Die vorstehend aufgelisteten indiziellen Merkmale zur Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft können sich überschneiden und „in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien“. Letztlich entscheidend für die Einordnung eines Dienstleistenden als Arbeitnehmer ist folglich das Gesamtbild, welches sich bei der Betrachtung des Einzelfalles ergibt und nicht etwa die Bezeichnung oder der formale Inhalt des Vertragsverhältnisses.[19] Anzustellen ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, wie § 611a Abs. 1 S. 5 BGB klarstellt.
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Die Kasuistik der Rechtsprechung beinhaltet zahlreiche Entscheidungen, die für „Normalfälle“ den Arbeitnehmerbegriff in ausreichender Weise konkretisieren.[20] Von diesen Fällen abgesehen ist der Arbeitnehmerbegriff im Hinblick auf neue Beschäftigungsformen wie die des „freien Mitarbeiters“ zum Teil schwierig zu bestimmen, sodass hier in Ermangelung einschlägiger Rechtsprechung auf die Kriterien zur Bestimmung der abhängigen Beschäftigung zurückgegriffen werden muss.
bb) Gesellschafter als Arbeitnehmer
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Bei Personengesellschaften begründet die Erfüllung von Dienstpflichten durch einen Gesellschafter keine Arbeitnehmerstellung des Gesellschafters, wenn sie auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage erfolgt. Dies folgt daraus, dass der Gesellschafter selbst Partei des Gesellschaftsvertrages ist und daher an der Gestaltung seines Inhalts und an der Willensbildung in der Personengesellschaft beteiligt ist.[21] Demzufolge fehlt es im Regelfall an dem für eine Arbeitnehmerstellung erforderlichen Kriterium der persönlichen Abhängigkeit. Folglich sind vor allem die persönlich haftenden Gesellschafter der Personengesellschaften regelmäßig keine Arbeitnehmer.
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Selbstverständlich ist es gleichwohl möglich, dass zwischen einer Gesellschaft und einem ihrer Gesellschafter neben dem Gesellschaftsvertrag ein Arbeitsverhältnis begründet wird. Wird der Gesellschafter nicht auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage, sondern aufgrund dieses Arbeitsvertrages für die Gesellschaft tätig, so kann er bei entsprechender Vertragsgestaltung als Arbeitnehmer anzusehen sein. Voraussetzung ist, dass der Geschäftsführer der Gesellschaft dem Gesellschafter gegenüber auf der Grundlage des Arbeitsvertrages trotz dessen Gesellschaftsanteilen sein Weisungsrecht uneingeschränkt ausüben kann. Dies richtet sich vor allem nach den Stimmrechtsverhältnissen. Anerkannt ist insoweit, dass Mehrheitsgesellschafter und Gesellschafter, die aufgrund ihrer Gesellschaftsanteile über mehr als 50 % der Stimmrechte verfügen, ungeachtet ihrer Tätigkeit für die Gesellschaft nicht deren Arbeitnehmer sein können. Gleiches soll für den Minderheitengesellschafter gelten, der aufgrund einer Sperrminorität maßgeblich auf die Geschicke der Gesellschaft Einfluss nehmen kann.[22]
cc) Organe als Arbeitnehmer
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Organe juristischer Personen und Personengesellschaften, wie der Geschäftsführer einer GmbH,[23] der Vorstand einer Aktiengesellschaft[24] oder der Vorstand einer Genossenschaft,[25] sind gesetzliche Leitungs- und Vertretungsorgane, die die Geschäfte des Unternehmens nach innen leiten und das Unternehmen nach außen repräsentieren. Sie sind grundsätzlich keine Arbeitnehmer, vgl. nur § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG.[26] Als Organmitglieder stehen sie vielmehr in einem freien Dienstverhältnis. Sie repräsentieren die juristische Person als Arbeitgeber.[27]
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Begründet wird die Stellung als Organ des Unternehmens dadurch, dass eine natürliche Person zum gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft bestellt wird. Dies geschieht durch Beschluss des zuständigen Gesellschaftsorgans durch gesellschaftsrechtlichen Organisationsakt.[28] Durch den Bestellungsakt entstehen unmittelbar die aus der Organstellung erwachsenden Rechte und Pflichten, sofern der Bestellungsbeschluss dem künftigen Organmitglied bekanntgegeben wird.[29]
