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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist für die Entscheidung, ob ein Beschäftigungsverhältnis – und in der Folge eine Arbeitgeberstellung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne vorliegt – maßgeblich, inwieweit der Beschäftigte in den Betrieb eines Dritten eingegliedert ist und er dabei einem „Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers“ unterliegt.[12] Entscheidend sind dabei nicht die der Tätigkeit zugrundeliegenden Vereinbarungen, sondern vielmehr das tatsächliche Gesamtbild der Tätigkeit.[13] Demgegenüber soll von einer Selbstständigkeit auszugehen sein, wenn der Tätige das Unternehmerrisiko übernimmt und eigens über Arbeitsort und -zeit disponieren kann.[14]
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Ungeschriebenes Merkmal des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses ist nach allgemeiner Ansicht die freiwillige Erbringung von Leistung und Gegenleistung, also auf Seiten des Beschäftigungsgebers der Lohnzahlung.[15] Dafür sind eigene Entschlüsse der Beteiligten erforderlich, „die nach dem Modell der Erklärungen bei einem Vertragsschluss geäußert werden“.[16] Ein Vertragsschluss i.S.d. Zivilrechts ist dazu nicht erforderlich[17], vielmehr ist das tatsächliche Einverständnis der am Beschäftigungsverhältnis Beteiligten ausreichend, aber auch zwingend.[18] Der Beschäftige muss seine Leistung mithin mit Wissen und Wollen des „Arbeitgebers“ leisten.[19] Ist das aber der Fall, besteht auch dann ein Beschäftigungsverhältnis im Sozialversicherungsrecht, wenn der Arbeitsvertrag an sich unwirksam oder nichtig ist, sog. fehlerhafter[20] Arbeitsvertrag.[21] Dagegen begründet eine Tätigkeit aufgrund gesetzlichen Zwanges, – z.B. bei Strafgefangenen – ungeachtet ihrer Ausgestaltung, kein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis.[22]
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Ebenso wenig ist – wie sich systematisch aus den Regelungen in Abs. 1 und 3 des § 7 SGB IV ergibt – für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses eine Entgeltlichkeit der geleisteten Tätigkeit Voraussetzung.[23] Während in § 7 Abs. 1 SGB IV in der dort enthaltenen Legaldefinition der „Beschäftigung“ keine Aussage zu einer etwaig erforderlichen Entgeltlichkeit getroffen ist, ist in Abs. 3 eine „Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt“ gesondert aufgeführt. Das lässt den Schluss zu, dass die Entgeltlichkeit der Beschäftigung kein konstitutives Merkmal des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigtenverhältnisses ist.[24]Auch insoweit sind die Begrifflichkeiten des Beschäftigungsverhältnisses und des Arbeitgebers im Sozialversicherungsrecht weiter als im Arbeitsrecht. Denn während bei unentgeltlichem Tätigwerden des Weisungsempfängers der Weisungsgeber zwar als Beschäftigungsgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne gelten kann, lässt er sich mangels entgeltlicher Leistungsverpflichtung[25] keinesfalls nach arbeitsrechtlichen Maßstäben als Arbeitgeber einstufen.
bb) Steuerrechtlicher Arbeitgeberbegriff
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Der steuerrechtliche Arbeitgeberbegriff ist vor allem beim Lohnsteuerabzugsverfahren gem. §§ 38, 39b bis 41c, 42b und 42d bis 42f EStG relevant, da nach §§ 38 Abs. 3, 40 Abs. 3 und 41a EStG nur inländische Arbeitgeber im steuerrechtlichen Sinne zur Erhebung von Lohnsteuer und deren Abführung an das Finanzamt verpflichtet sind.
