1.2.10 Beteiligung der Arbeitnehmer nach dem SEBG
70
Nach § 4 Abs. 2 SEBG[87] haben die Leitungs- bzw. Verwaltungsorgane[88] der sich verschmelzenden Rechtsträger, soweit sie selbst oder die künftige SE ihren Sitz in Deutschland haben,[89] unverzüglich nach Offenlegung des Verschmelzungsplans[90] die Arbeitnehmervertretungen in ihren Gesellschaften, Tochtergesellschaften und Betrieben[91] über das Gründungsvorhaben zu informieren. Besteht keine Arbeitnehmervertretung, erfolgt diese Information gegenüber den Arbeitnehmern. Der Mindestinhalt der Information umfasst nach § 4 Abs. 3 SEBG:
– | die Identität und Struktur der sich verschmelzenden Gesellschaften, ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe und deren Verteilung auf die Mitgliedstaaten; |
– | die in diesen Gesellschaften und Betrieben bestehenden Arbeitnehmervertretungen; |
– | die Zahl der in diesen Gesellschaften und Betrieben jeweils beschäftigten Arbeitnehmer sowie die daraus zu errechnende Gesamtzahl der in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer; |
– | die Zahl der Arbeitnehmer, denen Mitbestimmungsrechte in den Organen dieser Gesellschaften zustehen. |
71
Gleichzeitig sind die Arbeitnehmervertretungen bzw. Arbeitnehmer schriftlich aufzufordern, das besondere Verhandlungsgremium nach §§ 5 ff. SEBG zu bilden.[92] Ziel dieser Information und Aufforderung ist es, dessen Bildung möglichst kurzfristig vorzunehmen und zügig in die Verhandlungen zur Arbeitnehmerbeteiligung nach §§ 11 ff. SEBG einzutreten.[93] Bei der Verschmelzung einer börsennotierten AG kann die Unsicherheit hinsichtlich Dauer und Ergebnis der Verhandlungen im Hinblick auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht problematisch sein.[94]
1.2.11 Einberufung und Vorbereitung der Hauptversammlung
72
Über Art. 18 SE-VO sind für die beteiligten deutschen Rechtsträger die aktienrechtlichen Vorschriften über die Einberufung einer Hauptversammlung nach §§ 121 ff. AktG anwendbar.[95] Danach ist die Hauptversammlung jeder der sich verschmelzenden deutschen Gesellschaften, die nach Art. 23 Abs. 1 SE-VO der Verschmelzung zustimmen soll, durch den Vorstand[96] einzuberufen, der darüber mit einfacher Mehrheit entscheidet.[97]
73
In der Praxis steht die Wahl des Zeitpunkts der Hauptversammlung, die über die Verschmelzung beschließt, im Zusammenhang mit der Frage, wann die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung durchgeführt werden sollten. Bei größeren (insbesondere börsennotierten) Publikumsgesellschaften bietet es sich aufgrund der Ungewissheit über das Zustandekommen des Verschmelzungsbeschlusses und der Gefahr zeitlicher Verzögerungen wegen etwaiger Anfechtungsklagen an, zunächst den Hauptversammlungsbeschluss zu fassen und erst danach die Verhandlungen über die Arbeitnehmerbeteiligung durchzuführen. Dies gewährleistet, dass Anfechtungsprozesse parallel zum Arbeitnehmerbeteiligungsverfahren erledigt werden können und den zeitlichen Ablauf der Verschmelzung nicht zwingend verzögern. In kleineren Gesellschaften kann es demgegenüber vorzugswürdig sein, die Hauptversammlung erst nach Abschluss des Arbeitnehmerbeteiligungsverfahrens einzuberufen.
