Wir danken unserem Kollegen Ashraf Abouzeid, der uns bei der Erstellung dieser 3. Auflage mit viel Engagement unterstützt hat.
Klaus Schroth
Marvin Schroth
Anmerkungen
Rn. 1 – so von Schlieffen & Uwer in Opferrechte im Strafverfahren, Policy Paper der Strafverteidigervereinigungen, Oktober 2017.
Rn. 2 – gleich früher Rn. 1.
Rn. 3 – gleich früher Rn. 2.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten
Inhaltsverzeichnis
I. Die moderne „Opferdiskussion“
II. Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten vom 11.5.1976
III. 1. Gesetz zur Verbesserung der Stellung des Verletzten im Strafverfahren vom 18.12.1986
IV. Gesetz zum Schutz von Zeugen bei Vernehmungen im Strafverfahren und zur Verbesserung des Opferschutzes vom 30.4.1998
V. Täter-Opfer-Ausgleich – Gesetz zur strafverfahrensrechtlichen Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs vom 20.12.1999
VI. Rahmenbeschluss 2001/220, JI des Rats über die Stellung von Opfern im Strafverfahren vom 15.3.2001 – Richtlinie 2004/80/EG des Rats der Europäischen Union vom 29.4.2004
VII. Gesetz zur Verbesserung der Rechte von Verletzten im Strafverfahren vom 24.6.2004
VIII. Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24.8.2004
IX. Gesetz zur Stärkung der Rechte von Verletzten und Zeugen im Strafverfahren vom 29.7.2009
X. EU-Richtlinie über Mindeststandards für die Rechte und den Schutz von Opfern von Straftaten vom 25.10.2012
XI. Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs vom 26.6.2013
XII. Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren vom 21.12.2015
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › I. Die moderne „Opferdiskussion“
I. Die moderne „Opferdiskussion“
1
Vor etwa vierzig Jahren wurde dem Verletzten im Strafverfahren über seine Zeugenaussage hinaus kaum Beachtung geschenkt. Dieses Verständnis geht zurück auf die geschichtliche Entwicklung, in der mit der Herausbildung eines staatlichen Gewaltmonopols auch die Rolle des Verletzten als Prozesssubjekt schrittweise beseitigt wurde. Der von einer Straftat Betroffene wurde durch den Staat als Ankläger ersetzt. Mit Beginn der „modernen Opferdiskussion“ in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, in der in zunehmendem Maße die Erweiterung der „Opferrechte“ gefordert wurde, ist diese Entwicklung in ihr Gegenteil umgeschlagen.[1] Der Gesetzgeber hat sich in der Folgezeit immer wieder die Argumente der Befürworter des Ausbaus von „Opferrechten“ zu Eigen gemacht und durch eine Vielzahl von Gesetzen die Position des Verletzten im Strafverfahren nachhaltig gestärkt – zuletzt durch das sog. „3. Opferrechtsreformgesetz“ vom 21.12.2015.
2
Der moderne Strafprozess weist dem Verletzten eine Subjektrolle[2] zu, die die Wahrung der Grundrechte gewährleistet und dazu dienen soll, gesellschaftliche Konflikte, die sich aus der unzureichenden Beachtung des Verletzten und seiner Belange ergeben können, zu vermeiden.[3] Die vor der rechtskräftigen Verurteilung des Täters geltende Unschuldsvermutung und der besonders kritische Umgang mit der Aussage des Verletzten lassen bei diesem leicht den Eindruck entstehen, er werde missverstanden oder es werde ihm nicht geglaubt. Was einem distanzierten Beobachter als rechtsstaatliches Gebot im Lichte der Unschuldsvermutung zwingend erforderlich und geboten erscheint, wird aus Sicht des Verletzten oft als zusätzliche Demütigung empfunden. Der moderne Strafprozess versucht auf unterschiedliche Weise, diesen Eindruck nicht entstehen zu lassen. Daneben geht es dem von einer Straftat Betroffenen aber auch darum, sein Genugtuungsinteresse zu befriedigen und auf schnellem und effektivem Weg eine finanzielle Kompensation für erlittene Schäden zu erhalten. Diesem Anliegen soll in erster Linie das im Strafverfahren implementierte Adhäsionsverfahren dienen.
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Angesichts der zunehmenden Bedeutung der Beteiligungsrechte des Verletzten stellt sich allerdings die Frage, inwieweit man noch Zugeständnisse machen kann, ohne die Rechte des Beschuldigten zu sehr einzuschränken bzw. ob eine weitere Berücksichtigung der Interessen des Verletzten nicht zu sehr zu Lasten der Rechtsstellung des Beschuldigten geht. Hier besteht zwangsläufig ein Interessenkonflikt zwischen den Beschuldigteninteressen und denjenigen des Verletzten. Eine Gewichtung kann schon deshalb nicht einseitig zu Gunsten des mutmaßlichen Opfers erfolgen, weil im Verlauf des Strafverfahrens die Schuld des möglichen Täters sowie die Rollenverteilung „Täter – Opfer“ noch gar nicht feststehen, sondern erst am Ende des Strafprozesses mit Urteilsverkündung und anschließender Rechtskraft. Gegen die vehementen und anhaltenden Forderungen nach immer weiter reichenden Vergünstigungen für die von Straftaten Verletzten sind in der kriminalpolitischen Debatte durchaus auch gewichtige Gegenstimmen zu hören. Einerseits wird – insbesondere durch Opferschutzverbände