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Im EStG sowie in der LStDV findet sich keine Definition des Arbeitgeberbegriffs. Dieser wird vielmehr in § 38 EStG und § 1 Abs. 2 LStDV vorausgesetzt. In § 1 Abs. 2 S. 1 LStDV werden lediglich die öffentliche Körperschaft, der Unternehmer und der Haushaltsvorstand als Beispiele möglicher Arbeitgeber genannt, sodass nur eine Umschreibung des Begriffs gegeben ist.[26] Der Arbeitgeberbegriff ergibt sich aber in Umkehrung des Arbeitnehmerbegriffs aus § 1 Abs. 1 und 2 LStDV, sodass Arbeitgeber im steuerlichen Sinne „derjenige ist, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird oder dessen Weisungen er zu folgen hat.“[27] In der Regel ist dies der Vertragspartner des Arbeitnehmers aus dem Dienstvertrag.[28] Anknüpfungspunkt bei der Bestimmung der Voraussetzungen des steuerrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs ist allerdings nicht der zivilrechtliche Dienstvertrag; entscheidend sind vielmehr die Merkmale der Weisungsgebundenheit und der organisatorischen Eingliederung.[29] Auch die sozialversicherungsrechtliche Behandlung einer Person ist für die steuerrechtliche Beurteilung nicht maßgebend. Zwar beurteilt sich auch der sozialversicherungsrechtliche Arbeitnehmerbegriff unter anderem nach der Weisungsgebundenheit des Betroffenen, doch betrifft das Sozialversicherungsrecht eine andere Interessenlage.[30]
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Aus der Tatsache, dass der steuerrechtliche Arbeitnehmerbegriff nicht deckungsgleich mit dem in anderen Rechtsgebieten verwendeten wortgleichen Begriff ist, wird im Umkehrschluss gefolgert, dass auch der steuerrechtliche Arbeitgeberbegriff einen eigenständigen Inhalt aufweist.[31] Wird eine Person als Arbeitgeber im arbeitsrechtlichen oder sozialversicherungsrechtlichen Sinne eingestuft, so entfaltet dies Indiz-, aber keine Bindungswirkung für deren steuerrechtliche Behandlung. Eine abweichende Behandlung im Steuerrecht bleibt damit möglich, wenn die Besonderheiten des Steuerrechts dies erfordern.[32]
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Eine solche Besonderheit liegt etwa dann vor, wenn es um ein früheres oder zukünftiges Dienstverhältnis geht. Aus § 1 Abs. 1 S. 1 LStDV ergibt sich, dass auch solche Personen Arbeitgeber im steuerrechtlichen Sinne sind, die einem Arbeitnehmer aufgrund eines früheren Dienstverhältnisses Arbeitslohn zahlen. § 2 Abs. 2 Nr. 1 LStDV erweitert den Begriff des Arbeitslohns auch auf Einnahmen im Hinblick auf ein künftiges Dienstverhältnis, sodass auch ein solches ausreicht, um eine Person als steuerrechtlichen Arbeitgeber zu qualifizieren, sofern er aus diesem Dienstverhältnis bereits Lohn zahlt.[33]
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Des Weiteren ist im Lohnsteuerrecht das Veranlassungsprinzip zu beachten, welches die Annahme eines mittelbaren Arbeitsverhältnisses[34] verbietet, da nach diesem Prinzip als Arbeitgeber nur in Frage kommt, wem der Arbeitnehmer unmittelbar seine Arbeitskraft schuldet.[35]
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Steht bei einer Organschaft[36] die betreffende Person in einem Arbeitsverhältnis zu einer Tochtergesellschaft (Organgesellschaft) und erhält sie zusätzlich etwa bestimmte Sozialleistungen von der Muttergesellschaft (Organträger), so ergibt sich auch hier aus dem Veranlassungsprinzip, dass diese nicht Arbeitgeberin sein kann.[37]
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In den Fällen der Arbeitnehmerüberlassung und anderen Formen des drittbezogenen Arbeitseinsatzes ist der Arbeitnehmer nicht unter der Leitung seines Partners aus dem Dienstvertrag tätig und ist diesem gegenüber auch nicht weisungsgebunden, sondern untersteht der Leitung des Entleihers, sodass der steuerrechtliche Arbeitgeberbegriff in diesem Fall versagt und daher andere Kriterien heranzuziehen sind.[38] Steuerrechtlicher Arbeitgeber ist dann der, der dem Arbeitnehmer den Lohn in eigenem Namen und für eigene Rechnung auszahlt.[39] Ist dies der Entleiher, so liegt aus der Perspektive der Vertragsparteien eine „Mutation“ der Arbeitnehmerüberlassung