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Bei juristischen Personen und Personengesellschaften ist die Organstellung streng vom Anstellungsvertrag zu trennen. Die gesellschaftsrechtliche Stellung als Organ endet durch Abberufung oder Niederlegung des Amtes, während der Anstellungsvertrag nach den allgemeinen Regeln des Allgemeinen Teils des BGB abgeschlossen wird und ordentlich oder außerordentlich nach den §§ 621, 626 BGB gekündigt werden kann.[30] Aus dieser Aufteilung, dem sog. Trennungsprinzip, folgt, dass die Abberufung als Geschäftsführer nicht zugleich auch zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses führt. Ausfluss dieses Dualismus von gesellschaftsrechtlicher Stellung als Organ und dienstrechtlichem Anstellungsvertrag ist, dass ein Sachverhalt für die Gesellschaft einen wichtigen Grund für den Widerruf der Bestellung, aber nicht für die Kündigung des Anstellungsvertrags bilden kann.[31]
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Im Gegensatz zum Vorstand einer Aktiengesellschaft ist der Geschäftsführer einer GmbH gem. § 37 GmbHG den Gesellschaftern gegenüber einem umfassenden Weisungsrecht unterworfen.[32] Nach bis dato ständiger Rechtsprechung der Zivilgerichte wird gleichwohl die Arbeitnehmereigenschaft eines GmbH-Geschäftsführers unter Hinweis auf dessen Organstellung durchweg verneint.[33]
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Demgegenüber vertritt das BAG die Auffassung, dass in Ausnahmefällen auch der Dienstvertrag eines GmbH-Geschäftsführers als Arbeitsvertrag zu qualifizieren sein kann und ihm demnach auch die Stellung eines Arbeitnehmers zukommen kann.[34] Ein solcher Ausnahmefall soll nach dem BAG dann gegeben sein, wenn der in Rede stehende Geschäftsführer so stark weisungsgebunden ist, dass über die unternehmerische Weisungsgebundenheit hinaus eine persönliche Abhängigkeit und dadurch der Arbeitnehmerstatus begründet wird.[35]
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Das Verhältnis des Geschäftsführers zur GmbH kann demnach nur dann als Arbeitsverhältnis eingeordnet werden, wenn über die gesetzlich verankerten gesellschaftsrechtlichen Weisungsverhältnisse hinaus die Gesellschaft vertraglich ermächtigt wird, für das Arbeitsrecht typische Weisungen gegenüber dem Geschäftsführer zu erteilen, die die konkreten Modalitäten der Leistungserbringung steuern.[36] Ein solcher Fall ist nach der Auffassung des BAG wohl nur im Rahmen einer „Mehrpersonen-Geschäftsführung“ denkbar, bei der die anderen Geschäftsführer die maßgeblichen Aufgaben wahrnehmen können, sodass der „Arbeitnehmer-Geschäftsführer“ von Repräsentation, Willensbildung und Wahrnehmung von Arbeitgeberfunktionen ausgeschlossen werden kann. In diesem Sinne hat das BAG das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft eines Alleingesellschafters und -geschäftsführers folgerichtig verneint.[37] Im Ergebnis kommt die Ansicht des BAG der des BGH allerdings dadurch sehr nahe, dass derartige Situationen nur selten, nämlich in „extremen Ausnahmefällen“[38], auftreten und demnach die Dienstverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern in der Praxis regelmäßig keine Arbeitsverhältnisse darstellen.[39]
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Das Schrifttum geht grundsätzlich ebenfalls davon aus, dass der Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers keinen Arbeitsvertrag darstellt.[40] Daneben gibt es allerdings eine im Vordringen befindliche Ansicht, der zufolge die Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Geschäftsführern nicht von vornherein abzulehnen ist.[41] Diesbezüglich wird etwa angeführt, dass das Argument der h.M., ein GmbH-Geschäftsführer könne deshalb nicht Arbeitnehmer sein, weil er die Stellung eines Vorgesetzten inne habe, im Hinblick auf die gleichzeitige Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft von leitenden Angestellten nicht verfange.[42] Nach dieser Ansicht sind zumindest Fremd-Geschäftsführer als Arbeitnehmer der GmbH zu qualifizieren, da diese nicht am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt und daher ähnlich einem Arbeitnehmer wirtschaftlich abhängig sind.[43] In Ausnahmefällen soll demnach das Rechtsverhältnis zwischen GmbH-Geschäftsführer und GmbH als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren sein, wenn anderenfalls eine Umgehung der Arbeitnehmerschutzvorschriften droht.[44]
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