1.2.3.10 Erleichterungen im Falle eines up-stream merger
48
Soweit im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme alle Aktien der übertragenden Gesellschaft von der übernehmenden Gesellschaft gehalten werden, entfallen nach Art. 31 Abs. 1 SE-VO die Angaben zum Umtauschverhältnis, zur Übertragung der Aktien der SE und zur Dividendenberechtigung. Art. 20 Abs. 1 S. 2 b–d SE-VO liefe in diesen Fällen leer, da nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 68 Abs. 1 UmwG das Grundkapital der übernehmenden Gesellschaft nicht erhöht wird.[46]
1.2.3.11 Barabfindungsangebot
49
Nach Art. 24 Abs. 2 SE-VO kann jeder Mitgliedstaat hinsichtlich der seinem Recht unterliegenden, sich verschmelzenden Gesellschaften Vorschriften zum Schutz der dem Verschmelzungsbeschluss widersprechenden Minderheitsaktionäre erlassen. Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser Möglichkeit in § 7 SEAG Gebrauch gemacht: Danach hat jeder übertragende deutsche Rechtsträger im Verschmelzungsplan oder seinem Entwurf jedem seiner Aktionäre, der gegen den Verschmelzungsbeschluss Widerspruch zur Niederschrift erklärt, den Erwerb seiner Aktien gegen eine angemessene Barabfindung anzubieten, wenn die SE ihren Sitz im Ausland haben soll.[47]
50
Soll die neue SE dagegen ihren Sitz in Deutschland haben, greift § 7 Abs. 1 SEAG also nicht, muss in diesem Falle der Verschmelzungsplan auch kein Barabfindungsangebot der übertragenden deutschen Rechtsträger enthalten. Soweit jedoch andere Mitgliedstaaten ähnliche Regelungen getroffen haben, ist denkbar, dass der Verschmelzungsplan Barabfindungsangebote derjenigen übertragenden Rechtsträger enthalten muss, die dem Recht dieser Mitgliedstaaten unterliegen.
1.2.4 Zuleitung an den Betriebsrat
51
Soweit eine deutsche AG an der Verschmelzung beteiligt ist, ist nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 5 Abs. 3 UmwG der Verschmelzungsplan spätestens einen Monat vor deren Hauptversammlung, die gem. Art. 23 Abs. 1 SE-VO über die Zustimmung zum Verschmelzungsplan beschließen soll, ihrem zuständigen Betriebsrat zuzuleiten.[48]
52
Welcher Betriebsrat zuständig ist, ergibt sich aus den Vorschriften des BetrVG. Existiert ein Gesamtbetriebsrat, ist dieser ausschließlich zuständig, anderenfalls die Betriebsräte der beteiligten deutschen Rechtsträger; existiert bei den betroffenen deutschen Rechtsträgern kein Betriebsrat, so entfällt das Zuleitungserfordernis.[49]
53
Die Monatsfrist berechnet sich nach §§ 187–193 BGB.[50] Da die rechtzeitige Zuleitung beim Handelsregister nach § 17 Abs. 1 UmwG nachzuweisen ist, ist es empfehlenswert, den jeweiligen Betriebsratsvorsitzenden die Zuleitung durch Empfangsbekenntnis bestätigen zu lassen oder den Nachweis durch Versendung per Einschreiben/Rückschein oder Übergabe durch einen Boten sicherzustellen.
54
Der Betriebsrat kann sowohl auf die Einhaltung der Frist[51] als auch gänzlich auf die Zuleitung[52] verzichten.
1.2.5 Verschmelzungsbericht
55
Nach Art. 18 SE-VO i. V. m. § 8 UmwG hat jede sich verschmelzende deutsche Gesellschaft einen Verschmelzungsbericht zu erstellen.[53] Der Bericht ist durch den Vorstand der deutschen AG[54] in schriftlicher Form zu erstatten, wobei er von Mitgliedern in vertretungsberechtigter Zahl, nicht aber zwingend von allen Organmitgliedern unterzeichnet werden muss.[55] Nach § 8 Abs. 1 UmwG ist zwar ein gemeinsamer Bericht der sich verschmelzenden Gesellschaften zulässig, ob dies jedoch auch in den anderen betroffenen Rechtsordnungen der Fall ist, muss im Einzelnen geprüft werden, da die Verschmelzungsrichtlinie[56] in Art. 9 diese Möglichkeit nicht vorsieht. Die Erstellung eines gemeinsamen Berichts erhöht zudem den ohnehin nicht zu unterschätzenden Arbeits- und Zeitaufwand dadurch, dass auch inhaltlich die jeweiligen nationalen Anforderungen kumulativ beachtet werden müssen. Der Verschmelzungsbericht ist nach § 63 UmwG von der Einberufung der Hauptversammlung an, die gem. Art. 23 Abs. 1 SE-VO über die Zustimmung zum Verschmelzungsplan beschließen soll, in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsicht der Aktionäre auszulegen.
