; MünchKomm AktG/Oechsler Art. 2 SE-VO Rn. 47; Habersack/Drinhausen/Habersack Art. 2 SE-VO Rn. 25.
3 › II. Gründungsformen
II. Gründungsformen
1. Verschmelzung
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Nach Art. 2 Abs. 1 SE-VO kann eine SE durch Verschmelzung gegründet werden. Die Verschmelzung ist sowohl durch Aufnahme als auch durch Neugründung möglich.[1]
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Der Sitz der SE ist bei der Verschmelzung durch Aufnahme mit dem Sitz des übernehmenden Rechtsträgers vorgegeben (vgl. auch bei Gründung durch Umwandlung Art. 37 Abs. 3 SE-VO).[2] Im Falle der Verschmelzung durch Neugründung können die beteiligten Rechtsträger anstelle eines ihrer bestehenden Sitze den Sitz der neuen SE auch in einem dritten Mitgliedstaat wählen.[3]
1.1 Beteiligte Rechtsträger
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Sowohl bei den übertragenden Rechtsträgern als auch bei dem übernehmenden Rechtsträger muss es sich um AG i. S. d. Anhangs I[4] der SE-VO handeln, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet worden sind und ihren Sitz sowie ihre Hauptverwaltung in der EU haben.[5] Da die SE gem. Art. 3 Abs. 1 SE-VO als AG gilt, kann auch sie selbst übertragender[6] – allerdings nicht übernehmender[7] – Rechtsträger der Verschmelzung sein.
1.2 Mehrstaatlichkeit
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Von den an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträgern müssen mindestens zwei dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten[8] unterliegen, ihren Satzungssitz also in unterschiedlichen Mitgliedstaaten haben.[9] Dies gilt nach dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 SE-VO auch für den Fall, dass sich an der Verschmelzung eine SE beteiligt: SE und nationale AG müssen also, um nach Art. 2 Abs. 1 SE-VO verschmolzen werden zu können, ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben;[10] haben beide ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat, können sie nur nach nationalem Umwandlungsrecht verschmolzen werden, wobei die Rechtsform der SE selbstverständlich nur erhalten bleibt, wenn die AG durch Aufnahme auf die SE verschmolzen wird.[11] Die Verschmelzung nach Art. 2 Abs. 1 SE-VO ist auch dann möglich, wenn die beteiligten AG in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen.[12]
2. Holding-SE
8
Nach Art. 2 Abs. 2 SE-VO kann eine Holding-SE gegründet werden. Hierbei handelt es sich um ein Gründungsverfahren, das im deutschen Recht bisher nicht kodifiziert ist: Die die Gründung einer Holding-SE anstrebenden Gesellschaften (Gründungsgesellschaften)[13] wollen sich einer gemeinsamen Holding[14] unterstellen und veranlassen ihre jeweiligen Gesellschafter, sich an der Gründung der Holding-SE durch Einbringung der von ihnen gehaltenen Gesellschaftsanteile gegen Gewährung von SE-Aktien zu beteiligen. Die Gründung der Holding-SE ist allerdings nur möglich, wenn die tatsächlich in die Holding-SE eingebrachten Gesellschaftsanteile jeweils mehr als 50 % der Stimmrechte vermitteln.[15] Die SE wird dadurch zur Muttergesellschaft ihrer Gründungsgesellschaften, die unter ihrem Konzerndach als abhängige Gesellschaften fortbestehen. Die Gründung einer Holding-SE bewegt sich damit materiell zwischen