2. Bildungspolitische Maßnahmen im Hochschulbereich
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Die Union trägt nach Art. 165 I AEUV zur Entwicklung einer „qualitativ hoch stehenden Bildung“ bei. Sie fördert die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und unterstützt sie erforderlichenfalls, vor Allem durch Fördermaßnahmen und Empfehlungen (Art. 165 IV). Dabei sind aber die kulturelle Vielfalt sowie die originäre Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zu achten. Eine Konkretisierung dieser eher allgemeinen Ziele erfolgt in Absatz 2: So soll eine europäische Dimension im Bildungswesen erreicht werden, wozu in erster Linie Fremdsprachenkenntnisse verbessert werden sollen. Weiter erwähnt werden die Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden, die akademische Anerkennung der Diplome und Studienzeiten, die Zusammenarbeit zwischen den Bildungseinrichtungen und der Informations- und Erfahrungsaustausch.
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Angesichts des Ausschlusses der Rechtsharmonisierung bleibt die Union somit weitgehend auf finanzielle Förderung sowie sonstige koordinierende Maßnahmen (Berichte, Studien etc.) beschränkt.[25] Auf Art. 165 beruhten demgemäß die bekannten Austauschprogramme wie SOKRATES mit seinen Teilen ERASMUS und LINGUA,[26] ERASMUS MUNDUS,[27] TEMPUS[28] u.a.m. Diese Programme gingen 2014 in ERASMUS+ auf. Das Programm dauert von 2014 bis 2020 und vereinigt alle derzeitigen EU-Programme für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport auf europäischer und internationaler Ebene und vereinfacht teilweise ihre Handhabung.[29] Nach Art. 165 III besteht weiterhin eine Zuständigkeit der Union für die Zusammenarbeit mit dritten Staaten.
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Von besonderer Bedeutung ist der von der Union angestoßene sog. Bologna-Prozess. Auf der Basis einer am 19.6.1999 von 29 europäischen Bildungsministern in Bologna unterzeichneten Erklärung werden seither verschiedene Ziele verfolgt, wie z.B. die Einführung des zweistufigen Bachelor-/Master-Systems, die Zusammenarbeit im Bereich der Qualitätssicherung, Evaluierung und Akkreditierung oder die Einführung eines Leistungspunktsystems nach dem ECTS-Modell.[30] Die mittlerweile 47 an dem Prozess teilnehmenden Staaten verfolgen so eine Stärkung der europäischen Dimension in der Hochschulbildung, eine Verbesserung der Mobilität und eine Steigerung der Attraktivität der europäischen Hochschulen, konkret die Schaffung eines europäischen Hochschulraumes. Eine enge Zusammenarbeit mit dem europäischen Forschungsraum wird angestrebt. In Deutschland hat die Umsetzung des Bologna-Prozesses vor allem zur zunehmenden Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen[31] und zur Institutionalisierung der Qualitätssicherung geführt.[32]
3. Regelungen zur Anerkennung von Diplomen und sonstigen Bildungsabschlüssen
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Die europaweite Anerkennung ausländischer Diplome ist eine konstitutive Voraussetzung für das Funktionieren der Personenverkehrsfreiheiten (Freizügigkeit der Arbeitnehmer – Art 45, Niederlassungsfreiheit – Art. 49 und Dienstleistungsfreiheit – Art. 56). Es ist unmittelbar einsichtig, dass niemand von diesen Freiheiten Gebrauch machen würde, müsste er oder sie erst noch das Diplom des Gaststaates erwerben.[33] Schon die ständige Rechtsprechung des EuGH zum Behinderungsverbot[34] müsste dazu führen, dass ausländische Abschlüsse – inhaltliche Gleichwertigkeit vorausgesetzt – europaweit anzuerkennen wären. Allerdings würde eine nur grundsätzlich statuierte Anerkennungspflicht angesichts des Dickichts europäischer Ausbildungs- und Berufszulassungsvorschriften rein praktisch unüberwindbare Hindernisse aufstellen und den einzelnen Mitgliedstaaten Raum lassen, wirkliche oder nur behauptete Defizite in der Ausbildung zum Anlass für die Behinderung der Freiheitsausübung zu machen. Bereits die Gründungsväter der EG haben, dies voraussehend, deshalb in Art. 53 AEUV eine entsprechende Kompetenz vorgesehen, die nicht zuletzt auch der Transparenz und Rechtssicherheit dienen soll.
