Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften sind jedenfalls dann nicht als abhängig beschäftigt i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV einzustufen, wenn sie mindestens die Hälfte des Grundkapitals besitzen. Ist dies nicht der Fall, so war ihre Sozialversicherungspflichtigkeit umstritten.[70] Dieser Streit dürfte allerdings durch das Urteil des BSG zur gesetzlichen Unfallversicherung vom 14.12.1999[71] weitestgehend geklärt sein. In diesem führte das BSG aus, dass Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft unter Berücksichtigung der sie betreffenden Normen des AktG in der Regel selbstständig tätig und somit nicht abhängig beschäftigt i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV seien, es in zweifelhaften Fällen aber – unter besonderer Beachtung der Vertragsgestaltung – darauf ankomme, ob die Merkmale einer nichtselbstständigen oder selbstständigen Tätigkeit überwiegen. Im Ergebnis ist nach der Rechtsprechung des BSG eine Eingliederung des Vorstandsmitglieds bereits dann gegeben, wenn eine „funktionsgerechte, dienende Teilhabe am Arbeitsprozess“ vorliegt.[72] Allein weitreichende Entscheidungsbefugnisse machen das Vorstandsmitglied noch nicht zu einem Selbstständigen, selbst wenn der Betroffene teils als „Chef“ angesehen wird.[73] Das BSG bejaht die Eingliederung auch dann, wenn der Vorstandsvorsitzende lediglich die ihm von Gesetz oder Satzung überantworteten Aufgaben übernimmt.[74] Hierin unterscheidet sich die Auffassung des BSG von derjenigen von BGH und BAG, der zufolge allein aus der Wahrnehmung der dem Geschäftsbereich zugehörigen Aufgaben nicht abgeleitet werden kann, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt, da dies nichts über den arbeitsrechtlichen Status der betroffenen Person besage.[75]
In Fällen, in denen ein Beschäftigungsverhältnis nur vorgetäuscht wird, um Leistungen der Krankenversicherung zu erlangen (sog. Scheingeschäft), liegt hingegen kein Beschäftigungsverhältnis vor.[76]
c) Arbeitnehmer im steuerrechtlichen Sinne
80
Auch im EStG findet sich keine Definition des Arbeitnehmerbegriffes. § 19 Abs. 1 EStG erklärt lediglich, dass zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit vor allem auch Löhne und Gehälter zu rechnen sind.
81
Demgegenüber enthält § 1 Abs. 1 S. 1 LStDV eine Legaldefinition, wonach Arbeitnehmer i.S.d. Gesetzes solche Personen sind, die in öffentlichem oder privatem Dienst angestellt oder beschäftigt sind oder waren und die aus dem Dienstverhältnis oder früheren Dienstverhältnis Arbeitslohn beziehen. Nach § 1 Abs. 2 LStDV liegt ein Dienstverhältnis nach Abs. 1 vor, wenn der Beschäftigte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet, was der Fall ist, wenn die in Rede stehende Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Der BFH und die überwiegende Literatur im Steuerrecht sind der Auffassung, dass § 1 LStDV die Merkmale, anhand derer die Arbeitnehmereigenschaft ermittelt werden müsse, erschöpfend darlege.[77]
82
Der BFH betrachtet daher bei der Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft die persönliche Abhängigkeit der jeweiligen Person,[78] wobei auch hier auf die persönliche Weisungsgebundenheit, die Eingliederung in die betriebliche Organisation, die Art der Vergütung und insbesondere das Bestehen eines Unternehmerrisikos abgestellt wird.[79] Auch der BFH nimmt hierbei eine Würdigung des Einzelfalles nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vor. Er behält sich dabei aber vor, bei der steuerrechtlichen Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft zu einem anderen Ergebnis zu kommen als dies im Zivil- oder Arbeitsrecht der Fall wäre, wobei diese Beurteilung im Steuerrecht als Indiz herangezogen werden könne.[80]
83
Im Steuerrecht sind im Gegensatz zur herrschenden Ansicht im Arbeitsrecht auch GmbH-Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder einer AG als Arbeitnehmer einzustufen.[81] Dies wird im Hinblick auf den GmbH-Geschäftsführer damit begründet, dass der Geschäftsführer als Organ in die Gesellschaft eingegliedert ist und den Weisungen aus Anstellungsvertrag, Gesellschafterbeschlüssen und Gesetz Folge leisten muss.[82]
a) Arbeitnehmerähnliche Beschäftigte
84
Vorab ist festzustellen, dass arbeitnehmerähnliche Personen selbstständige Unternehmer sind.[83] Ihnen kommt eine „unternehmerische Freiheit im Inneren“[84] zu, die dazu führt, dass das Arbeitsrecht auf sie im Grundsatz keine Anwendung findet.
85
Arbeitnehmerähnliche Beschäftigte sind Personen, die wirtschaftlich abhängig und daher einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig sind[85], weil sie aufgrund eines Dienst- oder Werkvertrages überwiegend für eine Person tätig sind und die geschuldete Leistung persönlich und im Wesentlichen ohne Mitarbeit von Arbeitnehmern erbringen (§ 12a Abs. 1 TVG).
86
Im Gegensatz zu Arbeitnehmern sind arbeitnehmerähnliche Beschäftigte allerdings nicht persönlich abhängig. Sie sind nicht in eine betriebliche Organisation eingegliedert und in ihrer Zeitbestimmung grundsätzlich frei.[86]
87
Soziale Schutzbedürftigkeit i.S.v. § 12a Abs. 1 TVG liegt vor, wenn das Maß der Abhängigkeit nach der Verkehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er ansonsten nur in einem Arbeitsverhältnis vorkommt, und die geleisteten Dienste nach ihrer sozialen Bedeutung mit denen eines Arbeitnehmers vergleichbar sind.[87]
88
Arbeitnehmerähnliche Beschäftigte sind gerade keine Arbeitnehmer und ihre Vertragspartner demzufolge auch keine Arbeitgeber. Im Bereich des Arbeitsstrafrechts sind sie daher grundsätzlich nicht erfasst, soweit das Arbeitsstrafrecht auf den Arbeitgeberbegriff als Pendant zum Arbeitnehmerbegriff zurückgreift.[88] Nur in Ausnahmefällen ist das Arbeitsstrafrecht auf die arbeitnehmerähnlichen Personen anwendbar, nämlich dann, wenn dies spezialgesetzlich angeordnet ist.[89]
89
Beispiele für arbeitnehmerähnliche Personen sind:[90]
– | Heimarbeiter[91], |
– | Hausgewerbetreibende, |
– | „freie Mitarbeiter“ von Rundfunk- und Fernsehanstalten[92], |
– | Dozent eines juristischen Repetitoriums[93], |
– | Franchisenehmer[94] und |
– | Kommissionär.[95] |
90
Gemäß § 5 ArbGG unterstehen die Arbeitnehmerähnlichen zwar der Arbeitsgerichtsbarkeit, sodass etwa Kündigungsschutzklagen vor dem Arbeitsgericht zulässig, jedoch nicht begründet sind, da das KSchG nur Geltung in Bezug auf Arbeitnehmer entfaltet.[96]
91
Aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht ist bei der Qualifizierung arbeitnehmerähnlicher Personen als Selbstständige i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV zu differenzieren. Heimarbeiter gelten gem. § 12 Abs. 2 SGB IV bereits kraft Gesetzes als Beschäftigte.[97] In allen anderen Fällen ist anhand der üblichen Indizien