56
Zum Inhalt eines Verschmelzungsberichts einer deutschen AG ist ebenfalls auf § 8 UmwG sowie die dazu vorhandene Literatur und Rechtsprechung zurückzugreifen.[57] Danach ist bei der Auslegung der Berichtspflichten eine Abwägung zu treffen zwischen dem Interesse der Gesellschafter an möglichst genauer Information und dem Interesse der Gesellschaft an einem handhabbaren Aufwand. Der Gesellschafter muss darüber informiert werden, ob die Verschmelzung wirtschaftlich sinnvoll und gesetzmäßig ist, und in die Lage versetzt werden, auf Basis der wesentlichen Umstände eine Plausibilitätskontrolle vorzunehmen. Der Verschmelzungsbericht muss die wirtschaftliche Ausgangslage der beteiligten Gesellschaften vor der Verschmelzung, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Verschmelzung sowie eine Abwägung der Vor- und Nachteile beinhalten; in diesem Zusammenhang ist auch die Arbeitnehmerbeteiligung in der SE darzustellen. Außerdem muss er den Verschmelzungsplan und die Ermittlung des Umtauschverhältnisses erläutern. Schließlich muss er Angaben über die Mitgliedschaft bei dem übernehmenden Rechtsträger und die Veränderung der Beteiligungsquote bzw. -struktur umfassen; hierher gehört auch ein Hinweis auf den Rechtsformwechsel in die SE, auf das für sie einschlägige Recht und auf diejenigen Satzungsregelungen, die entweder vom gesetzlichen Normalstatut abweichen oder – wie im Falle des dualistischen und monistischen Systems – einem Wahlrecht unterliegen.
57
Nach § 8 Abs. 3 S. 1 UmwG ist ein Verschmelzungsbericht entbehrlich, wenn im Falle der Verschmelzung durch Aufnahme sich alle Aktien der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden Gesellschaft befinden[58] oder alle Aktionäre aller beteiligten Rechtsträger in notariell beurkundeter Form[59] auf eine Berichterstattung verzichten. Entsprechend dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs. 3 S. 1 UmwG ist eine Befreiung lediglich der Vorstände der beteiligten deutschen Gesellschaften von der Berichtspflicht selbst dadurch nicht möglich, dass alle Aktionäre aller beteiligten deutschen Gesellschaften auf den Verschmelzungsbericht verzichten.[60] Freilich bleibt der Verzicht in Fällen einer Publikumsgesellschaft aus Praktikabilitätsgründen lediglich eine theoretische Möglichkeit.
1.2.6 Verschmelzungsprüfung
58
Nach Art. 18 SE-VO i. V. m. §§ 9, 60, 73 UmwG ist der Verschmelzungsplan oder sein Entwurf für jede beteiligte deutsche AG durch einen oder mehrere Verschmelzungsprüfer zu prüfen. Die Verschmelzungsprüfung soll sicherstellen, dass die Aktionäre in Kenntnis der Wertverhältnisse der beteiligten Rechtsträger über die Verschmelzung abstimmen und dass Benachteiligungen durch unzutreffende Umtauschverhältnisse von vornherein verhindert werden.[61] Grundsätzlich ist die Verschmelzungsprüfung nach § 60 UmwG für jede AG durchzuführen. Alternativ besteht nach Art. 22 S. 1 SE-VO die auch aus § 10 Abs. 1 UmwG bekannte Möglichkeit einer gemeinsamen Verschmelzungsprüfung; eine Ausnahme gilt nur, soweit im Falle des up-stream merger eine Verschmelzungsprüfung ohnehin nicht erforderlich ist.[62] Das für die Prüfung maßgebliche Recht richtet sich – ohne, dass eine echte Rechtswahlmöglichkeit