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Zur Umsetzung dieses Ziels hat die damalige EG zunächst (in den Siebziger- und Achtzigerjahren) den Weg beschritten, einzelne Berufe und Abschlüsse auf der Basis standardisierter Ausbildungsgänge zu harmonisieren.[35] Allerdings erwies sich dieser Weg als nicht praktikabel,[36] so dass Ende der Achtzigerjahre ein neuer Weg beschritten wurde. Anknüpfend nicht mehr an europaweit einheitliche Studienordnungen sondern an die Anerkennung des wechselseitigen Niveaus und der erreichten Kompetenz ergingen drei Anerkennungsrichtlinien,[37] von denen die hier einschlägige Diplomrichtlinie im Prinzip eine Anerkennung für den Fall eines mindestens dreijährigen Vollzeitstudiums auf Hochschulniveau vorsah. Ein Gemeinschaftsbürger musste danach in jedem Mitgliedstaat zur Berufsausübung zugelassen werden, wenn er die Zulassungsvoraussetzungen in (nur) einem Mitgliedstaat erfüllte. Weitere Voraussetzungen (Anpassungslehrgänge, zusätzliche Prüfungen etc.) konnten nur vorgeschrieben werden, wenn tatsächliche Defizite vorhanden waren.[38]
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Im Jahre 2005 schließlich vollendete die EU ihren umfassenden Ansatz mit der Berufsanerkennungsrichtlinie,[39] die nunmehr für alle reglementierten beruflichen Tätigkeiten gilt. Sie geht vom Prinzip der gegenseitigen Anerkennung der Abschlüsse aus und definiert für bisher nicht spezifisch erfasste Berufe fünf verschiedene Kompetenzniveaus, denen bestimmte berufliche Anforderungen zugeordnet sind, für die dann die europaweite Anerkennung gilt.[40] Hochschulausbildungen sind danach auf dem vierten oder fünften Niveau angesiedelt. Nach der Umsetzung (Fristende Oktober 2007) traten die o.g. speziellen Richtlinien außer Kraft.[41] Unterstützt werden soll dieser Prozess durch die Aufstellung eines „Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR)“ dem entsprechend nationale Qualifikationsrahmen gegenüber gestellt werden sollen. Im Jahre 2013 wurde die Berufsanerkennungsrichtlinie modernisiert, u.a. durch die Einführung eines europäischen Berufsausweises für bestimmte reglementierte Berufe.[42]
1. Kapitel Rechtsgrundlagen für die Hochschulen in Baden-Württemberg › A. Europarecht und Völkerrecht › III. Die Forschungspolitik der Union
III. Die Forschungspolitik der Union
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Der Forschungspolitik ist ein eigener, umfänglicher Titel des AEUV gewidmet. Nach Art. 179 ist Ziel, die technologischen Grundlagen der Industrie zu stärken und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Damit knüpft sie direkt an die wirtschaftlichen Ziele des Binnenmarktes an. Adressaten sind Unternehmen, Forschungszentren und Hochschulen. Durchgängiges Förderprinzip ist die Unterstützung grenzüberschreitender Kooperationen sowie die Anwendungsorientierung. Die Union strebt die Gründung eines Europäischen Forschungsraumes an.[43]
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Seit 1984 werden Ziele, Prioritäten und Finanzvolumen in mehrjährigen Förderprogrammen (sog. Forschungsrahmenprogramme, zuletzt galt das 7. FRP) und seit 2014 mit dem neuen Programm Horizon 2020 mit einem Volumen von rund 80 Mrd. Euro, (Art. 182) festgelegt.[44] Letzteres fördert Projekte aus den Bereichen Wissenschaftsexzellenz,