74
Die Einberufung muss entgegen der 30-Tage-Frist des § 123 Abs. 1 S. 1 AktG wegen der für die Auslegung der Unterlagen (§ 63 UmwG) maßgeblichen Monatsfrist aus Art. 11 Abs. 1 der Verschmelzungsrichtlinie (RL 78/855/EWG, vgl. Art. 18 SE-VO) mindestens einen Monat vor dem Tag der Versammlung erfolgen.[98] Sie ist in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen.[99] Sind die Aktionäre der Gesellschaft namentlich bekannt, kann die Einberufung mit eingeschriebenem Brief erfolgen, wenn die Satzung nichts anderes bestimmt.[100] Bei der Einberufung ist gleichzeitig die Tagesordnung der Hauptversammlung in den Gesellschaftsblättern bekannt zu machen,[101] dies gilt auch für den wesentlichen Inhalt des Verschmelzungsplans.[102] Handelt es sich aufgrund vollständiger Präsenz aller Aktionäre um eine Vollversammlung, ist diese von der Beachtung der vorstehenden formalen Vorschriften befreit, soweit kein Aktionär der Beschlussfassung widerspricht.[103]
75
Im Rahmen der Vorbereitung der Hauptversammlung ist darauf zu achten, dass nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 63 Abs. 1 UmwG von der Einberufung der Hauptversammlung an in den Geschäftsräumen der AG zur Einsicht der Aktionäre bestimmte Unterlagen auszulegen sind. Hierbei handelt es sich um den Verschmelzungsplan oder seinen Entwurf, die Jahresabschlüsse und die Lageberichte der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger für die letzten drei Geschäftsjahre,[104] eine Zwischenbilanz, falls der Stichtag des letzten Jahresabschlusses bei Aufstellung des Verschmelzungsplans oder seines Entwurfs mehr als sechs Monate zurücklag, die Verschmelzungsberichte und die Verschmelzungsprüfungsberichte.
76
Auf Verlangen ist jedem Aktionär unverzüglich und kostenlos eine Abschrift der vorbezeichneten Unterlagen zu erteilen.[105]
77
Auch soweit sich im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme mindestens 90 % des Grundkapitals der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befindet und die übernehmende Gesellschaft deutschem Recht unterliegt, kann auf die Einberufung einer Hauptversammlung nicht verzichtet werden. Auch in diesen Fällen ist ein Verschmelzungsbeschluss gem. Art. 23 Abs. 1 SE-VO erforderlich, weil daneben für die Anwendbarkeit von § 62 UmwG kein Raum ist.[106]
1.3.1 Durchführung der Hauptversammlung
78
Für die Durchführung der Hauptversammlung gelten über Art. 18 SE-VO für die beteiligten deutschen Rechtsträger die entsprechenden Regelungen im AktG und UmwG. Danach sind die Unterlagen, die schon vor der Hauptversammlung zur Einsicht der Aktionäre auszulegen sind,[107] auch während der Hauptversammlung zugänglich zu machen[108] und ist der Verschmelzungsplan bzw. sein Entwurf zu Beginn der Verhandlung durch den Vorstand mündlich zusammenfassend zu erläutern sowie über jede wesentliche Veränderung des Vermögens der Gesellschaft zu unterrichten, die seit dem Abschluss des Verschmelzungsvertrags oder der Aufstellung des Entwurfs eingetreten ist.[109] Zudem stellt § 64 Abs. 2 UmwG klar, dass sich das allgemeine Auskunftsrecht der Aktionäre nach § 131 Abs. 1 AktG auf alle für die Verschmelzung wesentlichen Angelegenheiten auch der anderen Rechtsträger erstreckt.[110]
1.3.2 Kapitalerhöhungsbeschluss der übernehmenden Gesellschaft
79
Zur Durchführung der Verschmelzung durch Aufnahme ist im Regelfall eine Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft erforderlich, um die Aktien zu schaffen, die den Aktionären der übertragenden Gesellschaften als Gegenleistung zu gewähren sind. Hinsichtlich Erforderlichkeit und Einzelheiten der Kapitalerhöhung ist auf das jeweilige nationale Verschmelzungsrecht zurückzugreifen; soweit der übernehmende Rechtsträger deutschem Recht unterliegt, ist insoweit für die Erforderlichkeit der Kapitalerhöhung